RE: Was hast du heute/gerade neu gelernt?
Ich schreib mal assoziativ runter.
Ein berühmter Westpolitiker hat mal öffentlichkeitswirksam gefragt: „Wo ist denn da die Wende?“ An diesem Satz wird klar, dass der Osten Demokratie nicht verstanden hat, nicht verstanden haben kann, weil er sie nicht erlebt hat und das, was er jetzt seit 20 Jahren hat, Demokratie von Westgeldbeutels Gnaden ist.
Bezogen war diese Frage Schmidts auf Kohls geistig-moralische Wende nach dem Misstrauensvotum vor dem Hintergrund, dass realiter Kohl beachtliche Teile der Politik Brandts fortgesetzt hat, namentlich die Ostpolitik. An ihr können wir sehen, dass der nach außen hin polarisierende Theaterdonner fürs Publikum schon immer und wesensgemäß zur demokratischen Herrschaftsform gehörte, während die inneren Zahnräder in einem ganz anderen Takt liefen. Wenden gab es nie und wird es auch nie geben, es sei denn, man bricht das System, und daran habe wenigstens ich kein Interesse. Möglich, dass Leute, deren Eltern und Großeltern und deren Vorfahren nur Kaiserreich, Hitler und Clownsvolksdemokratie erlebt haben, andere Bedürfnisse haben.
Genauso war Barzel gegen Brandt nicht das, als was man es hochstilisiert mit Wehner gegen Strauß und „damals gab es noch echte Politiker“, sondern die heutige öffentliche Meinung würde Wehners hundert Volten genauso zerreden, wie es die der gegenwärtigen SPD tut; solche Volten gehören aber zum demokratischen Programm; wer sich nicht dreht, geht unter, dann vergeht vielleicht der Parteiname zusammen mit einer überholten Position, aber die pol. Position, die eine wandlungsfähige Partei, um zu überleben, angenommen hätte, ersteht in einer neuen Partei auf; in einer gewissen Weise gibt es da schlicht geschichtliche Notwendigkeiten und Automatismen, die sich einer Wahl, erst recht einer im schnellen Vier-Jahres-Takt entziehen. Wer natürlich glaubt, man kann sich über Westmark in „das“ „funktionierende“ demokratische Powerhouse seiner feuchten Träume einkaufen, der hat da natürlich ein böses Erwachen, weil ihm nicht klar ist, dass demokratische Politik schon immer genau so schmutzig, verlogen, machtorientiert und wendehalsig war, wie sie vorgeblich ja erst seit der Wende geworden sei, weswegen der gemeine Ostdeutsche ja um die Früchte seines ach so mutigen Protests gebracht worden sei (hat er noch mehr Grund, einen inneren Großgroll auf die gemeine Welt zu tragen, die ihm sein Leben gestohlen habe), und dass genau in diesen Zugeständnissen an Betriebsschmieröl ihr Funktionsfähigkeit liegt.
Der große Erhard, 20 Jahre Architekt der westdeutschen Wirtschaft, legt erst mal einen Bauchplatscher hin, wo er selbst am Ruder ist, warum? – Aber klar, noch 1990 ist „die“ BRD das Wirtschaftsparadies, in das man sich hineinzwingen will.
Der Osten hat uns das Genick gebrochen, die späte Rache des Kommunisten, er lebt von unseren Rentenbeiträgen, unseren Steuern und ist selbst nur ein böser parasitärer Zwilling, der jetzt noch dazu ansetzt, unsere Demokratie zu untergraben.
Kunstpause.
Könnte man alles sagen.
Es wäre genauso reflektiert wie die Anwürfe der Wendeschreier gegen das, was nun mal eine pluripolare demokr. Landschaft ist, die wir Gott sei Dank in Gesamtdeutschland haben.
Gegenvorschlag: Wir sind, wie es eben früher, in den 50er, noch 60ern, 70ern schon nicht mehr so deutlich hieß, Brüder und Schwestern eines Volkes, die in einem Land miteinander leben müssen und ihre gemeinsame Geschichte gemeinsam ertragen müssen, schlicht deswegen, weil sie unabänderlich e i n Volk sind.
Also ertragt eine Mehrheitsentscheidung, wenn sie gefallen ist, so wie wir ertragen, dass der Osten, wo er selbstbestimmt ist, die Rechten ins Feld schickt. Die 17 Mio. Herrschaften werden wir schon irgendwie wegverwaltet kriegen; der Osten muss begreifen, dass er nie paritätisch oder sonst etwas war, sondern nur ein mühsames Drittel. Ich warte angesichts der demogr. Entwicklung sehnsüchtig auf eine Reorganisation des Bundesrates, damit der Klamauk mit diesen Zwergländern, die sich allzu wichtig nehmen, mal aufhört. Seid demütig und froh, dass ihr überhaupt Freiheit erleben könnt. Wenn sie euch nicht gefällt, weil ihr die Kehrseiten, die wir in mühsamen Nachkriegsjahren haben erlernen müssen, nicht ertragen könnt, lasst euch von Rechten verunfreien, aber erwartet nicht, dass wir dabei zusehen. Friedensangebot steht übrigens immer noch.
So weit meine 5 Eurocent dazu.
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