Das finde ich eine sehr schwierige Frage. Ich habe jahrelang versucht, das aus gewissen Japanern herauszukitzeln, aber bekam selten eine eindeutige Antwort.
Meine Beobachtungen:
Die Geschlechterrollen sind in Japan zwar sehr starr, aber das typische Aussehen eines "Homos" gibt es nicht, wie wir uns das in unserer Kultur vorstellen. Pinke Farben gelten in Japan nicht als "schwule" Farben (Bei uns hat sich das zum Glück auch stark geändert) und können von Männern problemlos getragen werden. Auch das Haarefärben, Schminken und Finger lackieren wird nicht so streng angesehen wie hier (Der Wohnort spielt aber eine entscheidende Rolle und auch beruflich gesehen ist das natürlich kein Vorteil).
Schwulsein wird bei Japanern gerne im Fernsehen gesehen. Matsuko Deluxe hat ja einen grossen Erfolg als Crossdresser. Er hat einige Sendezeiten und ist häufig Gast bei verschiedensten Programmen (Das hat sich vielleicht jetzt ein bisschen geändert, da bin ich nicht mehr so auf dem Laufenden). Für viele Japaner liegt aber ein grosser Unterschied zwischen der Welt des Entertainments und der realen Welt. Im Fernsehen sind Schwule (viele Japaner haben immer noch grosse Probleme Schwule/Crossdresser/Trans* etc. auseinanderzuhalten) sehr beliebt, doch im realen Leben ist man doch um einiges resevierter.
Ich kann selbst nicht sagen, ob nun Japaner heutzutage toleranter oder intoleranter gegenüber der LGBT-Community stehen. Auf der einen Seite habe ich Leute getroffen, die gar kein Problem damit haben, während andere auf Distanz gingen, wenn sie wussten dass jemand schwul/lesbisch sei. Die Abneigung gegen Schwule zeigt sich eher durch Distanz und Kälte, weniger durch Gewalt und verbale Attacken. Aber das sind nur meine Beobachtungen.
Auf der anderen Seite habe ich oft gelesen, dass japanische Schüler/innen gemobbt werden, weil sie schwul sind. Ich weiss aber nicht, ob das wirklich stimmt, da ich es selber nie gesehen oder gehört habe, möglich ist es aber schon. Dasselbe mit Diskriminierung gegenüber ハーフ (hauptsächlich aus einer Asien-Japanisch Mischung). Diese sollen ja auch recht Probleme in der Gesellschaft haben und auch die Miss Japan musste starke Kritik ernten, weil sie eben keine reine Japanerin war. Aber andere Berichte bzw. Umfragen zeigen, dass die meisten keine Probleme damit haben. Also auch hier keine Ahnung, wie die Reailtät aussieht.
Für ein Land, indem Homosexualität immer noch eher ein Tabuthema ist, gibt es in Japan vieles, dass mit Homosexualität in Verbindung steht: Gay Clubs, Yaoi, Pride Parade etc. Verboten ist es also bestimmt nicht.
Japanische Schwule sind oftmals sehr maskulin. Habe ein paar Schwule in Japan kennengelernt, die gesagt haben, dass der typische japanische Mann sehr feminin ist, während schwule Männer oftmals viel maskuliner sind bzw. sich maskulin präsentieren.
Outing ist dennoch ein grosses Problem. Viele (junge) Japaner trauen sich nicht, weil sie Angst haben verstossen zu werden oder keinen Job zu finden. Die Zahl der Outings hat aber zugenommen, im Gegensatzu zu Südkorea, welches ich zu einer der homophobesten modernen Staaten in Asien bezeichnen würde.
Ich denke, dass in Japan nicht die Homophobie das grösste Problem ist, sondern eher der gesellschaftliche Zwang nicht aus der Reihe zu tanzen. Im Gegensatz zu Europa, wo Homosexualität stark verachtet und strafbar war, gab es in Japan nur eine kurze Zeit, in welcher Homosexualität verboten war (Und zwar während der Meiji-Restauration, wenn ich mich nicht täusche). Ich vermute, dass dies aufgrund der Religionen liegt. Die semitischen Religionen (Christentum, Judentum, Islam) sind sehr sexbezogene Religionen. Diese Religionen beschäftigten sich nicht nur mit den Geschlechtsrollen, sondern auch wie sich die Geschlechter zu begegnen haben (Und da ist Homosexualität eben ein Tabu). Der Buddhismus (oder auch Shintoismus) zeigen zwar auch klare Rollen, wer Mann und Frau sein soll, doch was im Bett läuft, geht eigentlich niemand was an. Aus diesem Grund musste man in Japan ja Homosexualität nicht erst dekriminalisieren, da die meisten Japaner es nicht als Sünde angesehen haben, wie wir es im Westen aufgrund des Christentums taten. Interessant ist ja auch, dass Amaterasu, die höchste Göttin im Shintoismus, eine Frau ist und kein Mann (Ob das aber wirklich stimmt, ist dennoch umstritten). In Europa wäre es unvorstellbar gewesen, dass eine Frau in der Hierarchie zu oberst steht.
Was ich aber kurzgefasst meine, ist, dass in Japan ein grosser Schritt, den wir in Europa durchführen mussten, bereits erledigt ist bzw. gar nie nötig war. Homosexualität war (fast) nie eine Straftat. In Japan muss Homosexualität nur enttabuisiert werden bzw. darüber aufgeklärt werden. In arabischen Staaten wäre ja das anders, da müsste Homosexualität überhaupt erstmal rechtlich anerkannt werden, dann würde man Schutzreche benötigen und erst dann könnte man Aufklärungsversuche starten.
Ich hoffe, dass gibt dir einen kleinen Einblick
Ich kann natürlich nur das berichten, was ich als Aussenstehender gesehen bzw. gehört habe. Ein homosexueller Ausländer in Japan hätte vielleicht andere Eindrücke erlebt als ich.