RE: Bücher über Japan
Habt ihr mal "Die Wahlverwandschaften" von Goethe gelesen? Oder "Werther"? "Die Verwandlung" von Kafka? "Nathan der Weise" von Lessing? Oder irgendwas von Fontane? "Irrungen, Wirrungen" z.B.?
Ich möchte ja keinen Streit verursachen...aber ich als Riesenleseratte war etwas erstaunt, als ich Dinge las wie "keine Handlung" in den Büchern, und dass das "langweilig" sei.
95% der klassischen Literatur weist wenig bis gar keine Handlung auf. In "Die Verwandlung" meinst du, dass irgendwie keiner es gebacken bekommt, einen Schritt zu machen. Die Handlung von "Irrungen, Wirrungen" kann man mit einem Satz zusammenfassen (das Buch hat 250 Reclam-Kleinschrift-Seiten) "ein Paar das zusammenfindet und sich wieder trennt".
Ich fande keines dieser Bücher auch nur im allermindesten "langweilig", wenn sie auch teilweise recht anstrengend zu lesen sind.
Es ist wie überall im Leben, alles, was interessant ist, ist anstrengend, es ist fast eine exponentiale Zuordnung.
Bücher mit viel Handlung sind meist (bleileibe nicht immer, sonst gälte das auch für viele Werke von den Mann's ^-^) die Romane, die für Unterhaltung sorgen sollen.
In Büchern wie "Der jüngste Tag" von Horváth geht es mehr um das "wie" als um das "was". Wie erleben die Protagonisten, nicht was....
Handlung ist einfach zu verstehen, ist trivial und profan. Gedanken, unterschwellige Anspielungen, Kreisbewegungen, Beschreibungen, Gefühle etc....das sind die Dinge, die einen guten Roman in meinen Augen ausmachen.
Fontane hat mal den Begriff "Roman" so definiert, dass die Wichtigkeit der Handlung so minimal wie möglich ausfallen müsse, denn sie lenke von dem eigentlich Wichtigen ab.
Ich habe Bücher gelesen, die nach 200 Seiten immer noch keine Spannung aufgebaut hatten, oder Bücher, die überhaupt keine Spannung aufbauen...und trotzdem habe ich am Ende des Buches immer wieder gesagt "ich habe ein neues Lieblingsbuch" (bis ich Faust vor einem Jahr das dritte Mal gelesen und in Ansätzen verstanden hatte, da war es klar: es gibt keinen Superlativ mehr).
Ich könnte jetzt ewig weitersülzen, aber ich ich denke, dass der Grundgedankg rüberkommen sein müsste.
Banana Yoshimoto ist eine meiner modernen Lieblingsautorinnen (alles nach 1960 bezeichne ich für mich als modern ^^), obwohl ich zugeben muss, dass erstens die deutsche Übersetzung nicht so toll ist und zweitens, dass sie auch ein wenig von Unterhaltungslitertur in ihren Werken durchscheinen lässt.
Dennoch, das Thema der verlorenen Familie, die Kategorie der Langsamkeit, der schleichenden Lethalität der Trauer, psychische Gegenmaßnahmen gegen mentalen Schmerz, der Umgang mit der Fremde (Fremde nicht im Sinne von Ausland...die, die "kitchen" gelesen haben erinners sich sicher an die Transsexuelle...)...und das alles in typisch japanischem Stil.
Es gibt echt nicht allzuviel Handlung, aber in Relation zu klassischen Romanen geht's da zu wie in Matrix oder James Bond.
Natürlich ist das alles Geschmackssache, aber wer den Abstand zu einem Buch mit "zuwenig Handlung" begründet, den verweise ich vehement auf Fontanes didaktischen Satz...
- Aikou
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 17.09.03 22:07 von Aikou.)
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