(22.01.15 08:28)kyuukaryokousha schrieb: Ist Kalligraphie wirklich so schwer?
Das kommt drauf an, welche Ansprüche man stellt. Natürlich ist es nicht schwer, mit einem Pinsel schwarze Striche aufs Papier zu tuschen, ich kann auch jemandem die Haare so schneiden, daß sie nachher kürzer sind. Aber eine gute kalligraphische Arbeit ist auf erhebliche Achtsamkeit und viel Übung angewiesen.
Das geht so (ich war [als einziger Ausländer] Mitglied im Kalligraphie-Club einer japanischen Universität):
Das wichtigste für den Anfänger ist 氷 (bedeutet "Eis"), es enthält alle Arten von Strichen, die es in Kanjis gibt. Das schreibst du hundertmal unter Anleitung des Lehrers. Dann alleine üben, paar tausendmal schreiben und wieder dem Lehrer vorlegen. Dann andere Kanjis dazunehmen und
täglich tausend schreiben. Ein Jahrzehnt Übung führt zum Erfolg, ist ja bei der in D üblichen Schrift auch nicht groß anders. Eine "ausgeschriebene" Handschrift zu entwickeln, die auch die Persönlichkeit widerspiegelt, dauert nun mal ein, zwei Jahrzehnte.
Umgekehrt ist es auch nicht anders, viele Japaner führen auf Deutsch eine ausgesprochen häßliche, zackige Handschrift.
Ich selber habe übrigens nach wenigen Jahren mit der japanischen Kalligraphie aufgehört. Einer der Gründe dafür war, daß ich das geistig nicht durchdringen konnte, der wahre Kern dieser Kunst ist mir verborgen geblieben.