(16.03.09 15:31)adv schrieb: Im Prinzip finde ich diesen Weg des Lernen für mich
besser, als sich Geschichten auszudenken, die mit
den Zeichen nichts wirklich zu tun haben.
Aus gedächtnispsychologischer Sicht würde ich sagen, das hängt davon ab, inwieweit du dich für die tatsächliche Ethymologie interessierst und wie kompliziert sie ist bzw. inwieweit sie noch nachvollziehbar ist. Interesse dafür hilft in jedem Fall. Aber häufig ist sie etwas kompliziert.
Ein schönes Buch für diesen Weg ist das von Henshall. Eine Rezension dazu und zu vielen anderen interessanten Büchern findest du hier:
http://www.kanjiclinic.com/reviewhenshall2.htm
Ich habe mal in einer Vertretungsstunde im Japanischunterricht an der Uni Erfurt Henshall, Heisig und Kanji ABC an die Studenten ausgeteilt und wir haben die Kanji nachgeschlagen, die sie gerade lernen mussten. Dann haben wir die Informationen ausgetauscht.
Wenn ich mich richtig erinnere, haben wir mit dem Kanji ABC angefangen, weil dort keine Geschichten vorgegeben werden, und haben versucht, uns welche auszudenken. Dann haben wir bei Heisig nachgeschaut und zum Schluß bei Henshall.
Bei manchen Zeichen waren die Stundenten mit ihren eigenen Geschichten ziemlich nah an der Ethymologie, z.B. bei Schnee: Regen, den man wegkehren kann. Oder bei Verkaufen: ein Samurei mit einer Decke über den Beinen, der etwas verkaufen möchte.
Bzw. halt: das oben habe ich aus der Erinnerung geschrieben und eben habe ich nochmal bei Henshall nachgeschaut. Die wahre Geschichte zu "verkaufen" ist etwas komplizierter, es sind Varianten von "kaufen" und "heraus geben" und ich kann sie nicht einfach wiedergeben ohne die Möglichkeit zu zeichnen. Henshall schlägt am Ende der Passage vor, sich das Zeichen zu merken als "Samurai stands behind counter selling".
Und das ist im Prinzip das, was Heisig und Kanji ABC auch tun. Nur dass Heisig noch ausführliche Anleitungen dazu gibt, wie man sich Geschichten ausdenkt, die man sich gut merken kann, und das Kanji ABC das dem Lerner überläßt. Die Henshall Eselsbrücken finde ich persönlich nicht immer gut zu merken, obwohl sie so dicht wie möglich an der Ethymologie sind.
Es ist ein bisschen wie die Geschichten mit dem Klapperstorch, sie vereinfacht vieles, was zunächst zu kompliziert zu erklären ist. Wobei witzige Geschichten zu Kanji vermutlich weiter helfen im Leben, als der Klapperstorch. Man kann es auch mit den Begriffen Honne und Tatemae beschreiben: die wahre Geschichte ist meist kompliziert (honne), Eselsbrücken orientieren sich an dem, was sichtbar ist an der heutigen Form der Zeichen, und erlauben, sie in einer sozial akzeptablen Zeit zu lernen (tatemae).
Oder doch nicht sozial akzeptabel, weil zu schnell? Und weil man sich in manchen Kreisen dem gleichen Hohn aussetzt, wie wenn man noch an den Klapperstorch glaubt. Wer nicht wird wie ein Kind, wird die Kanji vermutlich nicht sehr schnell lernen.
Aber der eine Student, der Henshall in den Händen hatte, war begeistert, und ich hätte ihm deshalb nie Heisig oder Kanji ABC aufdrängen wollen. Denn letztendlich lernt man das am mühelosesten, was einen interessiert und was einem Spaß macht.