RE: (In)Effizienz der Kanji
Hey,
nun, warum soll das nicht gehen? Ein solides Argument ist hier noch nicht gefallen. Klar, ums Lesen kommt man nicht herum, wenn man nicht in Japan lebt und auch sonst keinen Muttersprachler um sich hat, der ständig mit einem spricht und einen korrigiert. Nun ist es doch aber so, dass ich mir jeden japanischen Text im Internet in Kana anzeigen lassen oder zumindest mit dem Mauszeiger über einem Kanji-Wort hovern und mir dann die Lesung und Übersetzung anzeigen lassen kann. Auch kann ich jeden Text einscannen, durch eine OCR laufen lassen und dann kann ich ebenfalls wieder Kanji2Kana Software drauf loslassen.
Auch gibt es Grammatikbücher, die in den Beispielen zumindest immer auch eine Transkription komplett in Kana oder sogar noch Rōmaji haben. Auch kann ich mir einen großen Wortschatz ohne Kanji aufbauen.
Ist das gesehen, fange ich an zu lesen, lesen und nochmal lesen. Es gibt auch genug PODs, und Lehrbuch begleitende CDs, mit denen man Hörverständnis und Sprechen üben kann.
Damit allein kann man schon ein recht akzeptables Niveau erreichen. Dann braucht man auf jeden Fall den Kontakt zu Muttersprachlern, um den ganzen Slang zu erlernen.
Was soll daran denn bitteschön nicht funktionieren?
Kinder, die mehrsprachig aufgewachsen sind, haben keine Vorteile beim Sprachenlernen - das ist ein Mythos, der durch das Internet schön aufrecht erhalten wird. Im Gegenteil, die tendieren sogar dazu, ab einem gewissen Punkt die Sprachen durcheinander zu werfen. Ein Kind dreisprachig zu erziehen ist einfach nur schlecht, die armen Schweine können dann nämlich keine Sprache richtig.
Auch als Anfänger, der zumindest schonmal eine Fremdsprache gelernt hat, kann man ziemlich schnell beurteilen, ob jemand zumindest mit einer Sprache schwertut. Wie schon gesagt, konnte ich natürlich nicht die Richtigkeit beurteilen, aber wenn sich jemand bei der Übersetzung von ein paar Deutschen Sätzen ins Japanische jedesmal einen abbricht, dann kann man schon mal zu dieser Schlußfolgerung gelangen. "Auf hohem Niveau" bedeutet vor allem auch, dass man in der Lage ist, zumindest einigermaßen flüssig sprechen zu können.
Auf der anderen Seite habe ich allerdings den Fehler gemacht, und habe angenommen, dass der N1-Test als höchste Stufe des JLPT gleichbedeutend damit ist, dass man die Sprache halt schon auf einem sehr hohen Niveau beherrscht. Das muss aber nicht sein, da dieser Standardtest ja nur bescheinigt, dass der, der den Test Bestanden hat, das Geforderte (was nicht gerade wenig ist) zu einem gewissen für außreichend befundenen Prozentsatz beherrscht.
Man kann den Vorteil, dass Japaner und auch Chinesen ihre Schriftzeichen quasi mit der 'Muttermilch' aufsaugen nicht wirklich wettmachen - nur durch extrem viel Zeit in einem Studium und selbst dann ist man niemals pari mit einem Muttersprachler. Selbst wenn man die Kanji und vor allem die in Kanji geschriebenen Vokabeln aktiv beherrscht, vergisst man die nicht so häufig gebrauchten doch wieder recht 'schnell', wenn man nicht in Japan lebt. Das ist der nächste große Nachteil - auch wenn dass durch die moderne Technik wieder etwas abgefangen wird.
Ein anderes Problem ist ja auch, dass verschiedene Leute auch verschiedene Sprachziele und vor allem sehr verschiedene Vorstellungen von "Sprechen können" mitbringen. Für mich heißt 'Sprechen können' fast Muttersprachler-Niveau und das ist in jeder Sprache schon eine halbe Lebensaufgabe und da möchte ich mir doch nicht noch dieses ('schuldigung) 'verteufelte' Schriftsystem ans Bein binden. Sicher, würde ich es gerne, aber ich lebe nicht in Japan (werde ich auch nie) und ich lerne diese Sprache nur nebenher und da muss man auch schon mal seine Grenzen erkennen dürfen.
Die 2000 - 2500 Kanji sind ja auch nur der Anfang der Probleme. Man muss sie ja auch noch auf die abertausenden Vokabeln verteilen. Da ist es für mich nur eine einfache Kosten/Nutzen-Rechnung, auch wenn mir dabei etwas das Herz blutet, weil ich immer im Hinterkopf habe, dass mir ein erheblicher Teil der Sprache fehlt.
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