RE: Adjektive
Ja, das ist eine Sache der Definition. Es gibt zur Erklärung der Adverbien in der Germanistik v. a. zwei Modelle. (Das ist z. B. einer der Fälle, bei denen unser grammatisches Modell, das für die lateinischen Sprache entwickelt wurde und dort absolut eindeutig ist, bei der Übertragung auf das Deutsche zu Zweifelsfällen und Meinungsverschiedenheiten führt.)
Das klassische Modell, nach dem ich mich in Anlehnung an die meisten Standardwerke zur deutschen Grammatik richte, besagt, daß es zwei Arten von Adverbien gibt: "Ursprüngliche" Adverbien (wie z. B. sofort, heute, immer, hier, jetzt) und "abgeleitete" Adverbien ("abgeleitet" deshalb, weil man sie als von Adjektiven stammend betrachtet; z. B. das "schnell" in dem Satz "Peter läuft schnell".)
Das modernere Modell, das auch in dem von dir genannten Link angewandt wird, läßt als Adverbien nur noch die ursprünglichen Adverbien gelten. Die abgeleiteten Adverbien werden zu den Adjektiven gerechnet. [Nebenbei: Ich wundere mich ein bißchen, daß die auf dieser Seite das modernere Modell verwenden. Es handelt sich doch um eine russische Seite, und im Russischen selbst gibt es - soweit ich informiert bin - keinen Zweifel am klassischen Modell...]
Das modernere Modell hat zwei Vorteile:
1) Man kann völlig problemlos und ohne jedes Nachdenken erkennen, welches Wort ein Adverb ist, denn z. B. "jetzt" ändert sich niemals. Es ist und bleibt ein Adverb, ganz egal, wo es steht.
2) Man muß sich bei weitergehenden Erklärungen nicht damit aufhalten, stets zwischen zwei Kategorien (ursprünglich/abgeleitet) zu differenzieren, was natürlich die Erklärungen vereinfacht. [Allerdings andererseits bei den Adjektiven die Erklärungen verkompliziert!]
Das moderne Modell hat aber auch entscheidende Nachteile:
1) Es kann keine objektiv nachvollziehbare Erklärung dafür bieten, wieso "jetzt" in dem Satz "Peter läuft jetzt" zu einer anderen Wortart gehören soll als "schnell" in dem Satz "Peter läuft schnell". Beide Wörter sind indeklinabel und beide Wörter werden in exakt derselben Funktion - nämlich als Adverbiale Bestimmung - verwendet.
2) Sie postuliert damit für die deutsche Grammatik einen Sonderfall und koppelt sie so von den Grammatiken der übrigen indo-europäischen Sprachen ab, in denen in aller Regel die regelmäßige Ableitung der abgeleiteten Adverbien aus Adjektiven auch an der Form gut belegt und nachvollziehbar ist, z. B. (engl.) strong > strong-ly, (lat.) fort-is > fort-iter usw. usf. (Nebenbei: Sogar im Japanischen kann man das gut erkennen, z. B. tsuyo-i > tsuyo-ku.)
Fazit: Bei dem Wort "schnell" in dem Satz "Peter läuft schnell" kann man also - je nachdem, welches Modell man zugrunde legt - verschiedene Ansichten über die Wortart vertreten, zu der es gehört. Nach der klassischen Theorie ist es ein abgeleitetes Adverb und nach der moderneren Theorie ein adverbial verwendetes Adjektiv. Bei dem Wort "schnell" in dem Satz "Peter ist schnell" (oder eben bei "blau" in "Das Papier ist blau") sind sich aber alle Modelle absolut einig. Das ist und bleibt nichts anderes als ein Adjektiv.
Und weil ich gerade beim Erklären bin, füge ich auch den Rest noch dazu, obwohl ich damit fast Takeru-kuns Hausaufgaben mache und förmlich sehen kann, wie einige mit den Augen rollen, weil ich ihrer Meinung nach wieder zuviel des Guten tue:
Adverb ist eine Wortart. Adverbiale Bestimmung (auch Adverbiale genannt) ist ein Satzglied, und zwar das Satzglied, das ein Vollverb-Prädikat (nicht etwa "sein"!) hinsichtlich der Umstände (Zeit, Ort, Grund, Art und Weise, ...) näher erläutert.
1) Als Adv. Bestimmung kann ein ursprüngliches Adverb fungieren, z. B. Peter läuft jetzt.
2) Als Adv. Bestimmung kann ein abgeleitetes Adverb fungieren, z. B. Peter läuft schnell.
3) Als Adv. Bestimmung kann ein Substantiv (meist mit, seltener ohne Präposition) fungieren, z. B. Peter läuft durch den Wald. Peter läuft drei Stunden (lang).
Die Vertreter der Wortart Adjektive können im Deutschen in drei Funktionen auftauchen.
1) Als Bestandteil eines zusammengesetzten Prädikats ("zusammengesetzt" deshalb, weil Adjektive in dieser Funktion mit einer Form des Hilfsverbs "sein" zusammen vorkommen), z. B. Peter ist schlau. [Nebenbei: Eine Form von "sein" kann allein kein Prädikat bilden, denn ein Prädikat ist definiert als "Aussage über das Subjekt". Was aber soll "ist" für eine Aussage über Peter sein? (Es sei denn, man deutet das "sein" hier im philosophischen Sinne à la "Ich denke, also bin ich". Aber das ist ein Sonderfall, in dem man "sein" mit einer Vollverbsbedeutung, nämlich der von "dasein" oder "existieren", ausstattet.) In allen anderen Fällen muß zu Formen von "sein" stets ein weiteres Wort, das sog. Prädikatsnomen, treten, um ein Prädikat - also eine Aussage über das Subjekt - bilden zu können, z. B. ein Substantiv (Ich bin Lehrerin) oder ein Adjektiv (Ich bin dumm). Auch von dieser Warte her läßt sich erklären, warum das "blau" in "Das Papier ist blau" kein Adverb sein kann. Denn in jedem vollständigen Satz muß es mindestens Subjekt und Prädikat, den sog. Satzkern, geben. Wenn "blau" jetzt ein Adverb sein soll, dann bleibt für das Prädikat nur "ist" übrig, und das erfüllt - wie erwähnt - nicht die Definition für ein Prädikat. Nur in Kombination mit "blau" wird es zu einer Aussage über "das Papier" und somit zu einem Prädikat.]
2) Als Attribut (= nähere Erläuterung zu einem Substantiv), z. B. Der schlaue Peter ist mein Freund. (Nicht irgend ein Peter, sondern eben der schlaue Peter.)
3) Als Prädikativum im engeren Sinne, z. B. Peter kehrt schlau aus der Schule zurück. Ein Prädikativum im engeren Sinne ist ein Satzglied, das zwar formal wie eine Adverbiale Bestimmung verwendet ist (also beim Prädikat steht, indeklinabel ist usw.), jedoch inhaltlich nicht so sehr die Vollverbs-Handlung als vielmehr - in der Art eines Attributs - ein Substantiv, genaugenommen das Subjekt näher erläutert. Im genannten Beispiel sagt ja "schlau" nicht so viel über die Handlung des "Zurückkommens" aus, als vielmehr über das Subjekt Peter, nämlich dahingehend, daß er jetzt schlau ist. Das Prädikativum im engeren Sinne nimmt also eine Zwischenstellung ein: formal ist es eine Adverbiale Bestimmung, inhaltlich jedoch eher ein Attribut. [PS: Die Verwendung des Terminus Prädikativum ist auch wieder ein strittiges Thema in der Germanistik, das in der lateinischen Grammatik absolut eindeutig ist. Aber das lateinische Modell paßt eben nur im Lateinischen perfekt...]
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 22.09.04 18:21 von Botchan.)
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