So, guten Morgen allerseits!
@Joachim(falls Du das überhaupt noch liest): Lass Dich nicht verwirren, Deine Frage dürfte durch meine erste Antwort hinreichend korrekt beantwortet sein, alles weitere ist Vertiefung, die Vokabel "Mensch" betreffend. Du hast uns ein unerschöpfliches Thema zugespielt
----------------------------------------------------------------------------------------------------
Zitat: Hochinteressant. Das erklärt so einiges.
Das war keineswegs ironisch von mir gemeint. Ich wollte die Bemerkungen von bikkuri unterstreichen. Immer da, wo sich Begriffe nicht 1:1 übersetzen lassen, wird das Fremdsprachenlernen erst so richtig spannend.
"Mensch" und 人間 にんげん "ningen" sind in der Tat nicht kongruent.
Unsere abendländische Kultur stellt, wie bikkuri sehr richtig bemerkt hat den Menschen als Subjekt ins Zentrum des Denkens. Spontan fiel mir gleich dieses Zitat aus der "Zauberflöte" ein, das zeigt, wieviel Wert das damalige sogenannte Zeitalter der Aufklärung dem "Mensch-sein" zumisst.
"Die Würde des Menschen ist unantastbar." (Artikel 1 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland)
Versucht einmal diesen Satz eimem Japaner/einer Japanerin zu erklären! Was ist das überhaupt, die
Würde des Menschen ? Ihr werdet Eure liebe Not haben. Dabei steht bestimmt in der japanischen Verfassung nach dem 2.Weltkrieg ein ähnlicher Satz vorneweg. Aber wenn, dann ist das wahrscheinlich auf amerikanischen Einfluss zurückzuführen. Das heißt auch hier wäre mal wieder das westliche Konzept von "human (rights)" auf japanisches Denken aufgepfropft worden.
Dieses "anthro-zentrische" Denken bei uns hat eine lange Tradition. Protagoras geht in seinem "Homo-mensura" Satz davon aus, dass der Mensch das Maß der Dinge ist. In der christlichen Religion kommt Gott persönlich als Mensch zu uns herab. Und er stirbt unter großer Passion als Mensch. "Ecce homo" (Pilatus). Die Renessaince stellt dann den Menschen noch mehr in den Mittelpunkt, mit der Aufklärung fängt der Mensch an, sich von der Religion abzunabeln. Mit der Industrialisierung versucht der Mensch sich die Natur Untertan zu machen. Bei Nietzsche schließlich wird der Mensch selbst zu Gott.
Das alles bleibt aus japanischer Sicht bis heute etwas fremdartig. Aus dieser unterschiedlichen Betrachtungsweise des "Menschen" entspringen zahlreiche große und kleine Missverständnisse zwischen Japanern und Deutschen.
Den japanischen 人間-Begriff kann ich historisch nicht herleiten, aber zumindest im Zen-Buddhismus ist doch das Ideal des Menschen, sich ins "Nichts" (auch dieser Begriff ist natürlich nicht kongruent zu übersetzen) aufzulösen. Das widerspricht unserem westlichen Selbstverwirklichungsideal doch sehr. Auch bei Konfuzius, der großen Einfluss auf japanisches Denken bis heute hat, ist der Mensch nur etwas wert, wenn er das Gemeinwohl über sein eigenes stellt.
人間, das ist anscheinend tatsächlich immer der "Mensch" im sozialen Raum. Nicht das Individuum.