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Knabe, Tor und Feinde
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Hendrik Felber


Beiträge: 30
Beitrag #1
Knabe, Tor und Feinde
男子門を出づれば百萬の敵あり。
Wenn ein Knabe durch das Tor hinausgeht, hat er hundertmal zehntausend Feinde.

Hallo Forum,

stimmt die deutsche Übersetzung für diesen Satz? Oder gibt es eventuell noch andere Übersetzungs-/Deutungsvarianten? Wäre es eventuell möglich zu übersetzen: "...macht er sich hundertmal zehntausend Feinde" ?

Danke im Voraus für eure Hilfe.
Hendrik Felber
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 01.09.05 15:18 von Hendrik Felber.)
31.08.05 22:47
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Danieru


Beiträge: 738
Beitrag #2
RE: Knabe, Tor und Feinde
Wo hast du denn diesen Satz her?

Die Übersetzung scheint mir ganz richtig zu sein, obwohl man natürlich auch "eine Million" anstatt "hundert mal zehntausend" sagen könnte. augenrollen

人生は一箱のマッチに似ている。重大に扱うのはばかばかしい。重大に扱わねば危険である。『芥川龍之介』
31.08.05 23:31
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Hendrik Felber


Beiträge: 30
Beitrag #3
RE: Knabe, Tor und Feinde
Hallo,

der Satz stammt aus den "20 Regeln" des Karate-Meisters Funakoshi Gichin (Nr. 16). Schau mal hier:

http://www.kusunoki.de/history05_e.html

Andere, wohl zum Teil auch sehr freie Übersetzungen sind (kleine Auswahl):

# 1 Wenn du den Ort verläßt, an dem du zu Hause bist, MACHST du dir zahlreiche Feinde.

# 2 Wenn du den Ort verläßt, an dem du zu Hause bist, machst du dir zahlreiche Feinde. Ein solches Verhalten lädt dir Ärger ein

# 3 Wenn man das Tor DER Jugend verlässt, hat man viele Gegner.

# 4 Wenn man das Tor ZUR Jugend verläßt, hat man viele Gegner

# 5 When you leave home, think that millions of opponents are WAITING for you.

Mich interessiert die genaue Übersetzung. Danke für eure weiteren Antworten.

Hendrik Felber
01.09.05 00:04
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Botchan


Beiträge: 642
Beitrag #4
RE: Knabe, Tor und Feinde
男子門を出づれば百萬の敵あり。

Der Satz ist in der klassischen Schriftsprache (bungo) verfaßt. Die Übersetzung "Wenn ein Knabe (Mann) durch das Tor hinausgeht, hat er (bzw. "sind da") hundertmal zehntausend Feinde." scheint mir die zutreffendste zu sein.

Zunächst zum Problem: "hat er Feinde" vs. "macht er sich Feinde". Das ist ganz klar "hat er Feinde" bzw. "es gibt Feinde", denn あり (ari) ist die Bungo-Form des heutigen "aru" (= lat. "esse als Vollverb"), also "es gibt, existiert, befindet sich".

Dann noch zur Frage: "ein Junge (Mann) verläßt das Tor" vs. "man verläßt das Tor der Jugend". Das ist m. E. kniffliger. Im Bungo werden - im Gegensatz zum heutigen Japanisch - Subjekte nicht notwendigerweise durch "ga" markiert, sondern stehen meist ohne jede Partikel.

Übersetzer, die "ein Junge verläßt das Tor" übersetzen, sehen 男子 (wonoko = Knabe/Mann) als Subjekt desjenigen, der 門を出づ (kado wo idu = ein Tor verlassen). Im heutigen Japanisch müßte dann nach 男子 ein "ga(/ha)" stehen - so wäre auch klipp und klar, daß es sich um das Subjekt handelt; im Bungo fehlt die Partikel jedoch oft.

Deshalb bleibt Raum für die andere Interpretation, nämlich 男子門 als einen zusammengehörigen Begriff aufzufassen - eben etwas in der Art von "Tor der Knaben(-zeit)" - und sich als (nicht genanntes) Subjekt ein "man" zu denken...

Ich bin zu wenig bewandert in der Pragmatik des Bungo, um eindeutig entscheiden zu können, ob diese zweite Interpretation wirklich guten Gewissens denkbar ist. Mir persönlich erscheint sie zumindest gesucht, will heißen: Die erste Variante (also "der Junge/Mann verläßt das Tor") ist aus dem japanischen Satz völlig problemlos herauslesbar, während man auf die zweite Interpretation - so sich für das Zielpublikum ein "Tor der Knaben(-zeit)" überhaupt denken läßt - sicher nicht sofort kommt... Wie gesagt: Die Lesung "ein Junge/Mann verläßt das Tor" ist die offensichtliche, die andere wäre die difficilior lectio...
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 01.09.05 08:29 von Botchan.)
01.09.05 06:07
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sora-no-iro
Ex-Moderator

Beiträge: 1.208
Beitrag #5
RE: Knabe, Tor und Feinde
Als eine Interpretation:

Wenn ein Mann nicht zu Hause ist, hat er zahlreiche Feinde haben.

Denn zur Verödung unseres modernen Lebens gehört es, daß wir alles fix und fertig ins Haus und zum Gebrauch bekommen, wie aus häßlichen Zauberapparaten.
Elias Canetti: Die Stimmen von Marrakesch
01.09.05 07:00
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sora-no-iro
Ex-Moderator

Beiträge: 1.208
Beitrag #6
RE: Knabe, Tor und Feinde
Eine Variante auf japanisch(populär):
男は外に出ると7人の敵がいる。
(おとこはそとにでるとしちにんのてきがいる)
Otoko wa sotoni deruto shitinin no teki ga iru.
Die Bedeutung ist fast gleich.

Denn zur Verödung unseres modernen Lebens gehört es, daß wir alles fix und fertig ins Haus und zum Gebrauch bekommen, wie aus häßlichen Zauberapparaten.
Elias Canetti: Die Stimmen von Marrakesch
01.09.05 07:14
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hyoubyou


Beiträge: 434
Beitrag #7
RE: Knabe, Tor und Feinde
@Herr Felber:
Kannst du bitte mal den Titel ("Richtig?") so ändern, dass man sich auch etwas vorstellen kann?
Z.B. "Wenn ein Knabe durch das Tor hinausgeht"

没有銭的人是快笑的人
01.09.05 11:42
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Hendrik Felber


Beiträge: 30
Beitrag #8
RE: Knabe, Tor und Feinde
Hallo Forum,

@Thomas
Vielen Dank für die umfängliche Antwort! Sie war sehr hilfreich.

@sora-no-iro
Du verwendest für 男子 die Übersetzung "Mann". Kann der Begriff ohne Probleme vom "Knaben" auch auf alle Männer verallgemeinert werden? Das würde ja das Deutungsspektrum erheblich erweitern/ verändern...

@hyoubyou
Ich habe den Titel noch mal geändert, glaube aber, dass man sich auch so nur schwer gleich etwas darunter vorstellen kann. Ist halt kein einfaches Thema, dass sich so einfach unter ein paar Worten subsumieren lässt, leider. Hast du vielleicht noch eine Idee zur Beantwortung meiner Frage?

Hendrik Felber
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 01.09.05 15:35 von Hendrik Felber.)
01.09.05 15:34
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Botchan


Beiträge: 642
Beitrag #9
RE: Knabe, Tor und Feinde
Ich drängle mich mal dazwischen, auch wenn die Frage an sora-ni-iro ging... rot

Ja, 男子 meint nicht nur (sehr) junge Männer, sondern auch ganz allgemein die Mitglieder der männlichen Hälfte der Menschheit. 子 (ko) alleine heißt natürlich schon eher "Kind", aber zusammen mit dem Zeichen für "männlich" bzw. "weiblich" auch "Mann" respektive "Frau"... vielleicht aus dem Gedanken heraus, daß die Menschen Kinder der Götter/Erde sind?
01.09.05 16:18
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Anonymer User
Gast

 
Beitrag #10
RE: Knabe, Tor und Feinde
Hm, ich weiß nicht genau, wie du auf "wonoko" kommst bei 男子, aber ich denke mal, das liegt an meiner mangelnden Kenntnis von bungo. Die Lesung "danshi" ist dagegen sehr gebräuchlich, aber egal.

萬 ist ein Kanji der Rechtsprache, z.B.
Die Kombination heißt einfach Million, wie das sonst übersetzt wurde klingt aber etwas sinnträchtiger oder wie man es nennen will.

Was ich über "ari" weiß ist sehr begrenzt, aber es ist nicht nur eine Grundform wie "esse" im lateinischen. Es kann (in mancher Hinsicht) außerdem die "-te"-katachi darstellen. Hier aber Vollverb. Etwas verwirren tut mich hier die Schreibweise. Warum nicht mit Kanji? Gerade in dieser Sprachform, wo man "ari" sowohl für Menschen als auch für Dinge benutzt hat wäre das sinnvoll. Also dann:

男子門を出づれば百萬の敵在り。

Übrigens lässt man auch heutzutage in der Umgangssprache die meisten Partikel weg, besonders "ha" und "wo". So kompliziert ist das also nicht. Das "wo" hier wurde nicht weggelassen, weil es eine Richtung markiert und nicht nur ein Objekt. Richtungspartikel bleiben meist in nur sehr eindeutigen Phrasen wie "doko iku no" nicht bestehen. Reduktion vom Feinsten. Kann mir vorstellen, dass das gerade erreicht werden sollte. Obwohl ich manchmal den sündhaften Gedanken habe, dass die Japaner einfach nicht wollten, dass Ausländer bungo verstehen könnten. Ich weiß, schrecklicher Vorwurf.

"danshi" wird übrigens meist für Männer und nur selten für "Junge" oder so verwandt, da ist dann eher "gaki" gebräuchlich.

Aber egal.
Den Satz kann man eigentlich kaum wortgetreu übersetzen, das ist im Japanischen zumeist unmöglich. Allerdings wäre die direkteste Übersetzung, so denke ich zumindest:

"Verlässt ein Mann das Tor, so werden eine Million Feinde dort sein."

Finde ich aber nicht so schön. Das Schöne am Japanischen ist doch gerade, dass in so reduzierter Form so viel Bedeutung sein kann. Außerdem ist die Übersetzung "zahlreich" für "million" auch nicht schlecht, das ist durchaus üblich.

Was das ganz nun soll, da kannst du lange philosophieren und ist wahrscheinlich nicht so einfach. Solche recht einfachen Sätze sind meist sehr geschichtsträchtig. Deshalb wage ich mich da lieber nicht ran. Allerdings klingen einige der Ansätze, die hier aufgelistet worden sind recht plausibel.

Ryoukai
01.09.05 17:47
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Knabe, Tor und Feinde
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