Ich habe eigentlich eine ähnliche Geschichte hinter mir: Auch ich hatte mich zunächst auf Kanji gestürzt, ohne wirklich einen Plan zu haben - leider, wie ich jetzt finde, da ich mich sehr lange Zeit zu sehr in Einzelheiten verloren und ohne Konzept gelernt hatte. Das hat leider dazu geführt, dass ich für das Sprechen (und allgemein Formulieren) eigentlich wichtigere Dinge, wie z. B. die Grammatik, komplett vernachlässigt hatte.
Zur Zeit "lerne" ich tatsächlich, ohne auch nur ein Kanji genauer anzusehen und spreche vornehmlich. Natürlich muss ich während meines Unterrichtes (ca. 2 Stunden die Woche, aufgeteilt in 3 Einheiten) auch etwas lesen und bekomme auch Hausaufgaben auf, was ich allerdings mit meinen vorhandenen Kenntnissen gut bewältigen kann, da ich mich sowohl beim Lernen als auch beim Lesen vor allem auf Dialoge beschränke. Und wie du schon geschrieben hattest: Beim Sprechen wird im allgemeinen keine so komplizierte Grammatik verwendet und auch die Vokabeln sind überschaubar (je nachdem, über welches Thema man sich so unterhalten möchte, natürlich).
Hinzu kommt, dass ich noch mehrmals in der Woche mit einem Tandempartner spreche, was mir auch hilft, etwas fließender zu werden. Sowohl meine Lehrer (ich habe zwei: m/w) als auch der Tandempartner bescheinigen mir eine sehr gute Aussprache, nahe der eines Muttersprachlers (darauf habe ich viel Wert gelegt). Das habe ich dadurch erreicht, dass ich mich recht oft aufgenommen, meine Aufnahme mit der eines Muttersprachlers verglichen und dann versucht habe, meine eigene Aussprache so weit wie möglich anzugleichen.
Außerdem scheine ich trotzdem - oder gerade weil ich immerhin das regelmäßig mache - langsam, Schritt für Schritt besser zu werden und immer fließender zu sprechen. Wobei "fließend" ein dehnbarer Begriff ist, denn mir fehlen leider oft Vokabeln, die ich dann irgendwie umschreiben muss, was meinen Redefluss dann doch hemmt. Außerdem - und das ist für mich das größere Problem - fehlt es mir eben an vielen Punkten an ausreichenden Grammatikkenntnissen. Entweder weiß ich nicht, wie ich etwas sagen kann oder ich habe zu wenig Übung, die mir bekannte Formel auch (korrekt) zu benutzen.
Und auch, wenn mir das Lesen grundsätzlich Spaß macht (ich gebe zu: Ich versuche nebenbei Romane und Geschichten etc. zu lesen), bereitet mir das Sprechen zur Zeit mehr Freude.
Ich habe zwar keine Familie, aber mein Job (inkl. viele, sehr viele Überstunden) und meine weiteren Hobbies nehmen recht viel meiner eh schon knappen Freizeit in Anspruch, so dass für das Japanisch-Lernen nicht viel übrig bleibt. So kann ich mich nur auf einen Aspekt richtig konzentrieren.
Trotzdem bleibe ich dabei: Es gibt kaum richtiges Lehrmaterial für die höhere Grammatik, die auf Kanji etc. verzichtet. Ich meine damit ein Werk, welches einzelne Grammatikaspekte unter verschiedenen Gesichtspunkten ausführlich behandelt und diese dann mit Beispielen, Übersetzungen und Erläuterungen detailliert erklärt. Die Hiragana-Times (die ich übrigens, trotz konsequenter Verwendung von Furigana, nur empfehlen kann) gehört nicht zu den Lehrwerken. Vielleicht gibt es etwas auf dem englisch-sprachigen Markt, da kenne ich mich nicht so aus (scheinbar gibt es sogar Grammatik-Bücher, die komplett auf japanische Schrift verzichten).
Allerdings muss ich mich korrigieren, denn eine Lernmethode kenne (und nutze) ich auch:
JapanesePod101. Ich hatte dazu schon einmal
einen längeren Beitrag geschrieben, du kannst ihn dir ja mal durchlesen. Immerhin werden dort sämtliche Punkte innerhalb eines Podcasts erklärt und können dann zur Vertiefung noch einmal in sogenannten "Lesson Notes" nachgesehen werden. Alle Dialoge etc. werden in Kanji, Kana und Rōmaji angegeben, so dass man sie auch ohne tiefere Kanji-Kenntnisse lesen kann. Der Podcast behandelt ausschließlich die gesprochene Sprache und ist deswegen gerade für Lerner geeignet, die sich vor allem für das Sprechen interessieren.
Ich hatte schon früh mein Augenmerk auf die informelle Sprache gelegt, weil sie an ihr aus verschiedenen Gründen mehr interessiert bin, als an den anderen Formen (allerdings ändert sich das: Inzwischen finde ich Keigo und besonders Sonkeigo auch sehr interessant), weil die Japaner, denen ich begegnet bin, mich meistens in informeller Sprache angesprochen hatten - was mir anfangs allein mit desu/masu-Kenntnissen doch einige Schwierigkeiten bereitet hatte. Auf jeden Fall hilft der Podcast dabei, diese Lücke zu schließen, so dass man etwas "natürlicheres" Japanisch sprechen kann, indem man die verschiedenen Formen dort verwendet, wo sie angebracht sind. Und was man (meiner Meinung nach) auch nicht vernachlässigen sollte: Es gibt im Japanischen nun einmal Unterschiede in der Redeweise zwischen Frauen und Männern. Viele Ausländer klingen wie ihre Freundinnen oder Frauen, von denen sie ihr Japanisch gelernt haben - und ich habe nicht nur einmal gehört, dass das Japaner durchaus bemerken, um es mal freundlich auszudrücken
Ich hatte immer den Anspruch "männlich" sprechen zu wollen und auch dabei hilft mir der Podcast, denn leider sind viele
Lehrer eben Lehrer
innen (aus irgendeinem Grund scheinen die männlichen Japaner in diesem Gebiet deutlich in der Unterzahl zu sein), die entweder nicht immer darauf achten oder diese Unterschiede teilweise sogar abzulehnen scheinen.
Auf jeden Fall: Vielleicht wäre dieser Podcast auch etwas für dich? Auch, wenn du schon weiter sein solltest, kannst du selbst in den Anfänger-Lektionen Informationen finden, die du in keinem Lehrbuch und bekommst einen Einblick in die informelle Redeweise, den du an kaum einer anderen Stelle erhalten kannst (klar, Tandempartner, oder man kann sich "Doramas" etc. anschauen: Aber hier wie dort wird eben nicht erklärt, was da gerade verwendet wird, in welcher Situation es üblich ist und wo man es besser nicht verwenden sollte etc. pp). Immerhin kann man die Lektionen so nebenbei hören und sich das herausziehen, was man gerade benötigt. Besser als TV schauen ist es allemal