Und nochmals ein Post von mir. Als ich mit "Die Kanji lernen und behalten" begonnen habe, schrieb ich hier irgendwo ins Forum, dass ich über meine Erfahrungen berichten werde, da ich selbst nicht so viele Erfahrungsberichte gefunden habe. Und Kommentare im Netz wie "Ich kam bis 1500" oder "w00t all kanjis teh pwnz!" reichten mir nicht.
Überblick
Gekauft habe ich mir das Buch ende Juli 2005. Knapp 10 Monate später bin ich nun fertig, d.h. alle Kanjis durchgearbeitet und repetiert. Vorher hatte ich noch keine Japanischkenntnisse, ich hatte auch noch keine Kanjis auf dem konventionellen Weg gelernt. Nicht mal die Kana konnte ich. Das einzige was ich über japanisch wusste, war das, was man hier im Forum nachlesen konnte. Daher kann ich auch nicht über den traditionellen Weg Kanjis zu lernen herziehen, aber Erfahrungsberichte im Forum haben mir gezeigt, dass ich mir Gedanken machen sollte, wie ich das Ganze am Besten anpacke. Es scheint wohl etwas komisch, gleich mit irgendwelchen Kanjis anzufangen, aber wenn ich die sowieso lernen sollte, warum nicht. Natürlich besuchte ich auch einen Anfängerkurs, der jedoch erst ein paar Monate später, als ich so bei Kanji Nr. 800 war, anfing. Dort habe ich dann die Kana und ein paar simple Dinge gelernt (die kommen später ins Spiel).
Vorgehensweise
Gelernt wurde überall, wo man das Buch mitnehmen konnte. Im Bus oder Zug, auf dem Hometrainer, oder sogar in langweiligen Vorlesungen. Wieviele Stunden pro Tag ich investiert habe, kann ich leider nicht sagen, das war sehr unterschiedlich. Meistens jeden Tag ein Bisschen auf dem Weg zur Arbeit/Studium. Es kam aber auch vor, dass ein paar Tage lang nix gelernt wurde. Ich kann nicht behaupten, zu den schnellsten Kanji-Lernenden zu gehören. Wenn ich während einer Zugfahrt von 45 Minuten 12 Kanjis durchgearbeitet habe, war ich bereits zufrieden mit mir.
Repetiert habe ich meistens immer die letzten 200 gelernten Kanjis. Bei Nr. 1000 habe ich alle bisher gelernten nochmals repetiert, danach nicht mehr. Erst am Schluss habe ich nochmals alle 2000 repetiert, was allein für sich schon recht Zeitaufwendig ist. Der Fortschritt durch das Buch war über die Länge gesehen ziemlich linear (ich hab's mir notiert), man kann den Gesamtaufwand recht gut abschätzen. Obwohl die "Erfolgsquote" beim repetieren, von Anfangs 90% und mehr auf 70% gegen Ende gesunken ist, aber sowas war zu erwarten, bei der schieren Menge an Zeichen. Auch das Vergessen gehört bei dieser Methode dazu. Auch wenn man hunderte von Zeichen lernt, so ärgert man sich doch über jedes, das einem nicht gerade einfallen will, aber das kennt ihr sicher. Ärgerlich wird dies zum Schluss, da man bereits soviele Kanjis problemlos erkennen kann, dass diejenigen, die man vergessen hat, viel eher auffallen.
Kanji-Kärtchen habe ich während dem Lernen keine hergestellt, schon gar nicht von Hand. Erst am Schluss habe ich alle Kärtchen selbst gedruckt und ausgeschnitten, um mir meinen Fortschritt auch mit etwas Handfestem vor die Augen zu führen. Ansonsten benutzte ich KingKanji, was aber nicht gerade durch Funktionsvielfalt besticht. Doch ich bin dabei geblieben, weil's klein und praktisch ist. Einzig deutsche Vokabeldateien für Remembering The Kanji (RTK) fehlten, also hab' ich die englischen selbst umgeschrieben. Bei Bedarf stelle ich diese Dateien gerne dem Japanisch-Netzwerk zur Verfügung. Es sind zwar schon eingedeutschte Dateien vorhanden. Jedoch sind diese, gelinde gesagt, für Lernende der Heisig-Methode nutzlos, da das Schlüsselwort nicht in jedem Fall der deutschen Übersetzung entspricht. Ebenfalls kann ich auch mein PDF mit den 2042 deutschen Kanji-Kärtchen, das ich erstellt habe, der Allgemeinheit weitergeben. Zum selberdrucken. Das war übrigens ein ganzes Stück arbeit, aber es hat sich gelohnt. Dank geht an dieser Stelle an "Stefan" (
showthread.php?tid=3399) , dessen Skript für meine Zwecke wunderbar geeignet war.
Zur Didaktik
Es ist ausgesprochen wichtig, die Vorworte und Einleitungen des Buches genau zu lesen. Darin werden die Eckpunkte der Heisig-Methode genau erläutert, deren Einhaltung sehr zum erfolgreichen Durcharbeiten des Buches beitragen. Ausserdem wird auch definiert, was mit dem Buch gelernt werden soll, und was
nicht. Wer sich etwas nach Meinungen zum Buch umsieht, wird feststellen, dass teilweise falsche Anforderungen (und auch Erfolge) mit dem Buch in Verbindung gebracht werden.
Wie den meisten bereits bekannt sein dürfte, sollte man sich unter zuhilfenahme des "erfinderischen Gedächtnisses" einprägsame Geschichten für die herleitung eines Kanjis ausdenken. Im Prinzip also Eselsbrücken. Dies ist allerdings insofern keine Zauberformel, als es doch eine lange und gewissermassen eintönig erscheinende Fleissarbeit ist, sich über 2000 "imaginative stories" auszudenken. Ich selbst war mir auch nicht sicher, ob ich das schaffen würde. Jetzt kann ich aber sagen, dass man weder ein Komiker noch sonstwie künstlerisch begabt sein muss, um mit der Methode gut lernen zu können. Im Buch wird einem verständlich nahegebracht, was es dazu braucht, sich einprägsame Geschichten auszudenken. Natürlich gelingt dies einem mehr oder weniger gut. Es gibt Zeichen, die hätte ich nie mehr repetieren müssen, und solche, bei denen mir schlichtweg nicht viel gescheites dazu eingefallen ist. Ein wenig auswendiglernen hilft dabei aber weiter. Die Frage ist nur, wieviel ausweniglernen man sich zumutet. Die Heisig-Methode in Ihrer Perfektion würde bedeuten, dass man praktisch gar nichts mehr auswenig zu lernen braucht. Jedoch bezweifle ich, dass dies so gut möglich ist. Aber ich bin zum Schluss gekommen, dass selbst eine uneinprägsame Geschichte noch besser ist als das Zeichen einfach so auswendig schreiben zu lernen.
Es mag den Lernenden zwischendurch zwar reizen, gewisse Zeichen nur Auswendig zu lernen. Tatsächlich scheint für ein schnelles Einprägen eine Kombination von Unterteilung in Elemente und photographischem Gedächtnis am effizientesten zu sein. Dies mag meiner Erfahrung nach jedoch nur für ein paar Dutzend Zeichen gelten. Die Methode nach Heisig ist zwar manchmal etwas aufwendiger, aber ganz sicher viel skalierbarer. Wir reden hier ja über tausende von zeichen.
Während dem ganzen Buch war ich übrigens unsicher, ob ich mir überhaupt je 2000 Geschichten merken könne. Und irgendwie dachte ich schon nach den ersten 800 Zeichen, dass "jetzt bald nix mehr in den Kopf reingeht". Doch erst am Ende, nach Nr. 2042, kündigte sich durch die sinkende Erfolgsquote an, dass vorerst mal Schluss ist.
Eine Alternative zu Heisig ist übrigens "A Guide to Remembering Japanese Characters" von Henshall. Wer sich wirklich daran stört, dass sich Heisig nicht sehr um die Etymologie der Zeichen schert, dem sei dieses Buch eher ans Herz gelegt. Ich bin der Meinung, dass sich mit Elementen mit künstlicher Bedeutung wie Yeti oder Nasenhaar bessere Geschichten ausdenken lassen, als mit altertümlichen bzw. etymologisch korrekten Herleitungen. Eigentlich fand' ich es schade, dass Heisig nicht auch für alle 2000 Kanjis einen Merksatz parat hatte, denn seine haben mir sehr gefallen und meine waren nicht immer besser (zum Beispiel finde ich die Merkhilfe für Kanji Nr. 1329 schlichtweg genial). Heisig schreibt, dass die eigene Vorstellung die beste Grundlage für persönliche, eingängige Merksätze sind. Und es gibt einige Stimmen, die sagen, Heisigs Merksätze seien überhaupt nicht eingängig). Daher kann ich nicht sagen, ob ich mit Heisig tatsächlich besser dran war als mit Henshall.
Zu den Schlüsselwörtern
Mitunter wird dem Buch vorgeworfen, die verwendeten Schlüsselwörter seien manchmal ziemlich bedeutungsfern. Ich fing während dem Durcharbeiten an, gewisse Kanji im Online-Wörterbuch nachzuschlagen, da ich bei ein oder zwei Kanji merkte, dass ich das deutsche Schlüsselwort missverstand (was wohl mehr an mir lag als an dem Buch). Dabei fiel mir auf, dass ein Schlüsselwort manchmal auf den ersten Blick nicht mit den Kanji-Bedeutungen übereinzustimmen schien. Auf den zweiten Blick aber sah man, dass in den Komposita (Wörter aus zwei oder mehr Kanji) das Schlüsselwort durchaus Sinn machte. Manchmal nahm ein Kanji eine bestimmte Bedeutung auch nur an, wenn es z.b. das Letzte in einer Komposita war (Ich weiss aber nicht mehr, welches das war. Sollte ich hier kompletten Käse erzählen, dürfen mich die Erfahreneren hier gerne korrigieren).
Da bei den +2000 Schüsselwörtern keines doppelt vorkommen soll, steht der Autor bei bedeutungsähnlichen Kanji natürlich vor einem kleinen Problem. Darum gibt es Schlüsselwörter, die für den "uneingeweihten" Kenner der Sprache etwas umständlich oder gar fremd erscheinen. Es wurde natürlich trotzdem versucht, immer die hilfreichste Bedeutung eines Kanjis als Schlüsselwort zu wählen. Dieser Sachverhalt wird auch in der Einführung des Buches beschrieben.
Sonstiges
Etwas verwirrt wurde ich durch die Strichfolge, die in diesem Buch verwendet wurde. Sie unterscheidet sich bei manchen Zeichen von der Strichfolge, die in den online Wörterbüchern verwendet wird. Ist zwar etwas ärgerlich, schlussendlich aber wohl nicht von Belang, da es nur wenige Zeichen sind.
Die erste deutsche Auflage hatte noch so einige kleine Fehler drin, v.a. am Anfang des Buches, wie mir schien. Das behindert einen aber eigentlich nicht beim Lernen, und auf der Webseite des Übersetzers findet sich bereits eine Errata für die erste Auflage. Die nächste, verbesserte Auflage wird wohl nicht lange auf sich warten lassen.
Das Buch war ein ziemlicher Brocken Arbeit. Und es war (zumindest für mich) schon etwas Verbissenheit oder Disziplin nötig, auch wirklich das ganze Buch durchzuziehen. Aber als Belohnung fühlt man sich richtig fit, was den
Umgang mit Kanjis angeht. Auch wenn ich bedenke, was sich mir dadurch so alles erschlossen hat, wo mir doch die (Schrift-)Sprache bis vor einigen Monaten noch als ein Buch mit sieben Siegeln erschien. Schlussendlich ist es aber nur ein kleiner Schritt, in Anbetracht all der Dinge, die noch zu lernen sind.
Und was kann ich jetzt?
Erwähnen möchte ich nochmals, was man mit dem Heisig-Buch genau lernt: Die Schreibweise von 2024 Kanjis, und
eine deutsche Bedeutung zu diesem Schriftzeichen. Man kann die Zeichen weder lesen, noch weiss man etwas über die japanische Sprache an sich (Grammatik, etc). Jedoch lassen sich die Zeichen besser/eindeutig voneinander unterscheiden, man sieht in den Kanji nicht mehr irgend ein Strichgewitter, das man sich nicht behalten kann, sobald es aus den Augen verschwunden ist.
Aber eigentlich weiss man gar nichts.
Aus den einzelnen deutschen Schlüsselwörtern, die man zu den Kanji gelernt hat, kann man allerdings auf die ungefähre Bedeutung von vielen Begriffen schliessen. Besonders Spass macht es, Schlagzeilen auf diese Weise zu "entziffern", da diese viele Kanji enthalten. Im Folgenden ein paar Beispiele (Wobei ich nicht sicher bin, ob ich mit der "Übersetzung" richtig liege, ihr dürft mich gerne korrigieren):
- 無職 - Arbeitslos/igkeit
- 国税庁 - Nationales Steueramt (Wadoku meint: "Oberste Finanzbehörde", was in etwa dasselbe zu sein scheint).
- 鯨肉在庫増 - Erhöhte Bestände an Walfleisch (dazwischen gab's noch ein paar Hiragana, aber die fallen mir nicht mehr ein).
- ホンダ、30年ぶり国内新工場建設・埼玉で新型エンジン生産へ - Honda hat nach 30 jahren im Inland eine neue Fabrik eröffnet. Dort wird ein neuer Motorentyp hergestellt. Dafür waren allerdings Kana Kentnisse notwendig.
- 男性の遺体 頭部を切断 - Die Leiche eines Mannes wurde gefunden (jedoch mit abgetrenntem Kopf...)
- Mit ein wenig Komposita-Kentnissen lässt sich auch 取扱説明書在中 auf der Verpackung meines Motorradhelmes entziffern: "Enthält Bedienungsanleitung". Danke für den Tipp.
Auf dieser Seite findet Ihr weitere Begriffe, die sich
mit den Bedeutungen annähernd erschliessen lassen:
http://www.kanji-lernen.de/html/beispiele.html
Dazu ist es wichtig, anzumerken, dass sich mit diesen Kentnissen eigentlich keine Sätze verstehen lassen. Ich kann lediglich die Begrifflichkeiten herauspicken, aber durch die fehlende Grammatik weiss ich nicht wer mit wem etc. Es kann also vorkommen, dass ein Satz genau das Gegenteil bedeutet, weil ich z.B. Verneinungsformen noch nicht kenne. Trotzdem macht es Spass, wenn man bedenkt, dass japanische Texte vor ein paar Monaten noch ein Buch mit sieben Siegeln waren.
Und wie weiter?
Natürlich lernt man in diesem Buch nicht "alle" Kanji. Allein durch etwas "lesen" trifft man bereits auf einige nicht-jouyou Kanji, die aber recht häufig sind. Das wären z.B. 誰 (Wer?) und 拉 (Entführung). Aber im Moment sollte das Repertoire von 2024 Zeichen ausreichen, um sich ungehindert weiteren Japanischstudien zuzuwenden.
Eigentlich wären jetzt die Lesungen an der Reihe. Leider bin ich vom zweiten Buch Heisigs noch nicht so sehr überzeugt. Ich würde mich freuen, wenn jemand von Euch darüber etwas zu berichten wüsste. Aber nachdem ich 10 Monate lang fast nur Kanjis gelernt habe, konzentriere ich mich nun lieber mal auf die Grammatik und das Vokabular.
Ich hoffe, ich konnte den unentschlossenen einen tieferen Einblick und das Buch geben, und beantworte auch gerne weitere Fragen. Über Tipps eurerseits für das weitere lernen, besonders was die Lesungen angeht, bin ich natürlich auch dankbar.