RE: Sind Japanischlehrbücher gut?
Zunächst mal: Von den Lehrbüchern, die aktuell auf dem Markt sind, halte ich gar nichts. Das mit Abstand beste ist meiner Meinung nach Genki und selbst das weist erhebliche Mängel auf.
Die Frage, ob Japanisch Lehrbücher gut sind, würde ich also mit einem klaren "Nein!" beantworten.
Wir alle wissen, dass Japaner sehr schlecht Englisch sprechen, obwohl sie es 6 Jahre lang in der Schule lernen. Der Grund dafür ist meiner Meinung nach nicht, dass Japaner dumm sind, sondern dass die Lehrweise überhaupt keinen Sinn macht. Wenn man bedenkt dass die meisten (alle?) Japanisch Lehrbücher von Japanern geschrieben wurden und sie für die Japanisch Lehrbücher die ihnen bekannte Sprachlehrweise verwenden, dann kann da nichts brauchbares herauskommen.
Es gibt eine Menge Dinge, die mich an Japanisch Lehrbüchern stören. Ich fange mal an aufzulisten, wobei die Liste mit Sicherheit nicht vollständig ist, da mir nicht alles spontan einfällt.
1. Die ます-Form wird noch vor der Wörterbuchform gelehrt. Das ist absoluter Schwachsinn und für jeden der vor hat über Touristenniveau hinaus zu lernen früher oder später hinderlich. In allen Sprachen die ich bisher gelernt habe außer Japanisch habe ich immer zuerst die Grundform/Wörterbuchform eines Verbs gelernt. Diese ist nicht umsonst die Grundform, da sie grundlage ist zum flektieren bzw. konjugieren. Wenn ein Ausländer Deutsch lernt wird eines der ersten Sachen, die er lernt, die konjugation von Verben sein. Ich gehe, du gehst, er/sie/es geht, etc. Das ist eine der grundlegendsten Sachen der Deutschen sprachen. Warum wird es andersrum also nicht auch so gemacht? Man kann doch ganz einfach ein Verb, nehmen wir als Beispiel 行く, nehmen und dann in einer der ersten Lektionen erklären wie die Flektion zu 行きます funktioniert. Ein meiner Meinung nach sehr einfacher Schritt der den Lernenden in Bezug auf Sprachverständnis hilft.
(Anmerkung: In Genki wird genau so vorgegangen wie von mir beschrieben. Ich kenne aber kein anderes Lehrbuch, dass auch so vorgeht)
2. Die Dialoge in Lehrbüchern sind viel zu weltfremd. Ich habe z.B. noch nie einen Dialog mit 上下関係 gelesen. 95% aller Dialoge sind pur in ます-Form, die restlichen 5% in 敬語 oder ため口. Niemals aber wird darauf hingewiesen, dass man nicht immer auf der gleichen Sprachebene reden muss wie der Gesprächspartner.
3. Es wird viel zu wenig Wert auf das Wot "Ich" gelegt. Wer von uns hier kennt 私? Vermutlich jeder. Aber wie siehts mit z.B. 俺 aus? Von dem Leuten hier aus dem Forum kennt es wohl auch fast jeder. Der durchschnittliche Japanisch Lernende wird aber in seiner gesamten Laufbahn wohl nie etwas davon hören. Und das obwohl dieses Wort absolut gebräuchlich ist. Selbst wenn Lehrbücher mal andere Wörter als 私 für "Ich" erwähnen sollten, dann kommen sie viel zu kurz. Es ist unmöglich mit den aktuellen Lehrbüchern die Unterschiede der verschiedenen Ich-Wörter zu verstehen. Deshalb benutzen auch 99% der Lernenden immer 私. Auch in Situationen, in denen es nicht angebracht ist. Aber sie wissen es eben nicht besser.
4. Grammatikerklärungen sind oftmals keine Erklärungen. Meistens sind es mehr sowas wie Formelsammlungen. "Wenn du x sagen willst, dann benutz Formel y". So sehen Grammatik"erlärungen" oftmals aus. Auf Verständnis wird keinen Wert gelegt, wobei doch genau das wichtig ist.
(Auch in dieser Hinsicht ist meiner Meinung nach Genki besser als andere Lehrbücher)
5. Nochmal zur ます-Form: Es muss nicht immer alles in ます-Form sein! Man kann auch in mehr als einer Lektion mal Umgangssprache erwähnen. Man kann die beiden, wie oben schon erwähnt, auch verbinden! Man kann nicht nur, das ist sogar absolut gang und gebe in Japan!
6. Wie bereits erwähnt: Alles ist viel zu weit entfernt von der Sprachrealität. Wer alles in seinem Lehrbuch versteht wird trotzdem nicht viel in Japan verstehen. Der Inhalt in Lehrbüchern muss viel Näher an "echtes" Japanisch angenähert werden!
Ich mach hier mal einen Schlussstrich. Wenn ich noch weiter nachdenke fällt mich sicherlich mehr ein.
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