(24.10.20 00:25)Phil. schrieb: Hat man die Schulbuecher durch, beginnt das eigentliche Lernen.
So hat man vielleicht früher gelernt. Heute gibt es andere Ansätze. Ich hatte mir vor Jahren das erste GENKI Lehrbuch gekauft, aber nach Lektion 3 habe ich es zugeklappt und nie wieder aufgemacht.
Phil. schrieb:Vokabular und wie es angewandt wird.
Als Anfänger verstehst du im Japanischen sehr oft nicht, wie Vokabular korrekt angewendet wird, weil du die Grammatik noch nicht ausreichend internalisiert hast und es ist meist Zeitverschwendung exakt verstehen/übersetzen zu wollen, was irgendwo geschrieben wird / was jemand sagt. Das ändert sich sobald die Sprache einem nicht mehr fremd ist. Dann erst lohnt es sich Details zu betrachten, denn man ist schneller, kann neue Grammatik/Worte/etc. mit Hilfe von schon Bekanntem einordnen und verstehen.
Phil. schrieb:Am Anfang beginnt man, die Worte einzeln im WB nachzuschlagen.
Daran kommt niemand vorbei.
Das "Nachschlagen" geschieht heute per Mouseover und einem Tastendruck. Yomichan liefert mir in Sekundenbruchteilen die Einträge von mehreren Wörterbüchern aller Art (einsprachige, kanji, historische etc. etc.) übersichtlich sortiert und teils untereinander verlinkt.
Phil. schrieb:Erst wenn man sich einen gewissen Wortschatz angeeignet hat, kommt man dazu, erst mal einfache Lektuere zu verarbeiten.
Das ist nicht mehr aktuell. Aufgrund der technischen Hilfsmittel kann man sofort mit dem Lesen beginnen, wenn man Hiragana/Katakana lesen kann. Verwendet man zudem ein und denselben Text in der Zielsprache und in einer Sprache, die man beherrscht, hat man sofort eine Übersetzung parat, die einem erlaubt (zumindest zum Teil) zu verstehen, was man liest.
Phil. schrieb:Man versucht sie zu verstehen, ohne nach den Begriffen zu suchen.
Aber manchmal muss man zurueckgehen und doch nachsehen, was der Begriff richtig bedeutet, wenn man irgendwas nicht versteht.
Um den Begriff -zumindest wenn es sich um einen nicht scharf abgrenzbaren Begriff handelt - richtig zu deuten bedarf es i.d.R einer Vielzahl unterschiedlicher Anwendungsbeispiele. Dafür verwendet man dann einsprachige Wörterbücher und Datenbanken mit Beispielsätzen bzw. nutzt unterschiedliche Medien (Bücher, Filme, Serien etc.). Mir persönlich nützt eine Wortübersetung ins Deutsche/Englische wenig, denn meist ist sie unscharf und trifft den Kern nicht. Sie kann zwar als grobe Einordnung dienen, aber mit der Zeit wird sie sowieso obsolet, da man den japanischen Begriff irgendwann versteht.
Daher nutze ich - wenn möglich - nur noch die japanischen Begriffserklärungungen und japanische Beispielsätze.
Zitat:Das laesst sich nicht binnen 2 Jahren erfassen. Dazu benoetigt man Zeit und Ausdauer.
Zwei Jahre sind eine ziemlich lange Zeit, wenn man nicht nur 15-30 Minuten am Tag sondern (wie in meinem Fall) im Schnitt ca. 5 Stunden Zeit mit der Zielsprache verbringt.
Zitat:Und dann beginnt man, je nach seiner Lieblingslektuere, Texte zu lesen, die man bereits in seinem Hobby versteht und somit man dann den japanischen Text besser verinnerlichen kann.
Das geht schon bedeutend früher. Vieles geht fast von Anfang an. Man kann viele Tätigkeiten und auch Hobbies mit dem Sprachenlernen verbinden und im Extremfall fast jede wache Minute mit Japanisch verbringen - wenn man das möchte.
Zitat:Wenn die Schwelle erreicht ist, dass man auf Japanisch beginnt zu denken oder gar zu traeumen, wird man auch hoehere Lektuere heranziehen koennen.
Dabei kommt es wiederrum auf das Thema an, ob man zu diesem Thema auch Uebersetzungen hat.
Man denkt nicht in Sprachen. Das tue ich in den beiden Sprachen, die ich fließend beherrsche auch nicht. Es kommt schon vor, dass man im Traum Sprachen verwendet, aber das ist meines Erachtens kein Indiz dafür, dass man eine Sprache annähernd beherrscht oder ähnliches. Eher dafür, dass man sich viel damit beschäftigt bzw. viel damit konfrontiert wird. Ich hatte auch schon Träume, die in Japan spielten und in denen ich mich auf Japanisch unterhalten habe - aber ich bin noch sehr weit von einem Level entfernt, welches ich als fließend erachten würde.
Ich lese moderne japanische Literatur, zu der ich keine Übersetzung habe und komme recht gut damit klar. Selbstverständlich muss ich nachschlagen, wenn ich bestimmte grammatikalische Details bzw. Vokabular, das sich nicht aus dem Kontext erschließen lässt verstehen möchte.
Ich schaue Fernsehserien und Filme für japanisches Publikum und verstehe i.d.R. das Wesentliche (je nach Thema) ohne Untertitel (d.h. ich kann dem Plot folgen etc.). Mit japanischen Untertiteln (andere verwende ich nicht) lassen sich dann auch Details erfassen/verstehen. Mittlerweile komme ich auch mit Podcasts immer öfter klar und auch unbekannten Hörbüchern kann ich (stark abhängig vom Thema und dem Schreibstil des Autors), mal mehr mal weniger gut, folgen.
Zitat:So kommt es vor, dass Themen wie zB Sci-Fi im Japanischen und auch im Deutschen keine Uebersetzung in den WB haben. Ich denke da speziell an zB Perry Rhodan Werke. Wo so viele Technische Begriffe verwendet wurden die einfach nicht wieder zu finden sind.
Jedes Thema, jede Sprachrichtung, jeder Beruf, jede Zeit in der Geschichte, Kindersprache, Yakuza-Slang, hat sein Vokabular. Wer diesen Wortschatz nicht hat, wird Probleme haben, das Gelesene zu verstehen.
Da ist völlig normal und in jeder Sprache so, aber nicht dramatisch.
Zitat:Verstehen ohne Uebersetzung setzt voraus, dass man einen enormen Wortschatz angebaggert hat. Ansonsten man sogar beim Traeumen, ein WB aufschlagen muss.
Das ist nicht ganz korrekt. Denn Verstehen bedeutet nicht unbedingt 100%iges Verstehen. Japanisch ist die erste Sprache, die ich auf sehr intensive Weise und sehr bewusst lerne
(Ich beherrsche Englisch auf C1-C2 Niveau, kann es aber nicht als Lern-Referenz heranziehen, da ich es seit mittlerweile 30 Jahren nutze und außerhalb der Schule mich so gut wie nie mit Grammatik etc. beschäftigt habe). Daher beobachte ich meine Fortschritte sehr genau und überprüfe ständig meine Methodik.
Ein anschauliches Beispiel: ich habe viele japanische Serien, die ich z.T. im Abstand von mehreren Monaten schaue. Was sich i.d.R. zeigt ist, dass ich (der erste Durchgang erfolgt immer ohne Untertitel) beim erneuten Ansehen (Monate später) zwar viel mehr verstehe - zumal wenn ich die Japanischen Untertitel anzeigen lasse und ab und an etwas nachschlage - und bedeutend mehr Details begreife, es jedoch zumeist so ist, dass sich keine dramatischen Veränderungen ergeben (gibt sicher Ausnahmen und Augenöffner, wenn man tatsächlich einen wesentlichen Punkt falsch/nicht verstanden hatte).
Bedeutet: je nach Thema reicht ein für das Thema typischer Grundwortschatz aus, um alles Wesentliche erfassen zu können.
Erneutes Anschauen fördert viel Füllmaterial, Nebensächliches, aber eben auch Pointen, Witze und Spitzfindigkeiten zu Tage - jedoch in der Regel nichts, was zwingend notwendig für das eigentliche Verständnis der Haupthandlungsstränge etc. wäre.
Schaue ich nun völlig unbekannte Serien/Filme, die den selben (schon bekannten) Themenbereich abdecken ,verstehe ich diese meist auf Anhieb ziemlich gut.
Zudem gibt es einen Grundwortschatz der themenübergreifend Anwendung findet und meist für ein Grundverständnis ausreicht.
Ziehe ich Untertitel hinzu (und pausiere gegebenenfalls), oder lese Bücher/Texte wird es teilweise einfacher. Denn ich bekomme über die Kanji noch
viele zusätzliche Informationen, wobei im Falle von reinen Texten/Büchern natürlich die Bildinformation i.d.R. wegfällt. Ich beobachte immer häufiger, dass ich neue Wörter (zumal wenn sie in Textform voliegen) zumindest grob verstehen kann, auch ohne sie nachzuschlagen - wenn ich ein solches Wort als wichtig erachte schreibe ich mir es heraus und schlage es bei Gelegenheit nach.
Fazit:
Eine Zielsprache mit Hilfe der Zielsprache zu erlernen scheint mir der beste Weg zu sein. Natürlich geht es, vor allem in der Anfangszeit nicht komplett ohne Rückgriff auf bekannte Sprachen, aber es kommt der Zeitpunkt, da kann und sollte man sich, wenn möglich, komplett in der Zielsprache bewegen und auf Übersetzungen verzichten. Auf dem Weg dorthin habe ich so wenig wie möglich auf deutsches/englisches Lehrmaterial und Übersetzungen zurückgegriffen. Auch habe ich nachdem ich gleich am Anfang Hiragana/Katakana gelernt hatte nie mehr Romaji benutzt.
Und dieser Zeitpunkt des völligen Umstiegs auf die Zielsprache kann mit Hilfe neuer Technik (Yomichan, SRS wie etwa ANKI, Youtube Lehrvideos) und enorm viel Input (hören, lesen) recht schnell erreicht werden. In meinem Fall hat es ca. 2 Jahre gedauert. Ich bin mir aber sicher, dass es Lernende gibt, die das auch in 1.5 Jahren - oder noch schneller - schaffen können, vorausgesetzt sie investieren die erforderliche Zeit.