Zitat:Und um 'wa' zu verstehen, reicht es eigentlich, sich Deutsch anzugucken, wo das Topik ebenfalls markiert wird: durch Satzstellung: das Argument am Anfang des Aussagesatzes ist das Topik und wird also mit -wa markiert, wenn man ins Japanische übersetzt. [...] Das dürfte 95% der Benutzung erklären
Wenn das so einfach wäre, warum machen dann die Deutschen so unglaublich viele Fehler beim Thema "ha" und "ga"? Und warum gibt es dann so unzählige Arbeits- und Übungsbücher zu diesem Thema - ganz zu schweigen von den wissenschaftlichen Werken, die sich der Sache widmen?
Wenn deine Regel funzen würde, dann dürften ja nur maximal 5% der Fälle, in denen Deutsche "ha" verwenden müssen, falsch sein. Es sind aber leider viel, viel mehr. Und zwar, weil die Sache eben so einfach nicht ist. Der Vergleich mit dem Deutschen ist hier sehr wenig hilfreich, denn der deutschen Sprache ist der gesamte Topik-Begriff im Wesen völlig fremd.
Man kann sehr gut die gesamte deutsche Grammatik erlernen, ohne nur ein einziges Mal über "Topik" bzw. "Thema" nachzudenken. Als netten Beleg: Man nehme sich mal die Standardgrammatik für den DaF-Unterricht, den Helbig/Buscha, und man wird dort finden, daß der Begriff "Thema" resp. "Topik" in dem ganzen, 736-seitigen Werk, an einer einzigen Stelle eine Rolle spielt, und zwar in einer kleinen Anmerkung (!) auf Seite 536. Zeigt das nicht recht plastisch, welche Bedeutung (nämlich keine) der Begriff "Thema" für die Beschreibung des Deutschen besitzt? Ganz anders im Japanischen, wo man mehr oder weniger in der ersten Stunde mit der "Themenpartikel ha" konfrontiert wird und auf keinen grünen Zweig kommt, wenn man sich nicht ernsthaft mit dem "ha" auseinandersetzt.
Geschichtlich gesehen, existiert der sprachwissenschaftliche Begriff "Thema" in der deutschen Philologie erst seit den 1960er Jahren, als er von Eduard Beneš als Element der Textlinguistik eingeführt wurde. All die Jahrhunderte vorher gab es kein "Thema" oder "Topik" in der deutschen Philologie, bzw. man hat damals sogar das Subjekt als "Thema des Satzes (Satzgegenstand)" definiert... was sehr deutlich zeigt, daß die Vorstellung davon, was ein "Thema" ist, im Deutschen und Japanischen verschiedener nicht sein könnte.
Im Deutschen ist das eine rein textlinguistische Kategorie, die mit Morphologie, Syntax, Lexik, Pragmatik, ... der deutschen Sprache absolut nichts zu tun hat. Im Japanischen ist "Thema (shudai)" eine Kategorie der Elementarsyntax und steht dort auf einer Ebene mit "shugo (Subjekt)", "mokutekigo (Objekt)" etc. "Thema" ist im Japanischen genauso ein Satzglied wie Subjekt und Prädikat Satzglieder sind. Das ist im Deutschen völlig anders. Hier ist es genaugenommen eine "erfundene" Kategorie, die bei der Betrachtung der "Thema-Rhema-Folge" eines Textes gebraucht wird, für die aber kein deutscher Muttersprachler auch nur den Hauch eines Sprachgefühls hat bzw. haben kann, denn "Thema" ist - wie gesagt - kein Element der Grammatik im engeren Sinne (weswegen es auch in der DaF-Grammatik leicht fehlen kann), sondern "lediglich" ein Element der interpretierenden Textlinguistik.
Warum lasse ich mich dazu so aus? Weil es eben zwar gut gemeint ist, eine "Faustregel" für den Umgang mit "ha" geben zu wollen, aber so einfach ist die Sache nunmal leider nicht. Nichtmal in 95% der Fälle. Auf jeden Fall ist eine Faustregel, die darauf setzt, das japanische "Thema (shudai)" zu erklären, indem man einen Vergleich zum deutschen "Thema" herstellen will, zum Scheitern verurteilt, weil das Deutsche keine Topik-Grammatik besitzt (das wäre im Koreanischen oder im Tagalog anders). Alle Faustregeln, die darauf bauen zu postulieren, das wir das im Deutschen doch auch hätten, nur eben anders realisiert, führen zu den vielen, vielen Fehlern, die Deutsche beim Verwenden des "ha" produzieren - und dann nicht verstehen können, denn "im Deutschen wäre das doch das erste Wort im Satz" etc. etc.
PS: Vielleicht wäre es einmal ganz lustig, meinen hier verzapften Sermon mal ins Japanische zu übersetzen und zu schauen, ob die Wörter, nach denen man ein "ha" setzen müßte, dabei auch nur irgendeine nennenswerte Übereinstimmung mit den Wörtern haben, die in meinen Sätzen am Anfang stehen. Ich wette, daß nicht...