Zitat:Um japanisch sprechen zu können brauchst du (eigentlich) die Schriftzeichen nicht. Und die Grammatik ist nun echt mal die einfachste die mir jemals bei einer Sprache vorgesetzt wurde. Das ist mal 'ne richtig durchdachte Sprache
Da möchte ich auch ernsthaften Einspruch einlegen. Und zwar zu allen drei Sätzen.
1. Daß die Schriftzeichen unnötig wären, ist zwar eine These, die auch von manchen Japanern vertreten wird, und es gab auch schon ernsthafte Vorschläge, sie offiziell zugunsten der lateinischen Schrift abzuschaffen; aber diese Vorschläge sind genauso illusorisch wie solche, Japanisch ganz abzuschaffen, und z. B. Englisch oder Französisch einzuführen... (Lacht nicht! Solche Vorschläge gab es seit der Meiji-Zeit immer wieder. Einer stammt sogar von einem japanischen Bildungsminister höchstpersönlich.) Die Auffassung, es sei egal, mit welchen Mitteln man eine Sprache aufschreibe, entsprang der abendländischen Realität, wo es ja wirklich über weite Strecken egal ist... schließlich schreiben wir ja auch Deutsch mit lateinischer Schrift. Aber die Sprachwissenschaftler wissen mittlerweile - vor allem auch durch die Beschäftigung mit dem Japanischen -, daß es sehr wohl auch Sprachen gibt, die eine sehr enge wechselseitige Beziehung zwischen gesprochener Sprache und Schriftsystem aufweisen. Zu diesen gehört Japanisch zweifellos. Die Schrift ist dort nicht einfach bloß ein Mittel, um das "eigentlich Wichtige", die Sprache, auzuzeichnen. Wenn es so wäre, könnte man sie natürlich durch irgendein anderes Mittel (z. B. Romaji) ersetzen. Aber so ist es eben im Japanischen nicht. Die heutige japanische Sprache ist ohne die heutige japanische Schrift nicht denkbar und umgekehrt. Ein Lesetip für alle, die mehr darüber wissen wollen... Suzuki Takao: Eine verschlossene Sprache. Die Welt des Japanischen. München: Iudicium, 1990. (schon etwas älter, aber wunderbar spannend und interessant zu lesen... übrigens auch eine Kritik an der "Japanisch kann nur ein Japaner"-Auffassung mancher Japaner, geäußert von einem Japaner).
2. Ich weiß natürlich nicht, wieviele Sprachen man Dir schon "vorgesetzt" hat. Ich persönlich habe mich - außer mit meiner Muttersprache Deutsch - bisher mit noch acht anderen Sprachen intensiver bis intensivst (im Sinne, daß sie mein Beruf sind) beschäftigt. Nur eine davon hatte eine wirklich einfache Grammatik - und das war Esperanto. (Kein Wunder! Diese Sprache war ja eigens dafür ersonnen worden, so einfach und logisch wie möglich zu sein.) Bei allen anderen Sprachen war es so, daß es zwar unterschiedlich schwer war (= lange dauerte), bis ich in der Lage war, einfache Sachverhalte ausdrücken zu können, aber daß früher oder später die "echten Probleme" unweigerlich auftauchten. Ich meine damit, daß es z. B. beim Englisch- oder Russisch-Lernen nicht sehr lange dauert, bis man in der Lage ist, jemanden nach der Uhrzeit zu fragen oder eine Wegbeschreibung zum Bahnhof zu verstehen. Aber sobald man über das "Du wissen wo Bahnhof?"-Niveau hinauskommen will, wird es auch in diesen Sprachen komplizierter. Nicht umsonst gibt es auch für das ach so leichte Englisch sehr, sehr dicke Grammatik-Bücher. Der Teufel steckt vielleicht nicht im "How are you?", sehr wohl aber im Detail. (Obwohl... So sehr sinnvoll erscheint uns "Wie bist Du?" ja auch nicht unbedingt, oder?) Bei Japanisch ist das nicht anders. Um leichte Alltagsgespräche führen zu können, braucht man wahrscheinlich etwas länger als im Englischen, aber man bekommt es irgendwann schon ganz brauchbar gebacken. Sobald man sich jedoch z. B. in die Höflichkeitssprache begibt (und das ist unverzichtbar!) oder sobald man z. B. ein Buch lesen will (die Grammatik von Schriftsprache und Umgangssprache ist im Japanischen durchaus nicht identisch!), kann mir niemand erzählen, er hielte das für locker machbar. Auch japanische Grammatik-Bücher haben viele hundert Seiten. Und die japanische Sprachwissenschaft ist eine der aktivsten der Welt... will heißen: man kann sich im Japanischen über seeeehr viele Phänomene und Aspekte wissenschaftlich betätigen und nach Herzenslust meterweise Bibliotheksregale volltexten - da wird es wohl nicht ganz so einfach sein... (Übrigens: Wenn "nobunaga" da keine Probleme sieht, wäre das ein Glücksfall für mich. Darf ich Dir dann mal eine Liste von den Fragen zur japanischen Grammatik schicken, die sich bei mir angesammelt haben und bei denen sich auch die japanischen Sprachlehrer und Linguisten, die ich dazu befragt habe, nicht auf eine Antwort einigen konnten? Das wäre wirklich schön...)
3. Japanisch ist genauso natürlich gewachsen wie (fast) jede andere menschliche Sprache auch. Insofern ist es natürlich weder geplant noch durchdacht. Wer einige Sprachen gelernt hat, hört auf, sich über (scheinbare) Ungereimtheiten zu wundern. Aber das bedeutet nicht, daß sie nicht da wären. Wieviele "Ungereimtheiten" man entdeckt (= wie oft man den Eindruck hat, die Sprache wäre planlos oder "unlogisch"), hängt meines Erachtens davon ab, wieviele "Ungereimtheiten" der fremden Sprache sich mit denen der eigenen Sprache decken oder nicht (bzw. über wieviele dieser "Ungereimtheiten" man sich nicht mehr wundert, weil man sich über diese schon bei einer früher erlernten Fremdsprache "ausgewundert" hat). Für mich persönlich war bisher - ich wollte es selbst nicht glauben - Swahili die Sprache, bei der ich mich am wenigsten wundern mußte... Japanisch rangiert bei mir deutlich auf einem der vorderen Plätze...
Fazit: Japanisch ist eine menschliche Sprache wie andere auch. Sie hat natürlich gewisse Eigenheiten (wie ebenfalls jede andere Sprache auch ihre Eigenheiten hat). Eine dieser Eigenheiten ist die enge Verzahnung von gesprochener Sprache und Schriftsystem, die quasi symbiotisch verbunden sind. "Schwierig" ist die Sprache für Deutsch-Muttersprachler auf jeden Fall. Und noch schwieriger wird es, wenn man sich nicht nur "irgendwie so ausdrücken will, daß der Japaner weiß, was ich will", sondern wenn man den Anspruch hat, "korrektes" Japanisch zu sprechen. Ein "Hallo! Du wissen wo Bahnhof?" ist für Ausländer sicher einfach zu lernen - und jeder Deutsche versteht sie. Aber von dort bis zu "Entschuldigen Sie bitte. Könnten Sie mir sagen, wie ich zum Bahnhof komme?" gilt es schon eine ganze Reihe Hürden zu nehmen... Und das ist im Japanischen nicht anders...