(16.12.08 09:23)Lori schrieb:Eine Sprache wird nur dann verhunzt (ohne "t" uebrigens!), wenn ihr Repertoire ("Ausdrucksmoeglichkeiten") abnimmt, das ist im Japanischen nicht der Fall. Tatsaechlich erweitern westliche Lehnwoerter das Repertoire des Japanischen, da sich so Ideen ausdruecken lassen, fuer die es im Japanischen bisher kein Wort und auch keine Notwendigkeit gab. Der Englisch-Import bringt also ein WACHSTUM der japanischen Ideen- und damit Geisteslandschaft mit sich.
Ich merke schon, dass Lori aus einer anderen Ecke kommt, als ich, aber ich lehne mich mal trotzdem ein wenig aus dem Fenster
Sicher, auch unsere Sprache besteht zu einem sehr erheblichen Anteil aus Lehn- und Fremdwörtern - ein Blick ins Herkunftslexikon ist da sehr interessant. Der Versuch, eine "reine" deutsche Sprache zu sprechen, wie dies von einigen Vereinen gefordert wird, ist wohl von vornherein zum Scheitern verurteilt.
Dennoch: Ich bin kein Sprachwissenschaftler, aber für mein Gefühl werden Sprachen durch Lehnwörter nicht nur bereichert. Ich möchte hier nicht weiter auf einige Vereinfachungen der Jugendsprache in Deutschland eingehen (hatte ich schon in einem anderen Thread getan).
Mir fällt da zum Beispiel das einfache Wörtchen "牛乳” ein, welches meines Erachtens langsam, aber sicher durch das vollkommen fremde Wort "ミルク" ersetzt wird. Hier stimmt es also nicht, dass es vorher kein japanisches Wort dafür gab (ja, ich weiß, sicher nicht das beste Beispiel). Ich könnte mir vorstellen, dass es inzwischen japanische Kinder gibt, die mit letzterem mehr anfangen können, als mit ersterem. Solche Beispiele gibt es viele. Zum Beispiel wurde ich nicht so gut verstanden, als ich zum "市場" gehen wollte. Mir wurde gesagt, ich solle stattdessen eher "マルクト" verwenden. Manchmal frage ich bei Lehnwörtern nach, ob es nicht ein "richtiges" japanisches Wort dafür gäbe und ernte teilweise nur ein Achselzucken...
Sicher, so etwas gibt es in jeder Sprache und auch wir können ein Liedchen davon singen. Ich gehöre noch zu der Generation, die einen "City-Call" noch als "Stadtgespräch" bezeichnet hat. Heute sind die englischen (amerikanischen?) Begriffe in aller Munde und werden ganz normal gebraucht - das geht soweit, dass wir sie sogar beugen. Beispiel? "Gedownloaded" (eigentlich müsste man das ja mit "t" am Ende schreiben?) - für mich klingt das nach wie vor wie eine Wortvergewaltigung, sorry, aber mir tut das weh - egal, wie oft ich es höre oder sehe. Ok, Sprache lebt und Wörter sterben, aber was ist gegen "Herunterladen" bzw. "heruntergeladen" einzuwenden? Weshalb ein Fremdwort derart verunstalten, wenn man es viel geschmeidiger mit einem vorhandenen Begriff bezeichnen kann?
Ich habe den Eindruck, dass sich Japaner (nicht jeder einzelne, aber die Masse) einfach besonders wenig Mühe machen, Dinge auch in ihrer Sprache auszudrücken und stattdessen einfach die Fremdwörter übernehmen und in Katakana schreiben. Gibt es z. b. überhaupt einen anderen Ausdruck für "ダウンロード"?
Edit: Mir fällt gerade auch kein deutsches Wort für "Download" ein...
Ich weiß nicht, wie man diesen Vorgang sprachwissenschaftlich bezeichnet, aber für mich ist das wie eine Art feindlicher Übernahme. Mit den Worten drängen auch andere Strukturen und Denkmuster in die Sprache ein. Für mich als Laien verbinde ich mit dem Wort "Stadtgespräch" ein anderes Gefühl, als mit City-Call. Dies ist keine Wertung, sondern eine Feststellung. Wenn irgendwann wichtigere Worte als die eben angeführten durch Lehnwörter ersetzt werden, Wörter, die besondere Gefühle ausdrücken, die es vielleicht nur in dieser speziellen Kultur gibt, so geht etwas verloren. Ich habe manchmal den Eindruck, als würden Japaner in nicht allzuferner Zeit eher Amerikanisch/Englisch, als Japanisch sprechen. Einzige die sehr beliebten Abkürzungen würden noch ein wenig Würze in die Angelegenheit bringen. Jeder mag für sich selbst entscheiden, ob oder wie er das werten möchte.
Woher kommen diese ganzen Lehnwörter vor allem aus dem amerikanischen/englischen Sprachraum? Besonders in Japan fällt es besonders auf, da in Japan für Lehnwörter halt eine eigene Schrift existiert. Trotzdem wurde sogar hier im Forum einmal erwähnt, dass die Japanische Sprache einen sehr hohen Anteil an Lehnwörtern hat - mehr als die meisten anderen Sprachen. Mir fällt während meines diesjährigen Japanbesuches auf, dass vor allem Werbung voll mit Anglizismen ist. Im Extremfall gibt es auf einigen Plakaten kaum ein japanisches Wort bzw. fast ausschließlich Katakana-Wörter.
Für mich ist Werbung eine Krankheit, eine Art Krebs der Sprache. (Bitte jetzt keine Diskussion über die Kunstform "Werbung"). Sie hält sich an keine Regeln und wuchert so weit, bis sie in die Sprache eingedrungen ist ("...da werden Sie geholfen..."). Das Problem ist, dass Erwachsene mit solchen Sprachspielereien meistens noch umgehen können, Kinder dies aber nicht können und solche falschen Formulierungen und Wendungen einfach aufnehmen und verwenden. Das hat es so früher nicht in dem Maße - wenn überhaupt - gegeben.
Ich finde diesen Vorgang sowohl in unserer, als auch in der japanischen oder in jeder anderen Sprache einfach traurig. Ich habe inzwischen durch meine Japanisch-Studien so manche englische Vokabel dazu gelernt.
Wohin führt das? Vielleicht entwickelt sich irgendwann tatsächlich auf natürliche Weise eine Art amerikanisches/englisches Ersatz-Esperanto, welches mit kleinen Unterschieden auf der ganzen Welt gesprochen und verstanden wird und der Fluch von Babel wäre damit aufgehoben...
Übrigens: Wodurch wird eigentlich die amerikanische/englische Sprache am stärksten beeinflusst bzw. aus welcher Sprache kommen dort die meisten Lehnwörter?