Beitrag #5
RE: In den Nachrichten
Warst Du da schon mal, ich nicht? Ich war einigemale auf Hokkaido aber nie viel nördlicher als Sapporo. Der Süden von Hokkaido ist schon spektakulär genug. Und wenn man mit dem Schiff fährt, sind auf hoher See auf der pazifischen Seite Japans 3m hoher Seegang nichts besonderes.
Mit "hinterletztes Eck in Japan" meinst Du vielleicht auch "Der Himmel ist hoch, und der Zar ist weit weg." Mag sein.
Wobei angeblich die Fahrgäste unbedingt rausfahren wollten, jetzt, wo sie schon mal im hinterletzten Eck Japans waren, sagte jetzt der Reeder in einer Pressekonferenz. Frühmorgens habe er bißchen den Wetterbericht im Fernsehen gesehen, und was seien schon 3 m Seegang, wenn die zahlende Kundschaft die Fahrt verlangt?
Eigentlich ist für die Passagiere so einer Nußschale so ein Seegang nur zumutbar, wenn es sich dabei um lauter auf Seebeinen wandelnde Seebären handelt. Oder um Betrunkene, die ohnehin schon nichts mehr merken.
Das ist aus mehreren Gründen nicht anzunehmen. Einige werden wohl zum Frühstück Vomex genossen haben, weiß nicht, wie das in Japan heißt. Das würde für eine längere Busfahrt reichen, auch wenn du empfindlich bist. Für die letzte Klassenfahrt meines kleinsten Sohnes habe ich ihm zum Frühstück Vomex-Tabletten gegeben und gesagt, dann mußt du nicht erbrechen, und biete diese Tabletten deinen Sitznachbarn an, das Zeug wirkt auch dann noch, wenn es einem schon bißchen schlecht ist. Die Mitschüler sagten, er wolle hier wohl mit Drogen dealen, und kam er nicht mehr sauber aus dem Bus, weil die Sitznachbarn seitlich und hinten doch recht produktiv gewesen waren.
Ich bin mal mit der Autofähre von Tomakomai nach Sendai gefahren, somit auf der pazifischen Seite. Es war Sturm, man durfte zwar an Deck, die Blechtür ließ sich öffnen, aber dann hat es dich sofort ins Geländer geschmissen, daß du froh warst, irgendwie wieder rein zu können. Ich glaube, der Seegang war in dieser Nacht mehr als 3m, vielleicht das Doppelte. Da sah ich (bißchen größere) Fischkutter, vielleicht halb so lang wie das verunglückte Ausflugsschiff. Die tauchten fast senkrecht mit dem Bug ins Wellental und stiegen dann fast senkrecht wieder auf. Ich hatte mal gehört, an Seekrankheit seien schon manche gestorben.
Unser Schiff war eine große Autofähre. Wir hatten keine Kajüte, sondern in der Billigklasse gab es nur große Zimmer mit Teppichboden, da schlief man dann eben, bei jeder Welle merkte man nur, daß ein Schlag das ganze Schiff ein bißchen erschütterte, als ob es von einer Treppenstufe heruntergefallen sei. Aber der Diesel bullerte eintönig vor sich hin, und nach Mitternacht hatte der Smutje plötzlich gekochte Maiskolben zu bieten, die reißenden Absatz fanden.
Etliche Stunden später legten wir in Sendai an, wir gingen von Bord, ich mußte mich um mein Auto kümmern, und so ohne war damals eine Autofahrt von Sendai nach Tokyo auch nicht. Das war wohl etwa 1987.
:
01. Mai
Vor einigen Tagen hat man das Wrack gefunden. Es liegt nahebei der letzten bekannten Position backbordwärts auf der Seite in 120m Tiefe auf einer Stufe mit komplexen Meeresströmungen, so daß es nicht stabil liegt sondern jederzeit noch tiefer rutschen könnte. Steuerbord ist eine große Schiebetür offen, da hat man mit einer Suchkamera hineingespäht und niemanden detektiert, außen herum auch nicht.
Der Funk war kaputt, der Kapitän mußte sich wohl in seiner Not ein Telefon von einem Passagier ausgleihen, um in der Reederei anzurufen, damit die einen Notruf absetzen, deren Antenne aber lag abgebrochen im Müll.
03.Mai
Private Bergungsschiffe u.a. der Firmen Nihon Salvage und Fukada Salvage sind ausgelaufen, um die Kazu 1 zu heben; bis die vor Ort sind, wird es jedoch ein, zwei Tage dauern. Ich frage mich, wie wohl so eine Bergung ablaufen mag, insbesondere, wenn das zu bergende Schiff schon knapp unter dem Wasserspiegel ist. Wenn man das Teil aus dem Wasser hebt, wird es sehr schnell sehr schwer, weil es ja voller Wasser ist. Stellt man es vielleicht auf den Kopf, um es auszuschütten?
04. Mai
Es gibt erste Innenaufnahmen aus der Kazu 1. Sieht irgendwie aufgeräumt aus da drin.
10. Mai
Die Bergungsschiffe sind da. Es wird aber sehr achtsam vorgegangen. Technisch überlegene Unterwasserkameras werden hinabgelassen. Die heutigen Aufnahmen lassen vermuten, daß alles sehr aufgeräumt ist. Morgen soll eine bemannte Tauchkapsel hinabgelassen werden, die vielleicht von außen in das Passagierdeck ausreichend hineinleuchten können soll.
Die Kazu 1 erscheint weitgehend unbeschädigt, und es fanden sich dort unten bisher keine Leichen.
Es wurde näher erklärt, was die Rettungsleute machen. Sie haben Personal und Ausrüstung für das Sättigungstauchen 飽和潜水. Die Taucher müssen erst etliche Stunden in einer Druckkammer an den hohen Druck gewöhnt werden, in dieser Zeit wird der Stickstoff in ihrer Atemluft gegen Helium ausgetauscht, davon bekommen sie die berühme Mickimaus-Stimme.
Dann wird die Druckkammer hinabgelassen, und die Taucher können in 120m Wassertiefe aussteigen und sich normal bewegen. Nach getaner Arbeit steigen sie wieder in die Druckkammer, diese wird aufs Mutterschiff gehievt, wo der Druck abgelassen wird, was wiederum etliche Stunden dauert.
Morgen oder übermorgen soll die Kazu ! gehoben werden, weil sie nicht, wie befürchtet, in noch größere Tiefen abgerutscht ist. Dazu soll sie zunächst wie ein Schlitten an Stahltrossen die Küstenböschung heraufgeschleppt werden bis ins ganz flache Wasser.
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 21.05.22 12:53 von Yano.)
|