In dieser spätherbstlichen Zeit mal wieder ein Gedicht, diesmal ein Haiku,
das von
Tokoku Tsuboi (杜国坪井, 1657 - 1690) stammt.
Tokoku, war ein reicher Händler, der wegen Betrugs beim Reishandel nach Owari (尾張)
verbannt wurde und mit 34 Jahren früh starb. In seinen letzten Jahren wurde
er Schüler von
Matsuo Bashō (松尾芭蕉, 1644-1694).
Das folgende Haiku von Tokoku wurde von Bashō 1689 in der Sammlung "
Ödes Land",
[あら野(曠野)], eine der 7 Anthologien der Bashō-Schule aufgenommen.
しものあさ せんだんのみの こぼれけり
shimo no asa/ sendan no mi no/ koborekeri
mit Kanji versehen:
霜の朝 栴檀の實の 零れけり
zunächst hatte ich せんだ als 専断 gelesen. Dies führte zu der falschen Interpretion:
"Ein frostiger Morgen - (und) willkürlich sind die Früchte (der Bäume) heruntergefallen.
Dank des Hinweises von Yamada-san ist mit せんだ aber der 栴檀, der Einsiedlerbaum,
bei uns als "Paternoster-Baum" bekannt, gemeint.
Ein frostiger Morgen -
(und) die Früchte des Sendan-Baumes sind heruntergefallen"
Die Endung
-けり, ursprünglich vermutlich aus き + あり entstanden, kennzeichnet
die Vergangenheit. In der klassischen Schriftsprache wurden mit -けり (im Gegensatz
zu -き) nicht eigene Erfahrungen, sondern von anderen überlieferte Erinnerungen
charakterisiert.
Zu Tokoku`s Zeit war -けり aber nur noch als
emphatischer Assertiv gebraucht,
dh. in dem Haiku wird damit nachdrücklich unterstrichen, das durch den Frost die
Früchte endgültig vom Baum gefallen sind.
Das Gedicht verwendete später
Buson Yosa (蕪村与謝, 1716-1783 ), der nicht nur
Dichter sondern auch ein begnadeter Maler war, in seinem Faltbuch
"
Die 36 Haiku-Dichterheiligen" (俳諧三十六歌仙), in dem er 36 Bashou-Schüler
mit je einem repräsentativem Gedicht abgebildete.
edit: RS