RE: Satzmelodie/Betonung lernen?
Ja, ich denke, gokiburi hat das ganz richtig versucht darzustellen. Wenn man in ein Akzentwörterbuch (weiteres dazu weiter unten) schaut, dann sieht man, daß prinzipiell bei allen gelängten Silben der Ton nicht NACH der langen Silbe abfällt, sondern eben bereits nach der ersten "More", d. h. der ersten Hälfte der gelängten Silbe. Silbenlängung erfolgt im Japanischen auf drei Weisen: a) "doppellange" Vokale, wie z. B. das ô in Kyouto, b) durch das kleine "tsu", c) durch das ん (weswegen z. B. im Städtenamen "Séndai" der Akzent auch nicht erst nach dem "n", sondern nach dem "se" abfällt). In all diesen Fällen gilt prinzipiell, daß WENN es einen Tonabfall an der fraglichen Stelle gibt, dieser nach der ersten More erfolgt.
In Akzentwörterbüchern ist der Akzentabfall oft mit einem kleinen nach unten zeigenden Winkel angegeben, der über der Kana-Umschrift des Wortes an der Stelle abgedruckt wird, an der Tonabfall erfolgt. Und wenn man z. B. eben "きょうと" nachschlägt, dann sieht man da auch deutlich, daß der Winkel eben nach dem きょ und nicht erst nach dem う gesetzt ist. Wie spricht man das nun? Nun ich würde vorschlagen, man macht es zum Üben erst einmal gaaaaanz langsam. Einfach ein superlanges "o" sprechen und innerhalb dieses Tones die Tonhöhe abfallen lassen. Und dann die ganze Sache immer schneller wiederholen, bis man z. B. "Kyôto" im normalen Sprechtempo spricht.
Zugegeben: Wenn man es nicht WEISS, hört man als Deutsch-Muttersprachler wohl kaum, an welcher Stelle exakt der Ton abfällt (oft genug hören wir es leider so gut wie überhaupt nicht, daß in akzentuierten Wörtern überhaupt der Ton abfällt!), aber wenn ihr jemanden fragt, dessen Muttersprache auch mit Tonhöhenakzenten arbeitet (Chinesen, Vietnamesen, Thai, ...), dann werden die euch mit Sicherheit angeben können, wo genau der Japaner den Ton abfallen läßt. Und die Japaner selber hören das natürlich auch.
Ich hatte versprochen, ein paar Literaturtips anzuführen. Ich habe ein paar ausgewählt, denen CDs beiliegen, leider sind diese Bücher komplett in Japanisch (mir sind keine englischen Bücher mit CDs bekannt). Da sie aber für Japanisch-Lerner geschrieben wurden, denke ich, daß man ab einem gewissen Level durchaus auch durchsteigen kann.
Das erste, m. E. für Leute, die nicht nur üben, sondern auch den sprachwissenschaftlichen Hintergrund ein bißchen verstehen wollen, ist:
『日本語の発音教室―理論と練習』 Introduction to Japanese Pronunciation - Theorie and Practice. ISBN 4-87424-176-X.
Kostet 2000 Yen + Steuern und enthält eine CD.
Das zweite ist vor allem zum Üben. Man bekommt auf den beigelegten CDs alles mögliche (von Begrüßungsfloskeln über Zahlen und andere häufig gebrauchte Vokabeln bis hin zu Sätzen aus allen möglichen Lebensbereichen) nett vorgesprochen. Im Buch ist dazu dann noch so einiges erläutert:
『1日10分の発音練習』 ISBN 4-87424-286-3.
Kostet auch 2000 Yen + Steuern und enthält zwei CDs.
Im Übrigen lassen sich natürlich Akzentwörterbücher empfehlen, v. a. das 『NHK日本語発音アクセント辞典』 ISBN 4-14-011112-7.
Kostet 3800 Yen + Steuern. Es gibt davon auch eine CD-ROM-Ausgabe, wo man sich u. a. alles auch vorsprechen lassen kann. Sie trägt denselben Titel wie das Buch. ISBN 4-14-039360-2. Kostet allerdings natürlich schon heftig: 17.800 Yen + Steuern.
Ich bezweifle, daß es im Moment Denshijisho gibt, die Akzente angeben. Das ist sehr bedauerlich, aber bisher fehlt sowas wohl. Auch die meisten Kokugojiten haben keine diesbezüglichen Angaben, obwohl es durchaus Ausnahmen gibt. Wenn gewünscht, kann ich dieselben auch noch beisteuern.
Nun noch zu der Frage, ob es wirklich Sinn hat, sich mit der Problematik so auseinanderzusetzen, oder ob es nicht sinnvoller wäre, einfach "durch Zuhören" zu lernen. Natürlich soll man das tun! Ich halte das auch für die optimale Lösung. Allerdings haben sicher die wenigsten von uns stets ein Rudel Japaner zur Hand, die man ständig fragen könnte, wie man dieses oder jenes richtig spricht. Und manchmal will man vielleicht auch Dinge sagen, die man eben noch nicht schon (oft) richtig gesprochen gehört hat, gar nicht erst zu reden davon, daß man natürlich auch bisher unbekannte Wörter richtig aussprechen können will.
Nur am Rande dazu: Ich hörte gestern, wie hier ein Auslandsstudent versuchte, einem Japaner etwas zu erzählen, und der Japaner ziemlich unverständig wirkte. Als ich nähertrat, bekam ich mit, daß der Student offenbar irgendetwas als 不思議な~ hinstellen wollte, da er dieses Wort aber in etwa "fushiGIna" aussprach, hat ihn der Japaner eben wirklich nicht verstanden. Die "normale" Aussprache ist in etwa "fSHIgina" (d. h. das "u" ist stimmlos, und der Akzent liegt auf dem "shi", nicht auf dem "gi"). Es kann also durchaus dazu führen, daß man nicht verstanden wird (obwohl man das richtige Wort kennt!), wenn man eine falsche Aussprache benutzt.
Die Frage "Lohnt sich das Erlernen der vielen Regeln" würde ich also beantworten mit: Das Erlernen EINIGER Grundregeln lohnt sich auf jeden Fall, weil es ja auch das Erlernen der Vokabeln erleichtert. Wenn ich z. B. weiß, daß alle Adjektive auf -shii (atarashii, sabishii, kanashii, mezurashii, ...) ihren Akzent auf dem "shi" haben (also atarashíi, sabishíi, kanashíi, mezurashíi, ...), dann muß ich das nicht bei jedem Wort einzeln lernen.
Oder nehmen wir die Stadtnamen. Es gibt - wie gesagt - Städte, bei denen der Ton abfällt (z. B. KYOuto, NAra, ...) und solche, bei denen das nicht geschieht (z. B. Sapporo), aber wenn ich weiß, daß bei einem angehängten ~市 immer alle ursprünglichen Akzente ignoriert werden und der Akzent stets auf die Silbe unmittelbar vor dem "-shi" fällt (also z. B. NARAshi, SAPPOROshi), dann ist doch vieles einfacher.
Oder nehmen wir die Nationalitäten: DOitsu hat einen Akzent, AMERIKA hat keinen. Aber wenn man ~人 anhängt, kommt immer ein Akzent auf die Silbe vor dem "-jin", also DOITSUjin, AMERIKAjin (einzige - völlig unregelmäßige - Ausnahme: NIHONJIn).
Oder wenn ich weiß, daß bei allen lautmalerischen Wörtern (Giongitaigo) nach dem Muster XYXY (perapera, pikapika, fusafusa, gorogoro, shakushaku etc.) der Akzent auf der ersten Silbe liegt, dann habe ich wieder nicht die Bürde, das bei jeder Vokabel einzeln mitlernen zu müssen. USW. USF.
Das waren jetzt - wie gesagt - nur einige wenige Beispiele, und trotzdem habe ich hier ein halbes Buch geschrieben. Man kann dazu unwahrscheinlich viel lernen, aber man MUSS natürlich nicht. Jedoch ist - so hoffe ich - klargeworden, daß eine zumindest oberflächliche Beschäftigung mit dem Thema auch durchaus Nutzeffekt haben kann.
Viele Grüße, Horst.
|