@Emiko: Absolut d’accord! Was Du da so grösstenteils für das japanische Schulsystem und auch über die Privatschulen im Besonderen erzählst, hat -soweit ich das beurteilen kann- Hand und Fuss. Ich muss auch zugeben, dass ich mich immer ein wenig anstrengen muss, nicht das „grosse Ganze“ aus den Augen zu verlieren, da ich zwar schon einige Schulen in Japan besucht habe (nicht als Schüler ;-)), mein Schwerpunkt jedoch auf Japanischen Internationalen Schulen (Privatschulen) mit/ohne staatl. Förderung im Ausland (Schwerpunkt Deutschland) liegt. Und dort herrschen im Vergleich paradiesische Zustände.
Hochqualifizierte Lehrer en masse, überwiegend ein Top-Unterricht (das kann ich wirklich so sagen, denn ich habe das angemeldet und unangemeldet bereits mehrfach beobachten dürfen), gut praktiziertes Counselling (sprich: Counsellor und Lehrer/Eltern arbeiten grösstenteils Hand in Hand). Die Klassen sind etwas grösser in den unteren Jahrgängen (ca. 25-30 Schüler) aber gen 9. Klasse stetig dünner werdend. Da kann es durchaus passieren, dass nur 5 Schüler oder manchmal sogar nur einer (kein Witz) eine Klasse bildet. Die Kinder werden rundum gut betreut, Schwächen gefördert und die Meisten kommen definitiv gerne zur Schule.
Was mir besonders gut gefällt, ist der praktizierte „Schule als Lebensraum-Aspekt“. D. h. die Kinder können innerhalb der „regulären Öffnungszeiten“ auch in den Ferien in die Schule kommen, um dort zu Spielen, Hausarbeiten zu erledigen, sich auf Prüfungen vorzubereiten, oder einfach um die Schulcomputer zu benutzen. Auf Wunsch sind auch in den Ferien immer Lehrer verfügbar, die die Kinder in allen Belangen unterstützen und sei es nur, um mit ihnen im Rahmen eines Clubs Basketball zu spielen.
Was mich übrigens generell immer wieder fasziniert ist, dass die ganz Kleinen überwiegend ein sehr intensives Verhältnis zu ihren Lehrern haben. Ganz anders, als ich das je in einer dt. Schule beobachten konnte. Und ich gebe Dir völlig Recht, dass in unserem dt. System etwas nicht stimmen kann, wenn Kinder teils schon in jungen Jahren mit einer ablehnenden Haltung in die Schule gehen. Manchmal habe ich das Gefühl, dass die Schule in D-land für viele so etwas wie eine Art „Tor zur Hölle“ symbolisiert, das sich öffnet und schliesst, so wie es den Kultusministerien in den Kram passt. Und bei vielen (verbeamteten) Lehrern lässt ebenfalls (begründet oder unbegründet sei jetzt mal dahingestellt) die Motivation sehr zu wünschen übrig. Mit was für lächerlichen Belanglosigkeiten die sich teils „herumschlagen“, das darf ich immer mal wieder auf diversen Veranstaltungen erfahren. TOP 1 auf der Agenda ist da natürlich u. a. das neu eingeführte Beurteilungssystem für Lehrer …
Dennoch herrschen natürlich auch in jap. int. Schulen im Ausland in einem gewissen Rahmen die „japanischen Strengen Sitten“ (wobei es da eine ganze Reihe gibt, die ich im Vergleich definitiv Klasse finde, wie z. B. „keine Süssigkeiten“ ;-)), aber das ganze Kimochi ist bei Schülern wie bei Lehrern eben ein wenig anders. Ebenso wie die Probleme im Vergleich zu jap. Schulen in Japan. Vor allen Dingen die Integration gestaltet sich nach wie vor recht schwierig. Wenn Du Dich mal bemüht haben solltest, eine dt. und eine jap. Schulklasse einander zuzuführen wirst Du verstehen, was ich meine. Das ist leider alles nicht so einfach.
Das geht über Probleme wie z. B. jap. Kinder die sich vor lauter Scheu manchmal einfach aus Unsicherheit von dt. Schülern wegdrehen (Kommunikationsverweigerung in der fremden Sprache, obwohl alle Deutsch in der Schule lernen), oder dt. Kinder, die nicht bereit sind, weder ihren Schlitten noch sonst irgendetwas mit jap. Kindern zu teilen (ich kann mich da an einen krassen Fall erinnern, als ein dt. Junge in einem unbeobachteten Moment z. B. alle Süssigkeiten, die für die ganze Gruppe bestimmt waren, einfach aufgemampft hat … sicherlich ein Einzelfall, aber da würde man den Burschen doch mal ganz gerne über’s Knie legen ;-)). Jedoch anyway, Re-Integration in Japan ist vice versa natürlich genau so ein Thema.
Zum Angesprochenen Thema Mehrsprachigkeit (sehen wir mal vom Monkashou und den „älteren Herren“ ab ;-)): So wie ich das erlebe/erlebt habe, sind die Kinder schon sehr gefordert, erst einmal ihre eigenen Sprache zu lernen, was ich persönlich für gut und richtig halte. Drei Sprachen (z. B. jap./dt./engl.) nur ansatzweise nutzen zu können bringt gar nichts und da wird mir wohl auch jeder zustimmen. Und das der Anteil an Kokugo & Co. in einer jap. Schule wesentlich höher ist, als Deutsch in einer dt. Schule sollte man auch nicht vergessen. Das hat nicht allein etwas mit der unterschiedlichen Schwierigkeit der Sprache/Schrift zu tun, sondern auch mit den unterschiedlichen Strukturen des Lehrplans, dem Anspruch an nationalem Allgemeinwissen etc. etc. Da prallen im wahrsten Sinne des Wortes Kulturen und Historien der jeweiligen Länder aufeinander. Prinzipiell finde ich es schon gut und richtig, in jungen Jahren so viele Sprachen wie möglich zu lernen, aber man muss doch ein wenig Obacht geben, die Kinder nicht zu sehr zu überfordern. Eine Modifizierung des jap. Lehrplans gepaart mit verstärkter Einführung von Fremdsprachen wäre da wohl in der Tat eine gute Lösung und wie Emiko schon sagte, bleibt das mit Spannung abzuwarten.
Aber ich stoppe jetzt mal an dieser Stelle … denn es hat kaum noch mit dem Thema „PISA-Studie“ zu tun *schäm*.
Also munter weiter im Text zu PISA dt/jap. Bildungs- und Erziehungssystem, denn da sind wir uns wohl alle einig, dass das definitiv untrennbar zusammengehört.
Grüsse
AU
(die sich schon einmal im voraus dafür entschuldigt, falls sie hier konfuses Zeugs zusammengeschrieben hat ... mein Schädel ist leicht Grippe-geschädigt).
Zitat: Was mich bei der ganzen PISA-Diskussion mal interessieren wuerde, waere, welche Schulen fuer die Teilnahme ausgesucht wurden und dann was fuer Schueler. Es ist naemlich schon ein kleiner Unterschied, ob von einer Klasse der Beste oder der Schlechteste dahin geht.
Hierzu kann ich Dir sagen, dass ganze Schulen im Zufallsverfahren ausgewählt werden. Klassen werden da nicht gesplittet.
Zitat: Und davon mal abgesehen, so glaube ich eher nicht, dass dieser Test in Japan sonderlich fuer wichtig genommen wird.
Ich würde nicht so weit gehen zu sagen, dass Du Dich da gewaltig täuschst, aber ich habe schon des öfteren in einer Diskussion mit jap. Lehrern erlebt, dass diese das "dt. System" aufgrund von PISA abgelehnt haben. Weit mehr als einmal habe ich mir habe ich mir für Erläuterungen über das dt. Schulsystem Rechtfertigungen für unser PISA-Versagen zurechtlegen müssen ...