Egal mit welcher Methode: Wie zählst du die Kanji, die du im Laufe der Zeit wieder ganz oder teilweise vergessen hast, weil sie selten aufgetaucht oder dir gar nicht mehr begegnet sind (was besonders nicht in Japan lebenden Lernenden passiert, aber nicht nur)? Oder die Kanji, die du während des Lesens mal schnell nachgeschaut hast und die du dir aufgrund deiner Erfahrung trotzdem gut merken konntest, also
en passant gelernt hast? Oder die Kanji, die du während des Lesens nicht nachgeschaut hast, um nicht aus dem Lesefluss zu kommen, aber aufgrund deiner Erfahrung trotzdem richtig verstanden, vielleicht sogar richtig gelesen (ja, das geht) und ebenso
en passant gelernt hast?
Wann gilt ein Zeichen überhaupt als "gelernt"? Wenn man sich irgendwann einmal damit beschäftigt hat, obwohl man es aktuell gar nicht mehr aktiv, vielleicht sogar nicht mal mehr passiv im Kopf hat? Oder gilt ein Kanji erst gelernt, wenn man
sämtliche Aspekte (siehe
Kanken) eines Zeichens in und auswendig herbeten und es aktiv schreiben kann? Oder reicht es, wenn man es im täglichen Gebrauch (Bücher, Zeitungen, Internet-Artikel, Reklameschilder, Zusammenhang mit anderen Kanji oder bestimmten Wörtern etc. pp.) einfach wiedererkennt und etwas damit anfangen kann,
obwohl man vielleicht nicht alle Lesungen und Konnotationen eines Kanji beherrscht? Wie zählt man diese vielen Zeichen passiv beherrschten Zeichen?
Nein, ich sehe das wie Kasu: Ab einem gewissen Level weiß man normalerweise nicht mehr, wie viele Zeichen man tatsächlich beherrscht, vielleicht gerade noch, wie viele Zeichen man
einst gelernt hat - oder vielmehr, wie viele sich auf Karteikarten oder Ankidecks (was nichts anderes als elektronische Karteikarten sind) befinden. Diese Zahl gibt aber nur ungefähr wieder, wie viele Zeichen man tatsächlich kennt.
Im Übrigen - tut mir leid, Nephilim - halte ich es für müßig, darüber eine Aussage treffen zu wollen, da die Antwort allenfalls Statistiker und Japanisch-Anfänger, für die anfangs jedes neue Kanji ein Erfolgserlebnis ist (das gibt sich spätestens nach ungefähr 1000 gelernten Kanji...) interessieren dürfte.
Überhaupt tritt diese Frage, je weiter man kommt, in den Hintergrund. "Kanji können" wird gerne oder zumindest von Anfängern mit "Japanisch können" gleich gesetzt, was allerdings ein Trugschluss ist, der sich bei längerer Beschäftigung von selbst auflöst.
Interessanter wäre es in meinen Augen, wie viele
Vokabeln jemand mit einer bestimmten Anzahl Kanji beherrscht und wie weit er damit kommt. Es kommt nämlich gar nicht so sehr auf die Anzahl Kanji, sondern vielmehr auf die Menge und Qualität der Vokabeln an, die man mit diesen Kanji bilden kann und wie man sie einsetzt. Und wie viele Vokabeln man beherrscht kann man ab einem gewissen Level ebenso nicht mehr sicher beantworten.
Wenn ich meinen Weg so betrachte, dann hat sich das Ganze mit den Jahren umgekehrt: Habe ich am Anfang fast nur Kanji gelernt und jedes einzelne Kanji stolz bewundert und gezählt, so lerne ich jetzt fast nur noch Vokabeln und Kanji nur noch im Zusammenhang mit denselben. Kanji sind für mich nur noch Mittel zum Zweck, halt ein "Buchstabe" mehr.
In diesem Zusammenhang finde ich inzwischen, dass das reine Kanji-Lernen überbewertet wird. Meiner Meinung nach ist das eine reine Fleißaufgabe, die jeder mit der Zeit bewältigen kann. Daher stört es mich auch nicht (mehr), dass einige Lehrbücher, wie z. B. Minna no nihongo oder Japanisch für Schüler so wenig davon lehren (jeweils um die 400), im Gegenteil: In beiden Lehrwerken stehen Grammatik und Vokabeln im Vordergrund. Ersteres stellt das Gerüst welches mit letzterem ausgefüllt wird. Anstatt die Erfolge anhand gelernter Kanji zu messen, sollte man lieber möglichst zügig auf eine hohe Anzahl sinnvoller Grammatikformen und Vokabeln kommen. Ich weiß aus eigener, leidvoller Erfahrung, dass man irgendwann ohne Grammatik und Vokabelkenntnisse nicht mehr weiterkommt und vieles nachzuholen hat.