In der Schule habe ich Grammatik nicht besonders gemocht. Da ich gerne und viele Bücher gelesen habe, war meine Rechtschreibung und mein Sprachgefühl auch ohne Kenntnis geheimnisvoller Grammatikbegriffe wie Genitiv, Akkusativ, Plusquamperfekt und wie das ganze Zeug heisst, recht gut. Deshalb erschloss sich mir der Sinn der Grammatik nicht so richtig.
Heute kann ich den Sinn der Grammatik besser verstehen. Eine Sprache mit komplizierten Grammatikregeln mag zwar schwerer zu erlernen sein, ist aber letzte Endes viel präziser und genauer als eine Sprache mit weniger Grammatikregeln. Das mag auch der Grund sein, warum früher Französisch als Sprache der Diplomatie benutzt wurde (wo Missverständnisse ja verhängnisvolle internationale Konsequenzen haben können) anstatt z.B. Englisch.
Ich finde auch das Englisch gar nicht so einfach ist, wie viele Glauben. Mir ist das vorher nicht aufgefallen, aber seit ich japanisch lerne, und dabei viele englischsprachige Quellen benutze, merke ich doch das meine Englischkenntnisse viel bescheidener sind als ich früher dachte.
Auch im Englischen ist z.B. die Anzahl von Wörtern mit verschiedenen Bedeutungen viel höher als ich früher dachte. Solange man Wörter hauptsächlich im Kontext von Sätzen hört, fällt einem das gar nicht so auf. Aber wenn man z.B. einzelne englische Wörter als Erklärung für ein Kanji oder für ein japanisches Wort liest, dann muss ich manchmal überlegen was damit gemeint ist, weil das entsprechende Wort ja mehrere Bedeutungen haben kann.
Beispielsweise lernte ich meine ersten japanisch Vokabeln bei Memrise. Dort wurde z.B. 大抵 たいてい mit "general" übersetzt. Eine Zeitlang glaubte ich deshalb, das es "General" bedeutet obwohl die Bedeutung "allgemein" gemeint war. Im Deutschen wäre so ein Mißverständnis nicht möglich, da Substantive groß geschrieben werden und deshalb unterscheidbar sind. Im Englischen.... nun ja, ich weiss nicht, aber Muttersprachler scheinen das dann wohl zu fühlen was gemeint ist.
Beim Lesen einer Sherlock Holmes Geschichte habe ich neulich gestutzt und mich gefragt, was ein "August Name" ist, bis mir dann einfiel, das "august" im englischen nicht nur den Monat bezeichnet, sondern auch soviel wie "ehrenwert, respektabel" bedeutet:
Zitat:He said no more; but I fancy that I could guess at that lady's august name, and I have little doubt that the emerald pin will forever recall to my friend's memory the adventure of the Bruce-Partington plans.
Hier mal eine kleine Reihe mit solchen mehrdeutigen englischen Wörtern, bei denen man ohne Kontext nicht eindeutig sagen kann, welche genaue Bedeutung gemeint ist:
august, bear, capital, second, minute, light, march, patient, race, seal, time, letter, well, general, fan, scale, lead, ear, present, period, swallow
Ja, um den Beitrag nicht zu lang werden zu lassen, möchte ich es nur abschliessend wiederholen, das ich auch Englisch gar nicht so einfach finde.
Ich kann mich noch gut erinnern, das ich zu DDR-Zeiten manchmal fast verzweifelte, wenn ich versuchte mir irgendwelche Lieder die ich im Radio hörte zu übersetzen.
Nehmen wir z.B. den berühmten Song von Rolf Harris: "Tie me Kangaroo down Sport" oder die erste Zeile aus Procol Harums "A wider shade of Pale": "We skipped the light fandango". Ich zerbrach mir fast den Kopf was damit gemeint sein könnte. Tja, heute sind solche Fragen mit Hilfe des Internets im Nu beantwortet.