RE: wenn nichts so richtig klappt..
auch wenn Ashitaka nicht mehr liest, ist das Thema so interessant, daß ich denke, es lohnt sich, darüber weiter zu schreiben.
bikkuri's Beitrag ist sehr interessant, und ich muss ihm in weiten Teilen zustimmen. Aber ich muss noch etwas hinzufügen:
Wenn man im den Urlaub für zwei oder ein paar Wochen nach Japan geht, wenn man sich in Deutschland mit Japan beschäftigt, bekommt man nicht wirklich etwas vom Leben in Japan mit.
Ich würde sogar behaupten, wenn man für drei oder sechs Monate in einem Uni-Austauschprogramm oder im Rahmen eines Firmenpraktikums nach Japan geht, und nicht schon absolut flüssig Japanisch spricht, bekommt man nicht wirklich etwas vom Leben mit. Denn viele Schwierigkeiten im (Alltags)leben werden dadurch gelöst, daß man in seiner "Seifenblase" bleibt. Arbeit, Freunde, Wohnung etc. etc., daß löst sich quasi schon problemlos durch den o.g. Rahmen.
Das gilt allerdings in dem Rahmen sicherlich für jedes Land. Nur kommt in Japan einfach noch etwas hinzu, was, und das kann ich nicht wirklich bewerten, aber was in angrenzenden Ländern wie Südkorea oder China ähnlich zu sein scheint.
- Die Gesellschaft ist sehr "harmonisch", was aber darauf beruht, daß es ein Gruppenverständnis gibt, bei dem "Outsider" nur sehr schwer partizipieren können
- Die Anzahl von Ausländern ist so gering, daß man, wenn man nicht asiatisch ist, wirklich überall sofort auffällt.
Und das ist anders als in den USA oder Europa, behaupte ich einfach mal. Die Anzahl in Deutschland lebender Ausländer ist einfach so groß, daß es diese "komische" Atmosphäre nicht mehr gibt. Das war vielleicht so in den 60ern, als die ersten Gastarbeiter kamen, aber... z.B., selbst in einer ländlichen Gegend, kann ich mir nicht vorstellen, daß wenn man zur Post geht, und die Grundschule gerade Schluss hat, daß einen ein paar Grundschüler sehen und aufgeregt mit dem Finger zeigen und "Ausländer, Ausländer" rufen. (Mir passiert)
Wobei das wieder so eine Sache ist, in Deutschland klingt so was schlimmer, da wäre das schon ein offener Akt von Intoleranz - in Japan ist das nicht so gemeint. Es zeigt einfach nur, wie "komisch" das Verhältnis von Japanern zu Ausländern oft ist.
Viele Japaner verstehen ihr Land und ihre Kultur als etwas sehr besonderes. Das stimmt auch sicher für viele kulturelle Dinge, aber dieses Selbstverständnis (oft durch das Ausland gegenreflektiert bzw. bestärkt) führt oft dazu, daß Ausländer wirklich als ganz anders wahrgenommen werden. Dieses "Exoktentum" mag anfangs interessant sein, nach kurzer Zeit nervt es. Dann steigt man in die Luft, wenn einen die x-te Person fragt, ob alle Deutschen den ganzen Tag Bier trinken und Wurst essen und ob es in Deutschland auch vier Jahreszeiten gibt - die vier Jahreszeiten in Japan sind ja nämlich sooo besonders.
Übrigens, die Japaner, die man vielleicht in Deutschland trifft, ist absolut nicht repräsentativ. Mit Ausnahme derer, die dahinkommen mussten aus z.b. beruflichen Gründen, sind das zwangsläufig Menschen, die weltoffener sind, die kosmopolitischer orientiert sind. Diejenigen, die nicht nur "Europa toll finden und da unbedingt mal hin wollen (das sagt fast jeder Japaner)", sondern es auch durchziehen, und tatsächlich mal in Ausland gehen. Vielleicht eine oder sogar zwei Fremdsprachen sprechen. Und nicht immer aber manchmal, das ist mein Eindruck, selbst etwas unzufrieden waren mit gewissen Strukturen der japanischen Gesellschaft. Oder zumindestens überhaupt in der Lage waren, darüber zu reflektieren - eben weil eine andere Perspektive da war.
Kurzum, gerade, wenn man die Sprache nicht zu 100% spricht, fühlt man sich sehr oft "draußen". Dann freundet man sich zwangsläufig mit denen an, mit denen man sprechen kann, so hängt man mit anderen Ausländern ab und lernt nicht so viel Japanisch usw. usw.
Es ist sehr schwierig, daß zu durchbrechen; es erfordert wirklich sehr sehr viel Anstrengung. Und viele werden so frustriert, daß sie es nach einiger Zeit gar nicht mehr versuchen.
Ich möchte Ashitakas Beiträge nicht verteidigen, der erste liest sich einfach frustriert, der zweite liest sich, als gingen ihm die wohlgewollten Beiträge sonstwo vorbei.
Der Punkt ist nur, bikkuri hat recht, man muss Dampf ablassen, man muss seinen Frust irgendwie loswerden. Und, sorry ob der pauschalen Verurteilung, diejenigen, für die Japan irgendwie der "Traum" ist, die "Fan" sind, aber noch nicht in Japan gelebt haben, die reagieren meist sehr aggressiv auf jegliche Kritik an ihrem "Traum". Japan ist ein Land mit guten und schlechten Seiten, nur weil man die schlechten nennt, heißt es noch lange nicht, daß es die guten nicht gibt.
Ich finde man sieht das immer sehr gut an den verschiedenen Kritiken zu Neumanns Buch. Ich behaupte einfach mal, daß Buch ist nichts anderes, als Neumanns Frust, den er einfach loswerden wollte, um nicht wahnsinnig zu werden.
Aber wenn ich dann etwas lese wie
"Die traditionellen Werte und Umgangsformen sind nicht so schwer zu verstehen. Das hat man in einem etwas hochwertigerem Reisefuehrer bzw. Buch ueber die japanische Kultur."
und
"Diese Dinge theoretisch zu wissen und praktisch zu erleben, kann einen Schock ausloesen, muss aber nicht. Man kann sich anpassen, muss aber nicht. Man muss auch nicht alles verstehen, sollte es aber akzeptieren"
dann kann ich mir ein gewisses Grinsen nicht verkneifen. In einem anderen Land zu leben, sich anzupassen und tatsächlich an der Gesellschaft teilzuhaben, d.h. integriert in der Gesellschaft zu leben ist ein sehr sehr langer und sicherlich auch immer schwieriger Prozess.
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