RE: "Schuld" - Vergangenheitsbewältigung
Anarchy hatte ein paar Posts vorher Nora gefragt, ob es ihr recht sei, wenn Ihr dieses Thema hier diskutiert. Wegen Computerproblemen ist sie zur Zeit nicht im Forum aktiv, daher antworte ich.
Wir können über dieses Thema gerne diskutieren. Es sollte aber allen (ohne Namen nennen zu wollen) klar sein, daß es ein sehr komplexes und emotionales Thema ist. Ich möchte daher die Regeln hier etwas verschärfen und zu absoluter Sachlichkeit aufrufen.
Von wem auch immer der Beitrag " zumal aus allem, was Anarchy sonst noch zu dem Thema zu schreiben hat, ganz klar zu erkennen ist, wessen Geistes Kind er ist." stammen mag, er möge so bitte nicht weitermachen. Zum einen finde ich es immer höchst erstaunlich, wie es Einigen immer wieder gelingt, aus ein paar Zeilen sofort die Perönlichkeit, Bildung, das soziale Umfeld und die Lieblingsfarbe des Autors herauszulesen. Zum anderen hilft das nicht, das Problem "Schuld an Verbrechens des Zweiten Weltkrieges" zu erfassen.
Dies hier ist das Internet. Wir wissen nichts voneinander. Spekulationen lassen wir daher bitte bleiben.
Inhaltlich gesehen scheint sich die Diskussion hier momentan an einigen Aussagen im Thema "Trostfrauen" zu entzünden. Wenn ich Anarchy recht verstanden habe, geht es ihm darum, ob die japanische Regierung (oder das militärische Oberkommando) dies explizit angeordnet hat oder nicht. Daß Frauen in den besetzten Gebieten in Freudenhäuser gepresst wurden, ist, soviel ich verstanden habe, nicht die Frage.
Zwar stimmt es, wenn naruhodo schreibt, daß Holocaustleugner ähnlich argumentieren. Es gibt aber einen Unterschied. Holocaustleugner sagen "wo ist der konkrete Befehl? Wenn er nicht da ist, gab es auch keinen Holocaust". Anarchy stellt zwar auch die Frage nach dem Befehl, es geht ihm aber um das Ausmaß der Schuld, der Verwicklungen und Verantwortung (korrigiere mich bitte, wenn ich falsch liege). Holocaustleugner beziehen die Folgen ihrer Argumente auf die Vergangenheit, Anarchy auf die Gegenwart.
Weiterhin finde ich den Begriff "Holocaust" hier unangebracht. Bei den Trostfrauen geht es um, gewiss unmenschliche und grausame, Unterdrückung der unterworfenen Bevölkerung, nicht aber um deren geplante Auslöschung.
Menschen zu unterdrücken, sie ihrer Würde zu berauben, ist schlimm. Es kann nicht gerechtfertigt werden. Es ist ein Verbrechen. Ein Kriegsverbrechen. Da es ein Verbrechen ist, hat die Frage, wer den Befehl dafür gab, wer alles davon wußte eine gewisse Berechtigung.
Für mich persönlich, der ich Krieg ganz allgemein für ein Verbrechen halte, ist sie allerdings sekundär. Denn im Krieg kommt so etwas immer vor. Wenn man Menschen dazu trainiert, sich höher zu fühlen als andere Menschen (anders wäre die Besetzung eines Landes nicht möglich), wenn man sie die Gewalt lehrt (anders wäre Krieg nicht möglich), ist der Keim gesäht, aus dem grausames und unterdückerisches Verhalten hervorgeht. Eine Regierung und ein militärisches Oberkommando weiß so etwas.
Mag sein, daß nie jemand den exakten Befehl dafür gegeben hat. Es hat allerdings auch keiner ein Verbot ausgesprochen.
Was bedeutet das aber für die Schuld? Für die Schuld "der Japaner" oder des einzelnen Japaners?
Das ist schwer.
Einzelne Menschen haben Verbrechen begangen. Manche aus "niederen Motiven" (wie es im Stargesetzbuch heißt), manche vielleicht auch nur, weil sie Angst hatten, was ihnen passiert, wenn sie nicht mitmachen. Andere wiederum haben stillschweigend gebilligt. Und irgend so ein qualliges Objekt namens "Regierung" hat auch eine Rolle gespielt.
Ich möchte nicht entscheiden müssen, wer wieviel Schuld für wie lange zu tragen haben wird. Aber eigentlich ist das, meiner Meinung nach, auch nicht so wichtig. Wichtiger wäre, etwas dafür zu tun, das so etwas nicht mehr passiert. Wichtig wäre auch, zu helfen, wo es geht. Geheilte Wunden brechen nicht so leicht wieder auf.
Aber auch das Heilen ist eine schwierige Kunst.
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 13.05.04 17:04 von Ma-kun.)
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