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Waka - Frühling/Sommer - Übersetzungen/Interpretationen
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Ex-Mitglied (bikkuri)
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Beitrag #31
RE: Waka - Frühling/Sommer - Übersetzungen/Interpretationen
Zitat:... Ich habe bei der Uebersetzung etwas anderes verstanden:
ふる ist ein 懸詞 , aber die erste Bedeutung habe ich nicht als "Zeit verbringen" sondern "alt werden" 旧る verstanden. ...

Es sind hier zwei Verben als das Pivotwort zu unterscheiden, was ja schon gesagt wurde. Das eine ist fur.u, worauf sich "Regen" bezieht. Jedoch das andere ist nicht fur.u, sondern f.u. Man beachte hierbei die Admonimalform -UR.u vor nagasame!
Sieht man sich mal an, welche Einwortphrasen sich auf das Verb beziehen, so fällt der Blick auf itadura=ni. So wäre also itadura=ni und fur.u (!) semantisch im Konflikt.
Daher kann man davon ausgehen, dass es sich bei f.u um 経る handelt, das ja auch die Lesung fu und furu hat.
Betrachtet man zwei weitere Beispiele aus den hundert Gedichten, so fällt auf, dass dort auch Zeitabläufe im Zusammenhang mit 世 verwendet werden:

Gedicht 19: 難波潟 短き蘆の ふしの間も逢はでこの世を 過ぐしてよとや
Gedicht 69: 心にも あらでうき世に ながらへば恋しかるべき 夜半の月かな

Die anderen Gedichte, in denen 世 vorkommt, beklagen entweder deren Sinnlosigkeit oder den Schmerz, den der Dichter fühlt, wenn er an sie denkt.
Es geht also immer um den Weltschmerz - wenn ich mir mal Jean Pauls Begriff zurechtbiege - um Sehnsucht nach dem Unereichbaren. Da erscheint, meiner persönlichen Meinung nach, der Fakt des Alterns des Körpers zu trivial, als dass er extra Erwähnung finden müsste.

世 ist ein Leitmotiv in der japanischen Dichtung und sollte immer als "Welt" oder "auf der Erde" übersetzt werden. Das Leben 命 ist nur ein Sklave der traurigen und vergänglichen Welt 憂世/浮世 und jederzeit um des Geliebten oder des Herrschers Willen herzugeben.
Das Leben wird nie nutzlos verbracht. Es findet ihren Sinn im alter ego.

Zitat:... Stimmt machen wirs genau. keri ist streng genommen sogar Hilfsverb.
utsuri-ni-keri-na = Renyoukei von utsu.ru + Renyoukei von Hilfsverb n.u (perspektivisch, Vorgang ist schon beendet) + Shuushikei von Hilfsverb keri (normalerweise Vergangenheit, hier aber Emphase) + Finalpartikel na (Ausruf). ...

Sehe ich auch so, dass das Suffixverb n.u nach utsur.u (nicht utsu.ru!) hier den Aspekt anzeigt und nicht keri. Die Partikel =na
ist ein Hinweis darauf.
Ein stichhaltigerer Hinweis steckt im 下の句. Die Dichterin beobachtet offensichtlich selbst die vergehenden Kirschblüten. Keri ist aber keine selbsterlebte, sondern immer überlieferte Vergangenheit.
10.05.09 17:18
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Beiträge: 1.039
Beitrag #32
RE: Waka - Frühling/Sommer - Übersetzungen/Interpretationen
Bikkuri, Danke für deinen Kommentar.

Zitat:世 ist ein Leitmotiv in der japanischen Dichtung und sollte immer als "Welt" oder "auf der Erde" übersetzt werden.

Fuyutenshi hatte ja schon die "Welt" vermisst, "Leben verbringen" erscheint mir nun auch nicht mehr so treffend, eher zu lax. So erscheint es doch passender:


Ach, die Farbe der Blüten hat sich längst gewandelt,
derweil ich gedankenverloren
in den lang anhaltenden Regen blickend,
nutzlos auf dieser Welt meine Zeit verbringe.
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 10.05.09 21:46 von adv.)
10.05.09 21:44
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sora-no-iro
Ex-Moderator

Beiträge: 1.208
Beitrag #33
RE: Waka - Frühling/Sommer - Übersetzungen/Interpretationen
(10.05.09 15:38)adv schrieb:  Kann es auch gleichzeitig beide Funktionen haben, also Vergangenheit + Betonung? Vielleicht hier unterstützt durch das nachfolgende "na"?
Ja, richtig. Das "keri" hat immer zwei Funktion und zwar Vergangenheit und Ergriffenheit. Das "na" verstärkt da die letztere Funktion.

Eine Sprache ändert sich Tag für Tag und nach hunderten Jahren kann man den alten Text nicht mehr verstehen. Doch vergiss nicht, die Sprache hat seine Wurzeln immer in der Vergangenheit. Der gute Leser kann auch der gute Schreiber werden. Und gleichzeitig aus der anderen Kultur kann man auch viel lernen und damit seinen Satz vielfältig und reich machen. Wie du will ich auch die deutsche Klassik lesen und werde daraus sehr viel lernen.

Denn zur Verödung unseres modernen Lebens gehört es, daß wir alles fix und fertig ins Haus und zum Gebrauch bekommen, wie aus häßlichen Zauberapparaten.
Elias Canetti: Die Stimmen von Marrakesch
11.05.09 03:47
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Jan HH
Gast

 
Beitrag #34
RE: Waka - Frühling/Sommer - Übersetzungen/Interpretationen
Zitat:Daher kann man davon ausgehen, dass es sich bei f.u um 経る handelt, das ja auch die Lesung fu und furu hat.

Was die Interpretation von f.uru anbelangt ist bikkuri hier sicher zuzustimmen. yo-ni-fu 世に経 ist ein lexikalisiertes kanyouku mit der Bedeutung この世に生きながらえる/この世を暮らし過ごす. Das NKDJ (welches noch zwei Bedeutungsnuancen anführt die hier aber zu vernachlässigen sind) gibt als Beispiel dann unser Gedicht an mit dem Hinweis: 「世に旧る」と解する説もある. Mir fehlen zZt. die Ressourcen hier um zu überprüfen, wo diese These von wem und wie gerechtfertigt wird.

Zitat:Es geht also immer um den Weltschmerz - wenn ich mir mal Jean Pauls Begriff zurechtbiege - um Sehnsucht nach dem Unereichbaren. Da erscheint, meiner persönlichen Meinung nach, der Fakt des Alterns des Körpers zu trivial, als dass er extra Erwähnung finden müsste.

An dieser Stelle bin ich nicht recht einverstanden. "Weltschmerz" als wichtige poetische Triebfeder in der Heian-Zeit lasse ich gelten. Das Altern des Körpers - in einer derart schönheitsdevoten Zeit wie Heian - würde ich allerdings nicht so einfach als trivial aburteilen. Mit hana no iro utsuri wird doch gerade die dahinscheidende Schönheit thematisiert (beklagt) und zu waga mi in Beziehung gesetzt.

Zitat:Das Leben 命 ist nur ein Sklave der traurigen und vergänglichen Welt 憂世/浮世 und jederzeit um des Geliebten oder des Herrschers Willen herzugeben.

Doch was wenn es niemand (mehr) will? Zu lange hat sich die Dichterin offenbar der "Sehnsucht nach dem Unerreichbaren" (wohl einer verflossenen Liebe?) hingegeben, dass auch ihre Schönheit über die Zeit verblasst ist. Ein Gefühl das wohl auch noch heute von vielen wÜ30 in Japan geteilt wird... ;-)

Ich empfinde daher das Feld Zeit/Alter/Schönheit hier als wichtigen Topos, welcher in der Übersetzung Berücksichtigung finden sollte.
11.05.09 12:42
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Beitrag #35
RE: Waka - Frühling/Sommer - Übersetzungen/Interpretationen
Zu Ono no Komachi fällt mir noch ein, das gerade diese Dichterin oft als im Alter verbittert und enttäuscht dargestellt wurde und wohl auch als Allegorie dafür diente, das in dieser Welt auch die Schönste und Klügste dem Verfall anheimfällt..

zB hier eine Darstellung aus dem 19. Jahrh als Greisin mit Strohhut:


[Bild: 02komachi-print.jpg]
11.05.09 13:46
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Gast
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Beitrag #36
RE: Waka - Frühling/Sommer - Übersetzungen/Interpretationen
Hallo adv

Zitat:Zu Ono no Komachi fällt mir noch ein, das gerade diese Dichterin oft als im Alter verbittert und enttäuscht dargestellt wurde

Hättest du zusätzlich zu dem Schnitt von Yoshitoshi noch ein paar Beispiele auf Lager?

Besten Dank im voraus grins
06.01.10 10:12
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Beiträge: 1.039
Beitrag #37
RE: Waka - Frühling/Sommer - Übersetzungen/Interpretationen
Hallo Gast,

ab dem 14. Jahrhundert gibt es sehr populäre Noh-Stücke die von 小町 handeln.
zB 關寺小町 von 世阿弥元清, Zeami Motokiyo (1363 – 1443) oder 卒都婆小町 von
観阿弥, Kan'ami (1333 - 1384) .
Meist wird 小町 in der Jugend als kaltherzige Schönheit, im Alter als verbitterte,
verarmte Alte dargestellt, der die Geister, der einstmals verachteten Liebhaber
zusetzen.

[Bild: Komachi.jpg]

Yukio Mishima, 三島由紀夫 (1925-1970) hat übrigens 1956 verschiedene, berühmte
Stücke des Nô-Theaters zu zeitgenössischen Einaktern bearbeitet, 近代の能楽集, und
dabei auch das 小町-Thema aufgegriffen.
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 11.01.10 13:20 von adv.)
11.01.10 13:17
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Beitrag #38
RE: Waka - Frühling/Sommer - Übersetzungen/Interpretationen
Danke adv!

Allerdings meinte ich konkret die Darstellung im japanischen Farbholzschnitt, weil es mich ein wenig wunderte, dass dieses spezielle Thema dort so wenig aufgegriffen wurde.

Entweder habe ich selbst noch nicht eifrig genug gesucht, oder die Meister von damals hatten einfach keinen Bock sie als verbittertes, runzeliges Weib zu zeichnen oder ... an der Sage ist gar nichts dran und sie eröffnete in Seki-dera einen der ersten Swinger-Clubs dieser Zeit, nur weiss dies eben keiner zwinker
11.01.10 20:37
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Beiträge: 1.039
Beitrag #39
RE: Waka - Frühling/Sommer - Übersetzungen/Interpretationen
Stimmt, auf Schnitten ist sie fast meist als Innbegriff der Schönheit dargestellt.

In den Noh-Stücken geht es aber immer um den Kontrast erst die kaltherzige
Schönheit, dann die verbitterte Alte, nach dem Motto "sowas kommt von sowas"
aufzuführen.
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 11.01.10 22:59 von adv.)
11.01.10 22:57
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Waka - Frühling/Sommer - Übersetzungen/Interpretationen
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