Nachdem ich jetzt ziemlich genau einen Monat Kanji lerne und den Eindruck habe, ganz gute Erfolge zu erzielen, möchte ich mal berichten, wie meine Methode so aussieht. Vielleicht inspiriert es ja andere und nimmt ein bisschen die Angst.
Nach euren Antworten
hier (vielen Dank nochmal nachträglich) und ein bisschen eigener Recherche dachte ich mir, dass es mir dann doch nicht so viel bringen würde, den Heisig zu kaufen. Stattdessen bin ich bei der selben Methode gelandet, mit der ich die letzten zwei Jahre die japanischen Wörter (phonetisch, in Hiragana) gelernt habe: Pauken. Das ganze allerdings mit ein bisschen Methode, die Kanji- und Wörter-Lernen kombiniert.
Ich verwende wie bei den Wörtern in Hiragana Anki, das ich für das Lernen von Fakten jeglicher Art wirklich allgemein und uneingeschränkt empfehle. Ausnahmsweise habe ich das Kanji-Deck nicht komplett selbst angelegt, sondern ein frei verfügbares mit allen Jouyou-Kanji (nur eine Richtung: Kanji -> Bedeutung, Aussprachen) heruntergeladen.
Ganz wichtig ist, dass die Kanji im Deck mit der (Schul-)Klasse, in der das jeweilige Kanji normalerweise gelernt wird, getagt sind. Ich lerne nämlich klassenweise: man kann bei Anki auswählen, dass nur mit bestimmten Tags versehene Karten angeboten werden sollen. So kann ich nach und nach Klassen aktivieren.
Ich lasse mir dabei mit jedem neuen Lerntag zusätzlich zu den wiederholenden Kanji auch 15 neue anbieten (auch einstellbar). 15 habe ich mehr oder weniger durch rumprobieren erreicht: 10 waren mir zu wenig, bei 20 wird es mir zu anstrengend. Dadurch dass nur Tags von Klassen, die ich schon durch habe und eben die Klasse die ich mir gerade vorgenommen aktiv sind, bekomme ich auch nur neue Kanji der Klasse, die ich momentan lerne, vorgesetzt.
Die Klassen geben einem sehr gute Meilensteine, die einem eine ungefähre Idee des eigenen Wissensumfangs geben ("ich kann jetzt alle Zeichen die ein Zweitklässler kann") und sie sind wichtig für das stoßweise Aktivieren von Wörtern (siehe weiter unten).
Das Lernen selbst funktioniert bei neuen Kanji wirklich größtenteils mit Eselsbrücken. Wenig überraschend: Ich versuche ein neues Kanji in Einzelteile zu zerlegen, die ich bereits kenne. Dabei ist es immer besser, möglichst große Teile zu nehmen (z.B. versuche ich in 暗 nicht 立 und 月 einzeln zu betrachten, sondern 音). Das klappt nicht immer; manchmal übersehe ich, dass im Kanji ein bereits bekanntes ist, oder manchmal kommt das eingebettete Kanji erst später hinzu. Dann muss ich meine Eselsbrücke korrigieren. Aber ich habe den Eindruck, dass dieses Verknüpfen der Kanji untereinander jeweils beide festigt.
Eselsbrücken, bei denen die Bedeutung mittendrin vorkommt und nicht einfach noch ans Ende angehängt wird, sind eindeutig besser. Sonst kommt es vor, dass ich mich an die Eselsbrücke erinnere, an die Bedeutung aber nicht mehr %)
Wenn ich merke, dass ich ein Kanji immer wieder vergesse, muss ich mir eine bessere Eselsbrücke einfallen lassen. Auch recht wichtig scheint zu sein, dass ich mir die Eselsbrücke anfangs öfters wiederhole, selbst wenn ich das Zeichen schon einigermaßen auf Anhieb erkannt habe. Wenn ich ein Kanji allerdings oft genug gesehen habe, brauche ich die Eselsbrücke bald nicht mehr und das Kanji wird "intuitiver". Wann es soweit ist, ist Gefühlssache.
Ich muss zugeben, ich lerne größtenteils nur Bedeutungen, kaum Aussprachen. Ich hoffe, diese Assoziationen dann beim Lernen von Wörtern zu bekommen.
So, und eben um die Kanji dann auch wirklich auch für irgendwas sinnvolles, nämlich Wörter, verwenden zu können und nicht nur zu kennen, habe ich ein Plugin in Anki geschrieben:
Es ist nämlich so, dass mein Hauptdeck, aus dem ich meine japanischen Wörter lerne, bisher für jedes Wort nur die Karten
Hiragana -> Bedeutung und
Bedeutung -> Kanji/Hiragana generiert hat. Mittlerweile habe ich mir allerdings auch K
anji -> Hiragana/Bedeutung generieren lassen.
Jetzt kenne ich natürlich bei weitem noch nicht genug Kanji um die 1000-1500 Wörter die ich in meinem Hauptdeck habe alle lesen zu können. Also aktiviert mein Plugin nur diejenigen Karten, bei denen ich alle vorkommenden Kanji schon kenne! Ich mache das klassenweise: wenn ich beim Kanji lernen mit einer Jouyou-Klasse durch bin, aktiviere ich im Kanji-Deck nicht nur die nächste, sondern lasse mir im Hauptdeck auch alle Karten aktivieren deren Kanji ich jetzt auch kenne.
Und das ist dann richtig angenehm und nochmal festigend. Die aus Kanji zusammengesetzten Wörter sind dann kein Strich-Kauderwelsch mehr, sondern bestehen aus einzelnen Einheiten die ich kenne. Bei neu in Kanji angezeigten Wörtern, die ich schon kannte, kann ich manchmal auch recht gut von den Kanji-Bedeutungen auf das Wort schließen. Es macht wirklich Spaß, die bekannt gewordenen Kanji jetzt quasi in realem Kontext zu sehen.
Die Wörter selbst ergeben jetzt auch viel mehr Sinn: Vorher war das irgendeine Ansammlung von Silben, jetzt ist "ningyou", was Puppe bedeutet, in Kanji 人形, also "Mensch" und "Form". Auf die Art entstehen viele "Ooh"-Momente und man kann sich Kanji
und Wörter besser merken.
Mit meinem Fortschritt bin ich dabei ganz zufrieden. Klasse 1 hatte ich sehr schnell durch, weil ich fast alle Kanji tatsächlich schon aus dem Japanisch-Unterricht kannte, wo wir doch auch ein paar Kanji für die Klausuren lernen mussten. In Klasse 2 waren auch ein paar bekannte dabei, aber viele neue. Klasse 1+2 reichen schon, um mir jetzt in meinem Hauptdeck doch einen ganzen Haufen Wörter in Kanji anzuzeigen. In 2 oder 3 Lerntagen sollte ich Klasse 3 durch haben, damit immerhin schon an die 400 Kanji, und ich freue mich schon auf die damit verbundenen Wörter. Im Grunde habe ich also etwa 200-300 Kanji in einem Monat gelernt (ich lerne nicht jeden Tag, sondern im Schnitt etwa an jedem zweiten).
Also nicht entmutigen lassen. Ich habe den Eindruck, dass es doch sehr machbar ist, einige hundert Kanji über einen einigermaßen knappen Zeitpunkt zu lernen. Und die Belohnung ist, dass man zumindest so manchen japanischen Facebook-Status jetzt ganz ohne Nachschlagen lesen kann %)
Achja, vielleicht sollte ich noch erwähnen, dass ich bei allem was mit Kanji zu tun hat nur in eine Richtung lerne: Erkennen der Kanji, und Erkennen der Bedeutung und Lesung von Wörtern. (Während ich bei der Lesung der Wörter in beide Richtungen lerne.)
Es spräche aber nichts dagegen, sowohl im Kanjideck als auch im Hauptdeck die jeweils anderen Richtung zu aktivieren, so dass man die Kanji von Bedeutung und Lesungen ausgehend zeichnet, und die Wörter von der Bedeutung ausgehend zusammensetzt.
Nur, auch wenn das Zeichnen der Kanji sie wahrscheinlich noch mal enorm festigen würde, dazu fehlt mir im Moment leider wirklich die Zeit...