(01.05.10 21:47)Landei schrieb: Synästhesie mag auch beim Lernen hilfreich sein, aber sie ist angeboren und nicht erlernbar. Ich denke, das kann man nicht mit den üblichen Mnemotechniken vergleichen, auch wenn sich beides manchmal gut ergänzt.
Zugegeben, das Beispiel hinkt etwas, das war mir klar...ich hatte nach etwas gesucht, das verdeutlicht, wie das Ganze funktioniert. Wahrscheinlich passte das Beispiel mit dem Geruchssinn etwas besser - wobei da auch viel intuitiv und unbewusst abläuft.
Das ändert aber nichts an der Erfahrung, dass mehrfach verknüpfte Informationen besser im Gedächtnis verankert bleiben, als andere. Die stärksten Erinnerungen sind nach allem, was ich gelesen und selbst erfahren habe, jene, die mit starken Emotionen oder eben mit dem Geruchssinn verbunden sind. Heisig schreibt ja in seinem Vorwort, dass er mit seiner Methode den Umstand auszugleichen versucht, dass wir mit den Strichen der Kanji kulturell und auch sonst einfach nichts verbinden - was das Lernen für viele sehr erschwert. Durch die Geschichten sollen Verbindungen und Assoziationen geschaffen werden, die vorher nicht da waren.
Wenn wir das Wort "Himmel" lesen, dann hat jeder sofort eine Assoziation dazu im Kopf, sei es der blaue Himmel im Sommer, das Himmelsreich Gottes oder irgendetwas anderes. Sehen wir aber ein Kanji, dann passiert da erstmal gar nichts - während Japaner, Chinesen und andere mit diesen Zeichen groß werden, sie ständig um sich haben und mit ihnen Dinge verbinden, die ihnen an den verschiedensten Stellen zusammen mit den Kanji angeboten werden. Dafür soll diese Methode halt einen Ausgleich schaffen und wie erfolgreich sie ist, hängt eben vom Lerntyp, von der Disziplin, Konsequenz und Ausdauer des Lernenden ab (das trifft natürlich auf jede Lernmethode zu).
Das Idealziel, welches man mit den Heisig- bzw. den eigenen Geschichten erreichen könnte wären starke, emotionsgeladene und aussagekräftige "Bilder", welche man einfach nicht vergessen
kann.
Und das ist auch gleich das Problem: Mag das noch kreativen, geistig sehr flexiblen Menschen gut gelingen (passender Lerntyp vorausgesetzt, eine gute Allgemeinbildung und ein ebenso reicher Wortschatz ist sicher sehr hilfreich, wenn nicht sogar notwendig), werden die Geschichten bei anderen nicht diesen Grad erreichen, der notwendig ist, um sich von den Geschichten lösen zu können bzw. der Prozess des Ausdenkens erfordert deutlich mehr Zeit, was letztendlich zu Frustrationen führen kann, weil man nicht so viel Kanji am Tag schafft, wie von Heisig angepriesen.
Aber "starke" Bilder sind notwendig, damit der Vorgang später schnell genug abläuft. Wenn ich das richtig verstanden habe, sollte es später eigentlich umgekehrt sein: Anhand des "Bildes" (auch ein unzureichender Begriff für das, was sich da bildet) soll man - wenn notwendig - die Geschichte eruieren und das Kanji "bauen" können. Überhaupt ist das Bild und später vielleicht die Geschichte nur notwendig, wenn man mal ein Problem hat, ein bestimmtes Kanji zu schreiben bzw. dessen Bedeutung zu erinnern. Nur während der Arbeit mit dem Buch sollte man der Versuchung widerstehen, gut gelernte Kanji einfach so zu übergehen, ohne sich das Bild vor Augen zu führen - danach ist es nicht mehr notwendig. Ich sehe nicht ständig sprunghaft irgendwelche Bilder vor meinem geistigen Auge herumschwirren, wenn ich Japanisch lese oder schreibe - das wäre wirklich ineffektiv und langsam. Wenn es aber notwendig ist, kann ich ein Bild hervorholen und mir dadurch die Bedeutung und Schreibweise eines vergessenen oder problematischen Kanjis herleiten - etwas, wofür ein anderer womöglich ein Lexikon bemühen muss.
Aber wie ich schon sagte: Viele Wege führen nach Rom und zum Glück gibt es auch viele Wege, an diese Schrift heranzugehen. Ganz sicher ist die beste Schule zum Behalten der Kanji eine ständige Benutzung - aber genau das werden viele nicht erreichen können - das bleibt all jenen vorbehalten, die tatsächlich ihr Leben in Japan verbringen können. Die anderen müssen einfach damit leben, einen Teil der gelernten Kanji bzw. Wörter zu vergessen und immer wieder erneut lernen zu müssen (selbst Japanern geht das so, wenn sie im Ausland leben). Und einige "Eselsbrücken" mögen da schon hilfreich sein, ob es nun Heisig-Bilder oder andere Erinnerungshilfen sind.
Aber letztendlich ist es meiner Meinung nach vollkommen egal, auf welchem Weg ein interessierter Japanisch-lernender sich die Informationen merkt und nach welcher Methode vorgeht - das Ergebnis zählt und Kanji machen nur
einen Teil der Japanischen Sprache aus. Wichtig ist, dass das Lernen Spaß macht und wem die Heisig´schen Bücher keinen Spaß machen, sollte die Finger davon lassen und sich nach einer Alternative umsehen.