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Konstruktion der Verben "befehlen, verbieten..."
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Ioscius


Beiträge: 92
Beitrag #1
Konstruktion der Verben "befehlen, verbieten..."
Hallo,

wenn ich mich kurz vorstellen darf: Ich bin ein 23-jähriger Student, der Latein und Altgriechisch studiert. Da mich Sprachen schon seit vielen Jahren interessieren und ich seit der Kindheit gegenüber der japanischen Sprache eine große Sympathie hege (bin ein großer Fan der Firma Nintendo: Mario/ Pokemon hoho ), habe ich mich vor einer Woche entschlossen, in den Semesterferien etwas Japanisch zu lernen.
Ich lerne derzeit die Hiragana-Schrift mit der Heisig-Methode. Ihr könnt meine Frage also gerne in Rōmaji beantworten zwinker

Nun ist es aber so, dass ich sprachlich derart interessiert bin, dass ich vier grammatische Fragen im Voraus habe, die mir für's Praktische wenig bringen, da ich ja erst einmal einfache Satzstrukturen lernen will. Um meinen sprachwissenschfatlichen Wissensdurst zu befriedigen, möchte jetzt die wichtigste und umfangreichste Frage stellen, um einfach einen interessanten Vergleich der japanischen Sprache gegenüber dem Deutschen bzw. den Altsprachen zu. Also keine Sorge: Ich bin nach den Fragen wieder vernünftig und werde wieder das Alphabet lernen!
Ich will die Frage unter folgendes Leitmotiv stellen: Stellen sich den Lernenden der japanischen Sprache auch derartige Fragen oder ist die Grammatik in dieser Hinsicht einfacher?
Da der erste Fragenkomplex aber dreimal so groß ist wie die anderen drei Fragen zusammen, möchte ich die restlichen kleinen Fragen nur stellen, wenn solche mühseligen (vielleicht auch unnötigen?) Fragestellungen im Forum hier erwünscht sind.

Um so verständlich wie möglich zu sein, teile ich die Aspekte in sechs sehr kleine Bereiche. Es handelt sich bei meiner Frage um die Konstruktion der Verben des Befehlens (lateinisch: Verba iubendi; befehlen/ verbieten/ (ver)hindern, zwingen).

1. Diese sind besonders interessant, weil sie sowohl nominal als auch mit Infinitiv konstruiert werden können (im Japanischen genauso?):

Ich erlaube/ verbiete dir das . Ich hindere dich daran.
Ich erlaube/ verbiete dir, ein Buch zu lesen. Ich hindere dich daran/ zwinge dich, ein Buch zu lesen.


2. Diese Verben können sowohl mit, als auch ohne den Adressaten (seltener) stehen . (Ich befehle dir das./ Ich befehle das.).
Interessant dabei ist, dass im Deutschen der Adressat des Befehls/ Verbots einerseits mit Dativ (bei befehlen/ verbieten), andererseits mit Akkusativ (hindern, zwingen) angegeben wird (im Lat. alle mit Akkusativ - wie sieht das im Japanischen aus?)

Ich befehle/ verbiete Dir, ein Buch zu lesen.
Ich zwinge dich ein Buch zu lesen./ Ich hindere dich daran, ein Buch zu lesen.
(Te iubeo/ veto/ prohibeo/ cogo librum legere.)


3. Daraus resultiert, dass im Passiv die Verben im Deutschen je nach Verb unpersönlich oder persönlich, im Lateinischen immer persönlich konstruiert werden - wie sieht es im Japanischen aus?:

Mir wird erlaubt verboten, das Buch zu lesen.
Ich werde gehindert/ gezwungen, ein Buch zu lesen.
(lat. immer iubeor/ vetor/ prohibeor cogor librum legere)

4. Wir kehren zurück ins Aktiv: Wenn im Lateinischen der Adressat des Befehls/ Verbots nicht genannt ist, steht i. d. R. der Infintiv im Passiv (also "Ich befehle, dass ein Buch gelesen wird" statt "ich befehle, ein Buch zu lesen" (wie im Japanischen?)

5. Wenn man sich im Deutschen des Aktivs bedient und dabei anstelle der "zu"-Konstruktion den Infinitiv substantiviert, steht die Ergänzung des Infinitivs im Genitiv (Verb als Verbalsubstantiv): "Ich verbiete das Lesen des Buches" statt "ich verbiete, das Buch zu lesen (wie im Japanischen?)

6. Darüber hinaus: Wie wird den förmlich in Gesetzestexten "Es ist verboten, ..." formuliert bzw. auf Schildern Ausdrücke wie "Betreten verboten!"?

Haltet mich bitte nicht für verrückt, ich finde solche Fragestellungen einfach total interessant hoho
Nun schon mal vielen Dank, wer sich die Mühe macht, diesen Post durchzulesen. grins
29.07.14 10:50
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Ginko


Beiträge: 14
Beitrag #2
RE: Konstruktion der Verben "befehlen, verbieten..."
Die meisten deiner Fragen lassen sich sehr einfach beantworten: Im Japanischen existiert kein Kasus (Deklination gibt es übrigens auch nicht). Stattdessen gibt es Partikel, die u.A. die Funktion haben, Beziehungen zwischen Wörtern herzustellen. In einigen Grammatiken werden Partikel zwar mit Kasus in Verbindung gebracht (を (wo) = Akkusativpartikel od. の (no) = Genitivpartikel), allerdings sind diese Bezeichnungen nicht allzu passend, da Partikel auch viele andere Funktionen (wie z.B. die der Präpositionen im Deutschen) erfüllen. Ein Vergleich (ganz besonders ein so spezieller, wie du ihn haben möchtest), ist daher leider nicht möglich.

Man muss halt bedenken, dass Japanisch (im großen Gegensatz zu europäischen Sprachen bzw. Sprachfamilien) mehr od. weniger eine isolierte Sprache ist (eine Verwandtschaft zum Koreanischen, kann bis heute nicht nachgeweisen werden). Das Resultat ist dementsprechend, dass viele grammatische Eigenheiten eben wortwörtliche Eigenheiten sind, die man außerhalb der japanischen Sprache nur vereinzelt (und ohne Relation) in anderen Sprachen antrifft. Konkrete Vergleiche sind daher selten möglich, da die notwendigen Parallelen einfach nicht existieren.

Ein Verbot (auf Schildern o.Ä.) wird mit ... は禁止です (Nomen bzw. nominalisiertes Verb + ha kinshi desu) oder ... はいけません (Verb in te-Form + ha ikemasen) formuliert.

Fragen wie diese, sind übrigens immer wilkommen. zwinker
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 29.07.14 12:20 von Ginko.)
29.07.14 12:18
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Ioscius


Beiträge: 92
Beitrag #3
RE: Konstruktion der Verben "befehlen, verbieten..."
Erst einmal vielen Dank für Deine sehr schnelle Antwort!
Wenn ich mich in ein paar Wochen in das Japanische eingearbeitet habe, werde ich auf jeden Fall hierauf antworten und erneut zu fragen hoho

Aber mit meinem jetzigen Wissensstand bin ich nicht einmal fähig, das Wort "Verbot" in Kanji zu schreiben - und ich frage mich, ob die Schreibform
きんし nur ungebräuchlich (vielleicht im Zeitalter der PC's weniger) oder gar "falsch" ist.


Da man eine Sprache besser lernt, je mehr man sie nutzt, möchte ich in ein- bis zwei Wochen schon damit Anfangen, in sehr einfachen Sätzen mit euch im Forum zu kommunizieren. Das Subforum Forum-Übungen würde sich dafür eignen, oder?

Liebe Grüße
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 29.07.14 13:55 von Ioscius.)
29.07.14 13:54
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Woa de Lodela


Beiträge: 1.539
Beitrag #4
RE: Konstruktion der Verben "befehlen, verbieten..."
(29.07.14 12:18)Ginko schrieb:  Stattdessen gibt es Partikel,

Partikeln (die Partikel (Sg.), die Partikeln (Pl.))
29.07.14 14:01
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Nia


Beiträge: 3.793
Beitrag #5
RE: Konstruktion der Verben "befehlen, verbieten..."
Mag sein Woa, aber das klingt schrecklich.
Aber für dich klingt es falsch wahrscheinlich schrecklich...

Ich entschuldige mich also schon mal vorab dafür, dass ich vermutlich nie die richtige Plural für Partikel verwenden werde. Vielleicht habe ich das ja auch schon mal getan, mich dafür entschuldigt. *unsicher*

@Threadersteller: Klar kannst du Fragen posten und erscheinen sie dir noch so dumm. Gerade hier kommt man dann zwar oftmals weg von der eigentlichen Fragestellung gerät aber dann an Aspekte, die man überhaupt nicht im Sinn hatte, als man die Frage stellte.
Kann sehr aufschlussreich/lehrreich sein.

“A poet is a musician who can't sing.”
― Patrick Rothfuss, The Name of the Wind
29.07.14 19:56
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Yano


Beiträge: 2.920
Beitrag #6
RE: Konstruktion der Verben "befehlen, verbieten..."
Japanische Verbote sind häufiger Nomen als deutsche Verbote, weil es keinen Infinitiv gibt. Japanisch mag nicht so gerne personalisieren. Deine Personalisierungsbeispiele sind aber schon im Deutschen nicht mehr gut idiomatisch.
"Ich verbiete dir dieses Buch zu lesen" würde man im Japanischen umformulieren: "Dieses Buch zu lesen, das geht garnicht!" ohne ich und du.
29.07.14 22:36
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Konstruktion der Verben "befehlen, verbieten..."
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