RE: Xenophobie?
@Genetix: Du scheinst ein Fan von Fassaden zu sein … wenn es sich damit für Dich angenehmer leben lässt, warum nicht. Es ist eine recht stark ausgeprägte Facette des japanischen Zusammenlebens, die ich ebenfalls gelegentlich sehr begrüsse, wenn auch aus anderen Motiven … meiner Einer geniesst z. B. den Service in Japan sehr, auch wenn das vielen Leuten auf den Keks geht. Aber um ehrlich zu sein, ist es mir schnurzpiepegal, durch welche persönlichen Krisen die Lady an der Kasse oder die Bedienung im Restaurant gerade geht, nur höflich bedienen sollte sie mich. Aber das Ganze tut hier nichts zur Sache.
Ein vollwertiges Mitglied einer Gesellschaft, damit meine ich jmd. der voll integriert und dessen Meinung so akzeptiert wird, wie die der „Einheimischen“ und zwar ebenfalls zu völlig ureigenen Themen des jeweiligen Landes … privat ebenso wie geschäftlich. Die damit einhergehenden Probleme sind schwierig jmd. darzustellen, der das noch nie versucht hat, oder der noch nie in der Position war, dies tun zu müssen. Ich weiss nicht sehr viel über Dein derzeitiges Leben in Japan, alles was ich lesen konnte ist, dass Du derzeit promovierst und dazu anscheinend in einem Unternehmen arbeitest. Ohne Dir jetzt etwas zu unterstellen oder vorweg nehmen zu wollen, bin ich der Ansicht, dass Du in Deiner derzeitigen Situation den vollen Umfang worüber wir hier reden, einfach noch nicht erkennen kannst. Als ausländischer Student an einer Uni hat man es im Vergleich relativ leicht und Deine Branche „Informatik“ ist ohnehin so etwas wie eine recht relaxter Randbereich diesbezüglich, weil er nicht das stinknormale Geschäftsleben widerspiegelt (bitte dies nicht als Angriff zu verstehen ;-)) Zudem bist Du zu der Tätigkeit, die Du derzeit betreibst eingeladen worden, Du bist also als Ausländer gefragt gewesen bzw. erwünscht.
Völlig anders ist es jedoch, wenn Du voll ins jap. Berufsleben einsteigst, in ein jap. Unternehmen, vor allen Dingen dann, wenn es traditionell und nicht international ausgerichtet ist. Dann kann man recht schnell merken, wie eng die Gemeinde doch zusammensteht und wo Deine Grenzen als Ausländer liegen. Du und Deine Meinung, werden nur dort zugelassen, wo sie nach jap. Ansicht zugelassen werden sollten. Du meinst, wenn Japaner nicht über Dich reden, dann ist Dir das angenehm. Du hast noch nicht erlebt, wie unangenehm es sein kann, wenn sie es nicht tun, wie es ist ignoriert zu werden.
Versuch doch mal Mitglied in einem jap. Wirtschaftsclub zu werden, Deine Meinung jap. Kommunalpolitikern kundzutun oder Dich intensiv mit einer jap. Kunstrichtung auseinanderzusetzen (soll heissen, übe sie aus und versuche gut darin zu werden), oder misch Dich an geeigneter Stelle in Themen wie „Erziehung“ und „Bildung“ ein (an welcher Stelle lag Deutschland nochmal in der PISA-Studie?).
Oder nehmen wir mal einen etwas entfernteren Aspekt der hier angesprochenen Xenophobie. Nämlich die Re-Integrationsschwierigkeiten von Japanern, die längere Zeit im Ausland gelebt haben. Hast Du davon schon einmal gehört? Sie werden des öfteren in der jap. Gesellschaft abgelehnt, weil sie nicht mehr „japanisch“ genug sind … weil sich ihr Denken verändert hat. Unterhalte Dich mal mit so einem Personenkreis. Oder sprich mal mit Leuten, deren Kinder bereits in der Schule unter ijime leiden, weil sie längere Zeit im Ausland waren, oder noch schlimmer: „half“ sind! Hast Du in Deutschland schon einmal erlebt, dass ein Kind von einer dt. Schule abgelehnt wurde, nur weil es einen ausländischen Nachnamen hatte? Ich denke nicht.
Na ja, ich schliesse mal an dieser Stelle. Das Thema ist einfach so riesengross … uns wird wohl nie mehr bleiben, als immer mal wieder ein paar Funken anzureissen und zu diskutieren. Mehr wird hier zeitlich und vor allen Dingen fachlich nie möglich sein.
Und nur zum Abschluss für’s Protokoll: Nein, ich bin keiner der Frustrierten Heimkehrer ;-)
Und nochmal für Dich Genetix: Ich finde es gut und richtig, wie Du die Dinge derzeit behandelst und es ist schön, dass Du Dich wohlfühlst. Wie ich bereits schon schrieb, es muss nicht zwingend zu den Problemen kommen, die ich vorweg erwähnte. Man kann ebenso jahrelang glücklich und zufrieden, völlig unberührt von der hier erörterten Problematik leben. Es kommt eben nur darauf an, in welchen Bereichen man sich bewegt, bzw. bewegen muss ;-)
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