RE: Japans Rolle (und Schuld) im pazifischen Krieg
Eigentlich wollte ich mich, wie schon so oft, nicht mehr in so kontroverse Themen einmischen, aber wie schon so oft, kann ich meine Finger nicht bei mir behalten. Mein Vater wäre stolz auf mich...
Vorab muß ich gestehen, daß ich in Sachen Politik keine Expertin bin, in der japanischen Politik noch viel weniger als in der deutschen oder amerikanischen. Ich beschäftige mich lieber mit den Menschen, und deshalb ist es auch hier der menschliche Aspekt, der mich mehr interessiert als der politische. Immerhin wird Politik für Menschen gemacht - zumindest sollte es so sein - daß sich auch von Menschen gemacht wird, daran zweifle ich manchmal.
Hiroshima und Nagasaki in irgendeiner Weise vorzuschieben ist ein Verbrechen an den Opfern, insbesondere weil beide Städte mittlerweile eher Schlagworte als Namen sind. Dieses Thema ist nicht nur schwierig, sondern auch gefährlich, denn derjenige, der seine Familie beim Bombenabwurf verloren hat, sieht diese Vergangenheit mit ganz anderen Augen als ein Amerikaner, Koreaner, Chinese... Zu Recht! Noch schwieriger wird die Situation, wenn der Japaner in Hiroshima war und der Chinese in Nanking. Die selbe Schlucht herrscht zwischen einem Juden und einem Deutschen. Diese Schluchten gilt es zu überwinden, aber das funktioniert weder mit gegenseitigen Schuldzuweisungen, noch mit dem Schriftzug „Opfer“ oder „Täter“ auf der Stirn, aber am wenigsten funktioniert es, wenn man nicht aufeinander zugeht. Eine solche Annäherung scheint unmöglich, und vielleicht ist sie es auch. Traurig, aber wahr.
Was das Volk betrifft, so gibt es zahllose Beispiele dafür, daß die Regierung meist einen anderen Umgang mit der Vergangenheit pflegt als die Bevölkerung, weil die Bevölkerung aus Menschen besteht, die Regierung aber nur aus Parteien. Beispiele:
1. Deutschland hat sich immer wieder für Hitlers Taten entschuldigt und davon distanziert. Zugegeben, auch Politiker, aber gerade im Moment sind die Querschläger wieder auf dem Vormarsch.
2. Die australische Bevölkerung hat sich bei den Aboriginies entschuldigt (bei der Olympiade waren tausende T-shirts mit der Aufschrift „I am sorry“ zu sehen), die Regierung hat sich lange geweigert und tut es meines Wissens nach noch heute.
3. Amerika hat sich nie entschuldigt bei den ehemaligen Sklaven, den Native Americans, Vietnam, Korea, Irak, Iran, Jugoslawien, etc. pp. denn sie verstehen sich als Weltpolizei, die sich in jeden Streit einmischen darf und muß. Und sie bombardieren noch immer „versehentlich“ ausländische Botschaften und zivile Einrichtungen und sind empört, wenn sie hierfür bestraft werden sollen.
Amerika und Japan scheinen sich in dieser Hinsicht ähnlicher zu sein, als beide es wahrhaben wollen, obwohl in den USA seit einigen Jahren ein längst überfälliger Umbruch erfolgt (man vergleiche CNN damals und heute, damals ein patriotischer Sender, heute ein Sender, der die Regierungssprecher das Fürchten lehrt), trotz oder gerade wegen ihres Präsidenten, der mit einer Spielzeugpistole besser bedient und genauso glücklich wäre und weniger Gefahr für die ganze Welt bedeuten würde.
In den USA ist es ein Patriotismus, den die Kinder wenn nicht mit der Muttermilch, dann spätestens mit den Schulbüchern aufnehmen. Interessanterweise verändert sich ihre Sichtweise, sobald sie ihr Land einmal verlassen haben. In Japan scheint es mir eher die Scheu vor Konflikten zu sein, nach dem Motto „Über so etwas sprechen wir nicht, das gibt nur böses Blut“. Inwieweit die Bevölkerung da mitzieht, kann ich nicht beurteilen. Ich hatte bisher nicht die Gelegenheit, mit einem Japaner persönlich darüber zu diskutieren, aber auch das scheint mir äußerst schwierig zu sein, auch dann noch, wenn geographische und sprachliche Barrieren überwunden sind. Schade eigentlich, denn keiner kann sich selbst ein Bild von der Vergangenheit machen, und es fällt noch schwerer, wenn es um die Vergangenheit eines fremden Landes geht.
Eine fremde Sprache zu beherrschen knüpft ein Band zwischen den Menschen, das ohne dieses Wissen niemals existieren könnte.
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