Wolfgang Hadamitzky – Kanji und Kana
Mit der Veröffentlichung der Neuauflage von „Kanji und Kana“ von Wolfgang Hadamitzky, möchte ich im Folgenden eine kleine Rezension dazu verfassen. Ich werde meine Rezension zweiteilen, im ersten Teil für Neulinge, im zweiten Teil dann für „Umsteiger“.
Also nun zum einen für
Neueinsteiger. Ich werde mich hier vor allem auch auf meine Erfahrung mit der zweiten Auflage von 1995 (Also die von Langenscheidt) stützen, welche ich schon seit ca. 7 Jahren in Verwendung habe.
Wozu dient dieses Buch überhaupt, bzw. was genau bietet es? Wie der Titel schon sagt, ist es eine Einführung in die japanische Schrift. Im Buch werden zum einen die beiden japanischen Silbenschriften Hiragana und Katakana, welche für die meisten Leute den Einstieg in die japanische Schrift darstellen, erläutert. Da diese relativ simpel sind, ist auch das dementsprechende Kapitel eher kurz, allerdings trotzdem sehr aussagekräftig. Es werden Strichfolgen zu den einzelnen Kana genannt, und wahrscheinlich das Wichtigste in diesem Bereich, die verschiedenen Anwendungsszenarien. Dies sind dann z.B. die einfachen Regeln, dass Katakana für Fremd- und Tierwörter gebraucht werden oder Hiragana für Okurigana. Besonders für einen Anfänger ist diese Beschreibung sehr hilfreich, um überhaupt zu verstehen, wann was benutzt wird. Weiterhin wird auch auf die Umschrift und andere kleine Besonderheiten eingegangen.
Für mich persönlich sehr hilfreich finde ich im Einführungstext auch die Beschreibungen zur japanischen Zeichensetzung, wie z.B.
Maru (。),
Kagikakko (「」) usw. Im Gegensatz zu der Kana-Verwendung wird dies nämlich fast nie in Japanischlehrbüchern beschrieben, so dass
Kanji und Kana hier eine Lücke schließt. Für den Anfänger ist allerdings der gehobene Schwierigkeitsgrad der Beispielsätze schon etwas gewöhnungsbedürftig.
Der Hauptteil (und praktisch 90% des Umfanges) des Buches machen allerdings die chinesischen Schriftzeichen, die Kanji, aus. Praktisch für jeden Japanischlernenden sind diese Zeichen zu Beginn ein Buch mit sieben Siegeln, und
Kanji und Kana versucht, dabei zu helfen.
Zu Beginn werden einige grundlegende Informationen und Schreibregeln über die Kanji gegeben, später dann in einer langen Auflistung detailliert jedes Kanji erklärt, mit Strichfolge in einer kalligraphisch ansprechenden Schrift, Lesung, Komposita und handschriftlicher Schreibweise.
Man könnte nun natürlich auch sagen, dass
Kanji und Kana im Grunde nichts weiter als ein Wörterbuch ist. Zu jedem der 2136 wichtigsten Kanji (der Jōyō-Kanji) wird nur das beschrieben, was man auch im Wörterbuch finden kann – eben die Strichfolge, die Lesungen und Komposita. Was genau macht aber nun den Vorteil des Buches aus? Dies ist meiner Meinung nach vor allem der didaktische Ansatz. Anders als im Wörterbuch werden die Zeichen eben nicht nach einem festen System geordnet (z.B. nach alphabetischer Lesung, nach Strichzahl oder nach Radikal), sondern vor allem grob nach der Häufigkeit und der besten Lernreihenfolge. Kanji, die sich in Teilen ähneln, oder die, die aufeinander aufbauen, werden dabei oft gruppiert behandelt: 示, 宗, 祭, 際, 察 (Nr. 625–629). Dadurch wird man nicht durch die „alle gleich aussehenden Zeichen“ verwirrt. Ein ganz wichtiger zusätzlicher Punkt ist die „Simplizität“ des Buches. Anders als in einem richtigen Wörterbuch (Man könnte da beispielsweise das „große“ Wörterbuch von Wolfgang Hadamitzky, das
Großwörterbuch Japanisch-Deutsch, nennen), werden die Informationen gezielt reduziert, um den Leser nicht zu überfordern. Das geschieht zum einen mit der Zahl der Kanji an sich (auch wenn 2136 viel erscheint, sind dies natürlich immer noch wesentlich weniger als 3000 oder 4000 Stück, die man eventuell auch lernen könnte), als auch der Lesungen. Wichtig ist auch, dass zu jedem Kanji nur maximal 5 Komposita erscheinen, welche auch nur mit bereits erwähnten Zeichen gebildet werden. Diese „Reduzierung“ des Inhalts führt dazu, dass der Lerner dieses Buch sowohl „von vorne“ nutzen kann, als auch als Nachschlagewerk, allerdings niemals von den Informationen erschlagen wird.
Schließlich endet das Buch mit mehreren Indizes, d.h. der Suche nach der Lesung, der Gesamtstrichzahl oder nach einem Radikal. Zu erwähnen ist noch, dass der Autor auf seiner
Homepage auch einige ergänzende Lernhilfen, wie
Übungsblätter zum Schreiben, bereitstellt.
Was ist dieses Buch nun allerdings nicht? Es ist
kein normales Wörterbuch und auch kein normales Lehrbuch. Entgegen dem Empfinden vieler Anfänger ist Japanisch keine Sprache, die nur aus Kanji besteht. Viele Wörter werden nur mit Hiragana/Katakana geschrieben, es gibt Redewendungen, Sprichwörter und grammatikalische Konstruktionen. Bei all diesen Sachen wird
Kanji und Kana nicht helfen.
Kanji und Kana kann daher niemals ein normales Lehrbuch ersetzen, sondern sollte stets in Kombination mit diesem verwendet werden.
Zu den Umsteigern:
Die größte Änderung im Buch ist natürlich der Umfang der Zeichen. In der vorherigen Auflage gab es 1945 Kanji. Dieser Umfang reichte aber in vielen Fällen nicht für den normalen Schriftgebrauch aus, so dass 2010 die japanische Regierung die Liste der Jōyō-Kanji auf 2136 erweiterte (Nachzulesen z.B. bei diesem Artikel in der
Japan Times). Da
Kanji und Kana eben genau diese Liste abdeckt, musste auch eine Neuauflage her. Es wurden allerdings 5 Zeichen aus der Liste gestrichen, im Buch werden diese aber zusätzlich aufgeführt. Das hat auch zur Folge, dass die Nummerierung von dem vorherigen Band abweicht, was sich z.B. auch in Verbindung mit dem „Großwörterbuch Japanisch-Deutsch“ bemerkbar macht. Abgesehen davon ist das Buch allerdings im Aufbau ziemlich gleich geblieben. Es sind allerdings einige Änderungen im Detail zu finden.
Es fällt vor allem auf, dass die Jinmeiyō-Kanji gestrichen wurden. Diese waren allerdings schon in der vorherigen Auflage nicht mehr auf der Höhe der Zeit, da sie nur 284 der insgesamt über 900 Jinmeiyō-Kanji ausmachten. Die Liste wird ständig aktualisiert, so dass dieses Buch im Grunde ständig veraltet wäre. Außerdem zeigten die vorherigen Jinmeiyō-Kanji nur die Lesungen, was mich oft ein wenig an der Nützlichkeit dieses Teils zweifeln ließ. Von daher bin ich persönlich nicht traurig, dass diese Liste gestrichen wurde.
Ein kleineres Detail ist die Veränderung der Schrift. In der vorherigen Auflage waren die Zeichen wohl tatsächlich noch per Hand geschrieben worden (so sieht es zumindest). In den damals neu hinzugekommenen Zeichen der zweiten Auflage konnte man dann auch teilweise sehen, dass die wohl jemand anders geschrieben hat, z.B. bei der damaligen Nummer 1904 錘. Jetzt ist für das gesamte Buch eine am Computer erstellte Strichfolgen-Schriftart benutzt worden, so dass alles wie aus einem Guss, und auch etwas klarer aussieht. Vielleicht gibt es aber einige, die den alten, etwas „warmen“ Stil vermissen. Im direkten Vergleich fällt dies stark auf, aber ich muss persönlich sagen, dass mir der neue Stil, nach einer kleinen Umgewöhnungsphase, doch etwas besser gefällt. Es sieht einfach klarer aus, und besonders bei komplizierten Zeichen lässt sich die Strichfolge nun einfacher lesen. Ansonsten wurden noch einige andere Details verändert, z.B. die Umstellung auf eine serifenlose Schrift im deutschen Text (Wahrscheinlich weil serifenlos heutzutage moderner wirkt). Das muss jeder für sich entscheiden, jetzt sieht der Text aber ein wenig „luftiger“ aus. Außerdem ist die Angabe dieses Sunrise Kanjibank gestrichen worden – Ich wusste schon damals nicht, was das ist. Wahrscheinlich ein Programm aus den 90ern.
Auch ist nun der Einband anders. Ich empfand den alten Einband nicht unbedingt schlecht, auch nach 7 Jahren ist noch keine Seite herausgefallen, und es war ziemlich stabil geklebt. Das einzige Problem war, dass sich das Buch immer wieder selbst zuklappte. Im neuen Buch ist dies aber nicht mehr der Fall (zumindest, wenn man in der Mitte des Buches arbeitet). Es ist immer noch ein Softcover, aber der Einband ist nun doch anders – ohne es lange zu erklären, hänge ich am besten direkt ein Foto an. Ich kann allerdings jetzt noch nicht sagen, ob dieser Einband auch so lange halten wird wie der von Langenscheidt.
Fazit:
Ich persönlich kann das Buch jedem Anfänger empfehlen. Es bietet meiner Meinung nach die systematischste Einführung in die japanische Schrift. Natürlich werden in fast allen Lehrbüchern die Kanji eingeführt, der Lehrer wird sie erklären und auch aus anderen Quellen bekommt man die meisten Informationen.
Kanji und Kana bündelt aber praktisch alle Informationen, und zeigt sie vor allem sortiert. Der Hauptteil des Buches, die Übersicht über die Kanji, lässt sich wunderbar als Nachschlagewerk betrachten, falls man bei seinen Studien auf ein neues Kanji trifft. Selbst später benutze ich dieses Buch immer noch (wenn auch natürlich nicht so sehr wie zu Beginn).
Für Umsteiger würde ich allerdings nur bedingt eine Kaufempfehlung ausgeben. Das Buch ist nun wesentlich frischer und sieht auch etwas klarer aus, aber der Großteil hat sich praktisch nicht verändert. Die nun neu dazu gekommenen Kanji sind natürlich vor allem eher seltene Zeichen (sonst wären sie auch schon vorher enthalten gewesen), wenn auch mit einigen Ausnahmen wie z.B. 誰. In den meisten Fällen ist es aber wahrscheinlich nicht mehr notwendig, diese Zeichen so systematisch zu lernen, da sie nur für höhere Semester notwendig sind. Ansonsten ist das Buch aber genau das, als was es auch beworben wird: Eine Neuauflage. Wem dies 30€ wert sind, der kann allerdings beruhigt zuschlagen (Wahrscheinlich bietet diese Neuauflage doch wesentlich mehr als andere Neuauflagen).
Der Autor bietet übrigens nun auch eine kleine Einführung in die verschiedenen Zeichenformen, d.h. wie sich die Kanji in manchen Schriftarten oder auch in der Handschrift verändert haben. Als ich diesen Teil las, hätte ich mir genau in dem Punkt doch eine etwas ausführlichere Beschreibung gewünscht. Hier hätte der Autor z.B. besonders auf die kursivere Handschrift eingehen können, d.h. wie manche Zeichen regelmäßig abgekürzt werden (z.B. 第 oder 門). Dies tut er zwar auch ganz kurz (auch schon in der vorherigen Auflage), allerdings nicht so systematisch, als dass es sich zum Lernen eignet. Ich finde, ein derartiges Kapitel hätte noch einen kleinen Pluspunkt für das Buch gegeben, um es noch zusätzlich von anderen Wörterbüchern abzugrenzen.
Negativ ist mir allerdings aufgefallen, dass viele der „neuen“ Zeichen sich in der vorgeschlagenen Schreibweise von den „alten“ Zeichen unterscheiden. Beispielsweise wird Nr. 2067 遜 im Buch mit zwei Punkten im Radikal geschrieben. Normalerweise wird dieses Radikal in den anderen Jōyō-Kanji allerdings nur mit einem Punkt geschrieben. Ein weiteres Beispiel wäre Nr. 1932 箸, dessen Schreibweise sich von 者 unterscheidet. Die neuen Jōyō-Kanji sind zwar in diesen Fällen flexibel, d.h. oft sind beide Schreibweisen sind erlaubt. Für den Lerner ist es allerdings nicht unmittelbar ersichtlich, wieso die Schreibweise bei einigen Zeichen abweicht (Teilweise sogar innerhalb eines Eintrages, z.B. die Strichfolgen-Angabe und bei den Komposita). Hier wäre eventuell etwas mehr Konsistenz wünschenswert, so dass die Schreibweise innerhalb des Buches grundsätzlich gleich ist. Es kann allerdings gut sein, dass im Buch die allgemein gebräuchliche Form benutzt wird, das kann ich allerdings mangels Fachkenntnissen nicht beurteilen.
Hadamitzky, Wolfgang
Kanji und Kana
Die Welt der japanischen Schrift in einem Band
LERNBUCH UND LEXIKON
2012 · ISBN 978-3-86205-087-1 · 424 S., kt. · EUR 29,80