Muttersprachler können glaube ich im Allgemeinen keine gültigen oder verlässlichen Aussagen über die Schwere oder Leichtigkeit ihrer Muttersprache machen. Dies ist selbstreferentiell, daher eine Tautologie und somit ist jede Aussage über den Grad der Schwere wahr. Es ist ja nicht unbedingt so, dass man, wie bei einem Fremdsprachenstudium, von Kleinkind an die Worte aus einem Wörterbuch lernt und die Grammatik inhaliert, ne. Das findet alles indirekt statt. Darum kommt es einem im Nachhinein "leicht" vor.
Wortbedeutungen werden vom Kind nur intuitiv zugeordnet, während einem beim späteren Fremdsprachenlernen die fixen Bedeutungen in Lehrbüchern vorgesetzt werden. Aber seid ehrlich: Wievielen Menschen seid ihr in Eurem Leben begegnet, die wirklich wussten, was sie sagen und worüber sie reden?
Man verwendet als Muttersprachler viel zu oft einfach nur Phrasen, die man irgendwann irgendwo mal gehört hat. Ohne jemals über die tiefere Bedeutung (falls vorhanden) dieser Phrasen nachzudenken. Und da fängt für mich der bewusste, stilvolle Umgang mit der eigenen Sprache an. Über den Ursprung und den Hintergrund von Worten und Sprichworten Bescheid zu wissen.
Dasselbe trifft auch auf Japanisch zu. Als Japanischlernender steht man vor der aufwändigen Aufgabe, die semantischen Nuancen im Gebrauch von Vokabeln und Sprichworten oder Phrasen zu erkennen und im richtigen Moment den angemessenen Ausdruck zu finden.
Ich hatte Englisch im LK, und das war knallhart. Jeden Tag 50 neue Vokabeln, teils lateinische Duplikate der englischen Worte. Wie vielleicht bekannt sein dürfte, besitzt Englisch einen Sprachumfang von 500 000 (!) Worten, wobei die eine Hälfte lateinischen Ursprungs ist.
Eine Sprache wirklich zu beherrschen, ist weniger eine Frage von Grammatik- und Vokabelmasse, sondern die Fähigkeit, einen poetischen Ausdruck in dieser Sprache finden zu können. Dies ist, was man unter Sprachgefühl verstehen muss. Mit seinen Worten Bilder zu malen; am besten sollte ein Gespräch ein Kunstwerk sein, an das sich zu erinnern lohnt. Man sagt ja nicht umsonst, dass Sprechen eine
Kunst sei
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