RE: Japanische Vergangenheit...
Hallo,
Gai-jin-san,
wie Du fürchtest, möchte ich hier zum letzten Mal auftauchen.
Ich will sowieso kein Stammgast auf diesem Forum sein. Das Forum ist für Euch da, die Japanisch und Japan lernen wollen.
Obendrein habe ich zugegebenermaßen keine Lust mehr dazu.
Mein Beitrag wurde von Aikou-San (und wahrscheinlich von anderen Lesern, die nicht Mut oder Zeit hatten, sich an ihn anzuschließen) sehr einseitig interpretiert. Auf Misverständnisse könnte ich gelassen eingehen und den Hintergrund erklären. Deutsch ist schließlich nicht meine Muttersprache, das mag auch ein gewisses Mißverständnis verursacht haben.
Aber ich akzeptiere die Art und Weise, wie man seinen Redegegner ohne Respekt sprachlich fertig macht, nicht.
(Ich bin zu faul, jetzt noch die Funktionen von "Codes and Smiles" zu lernen, wenn ich sowieso nicht mehr hierher kommen will. Daher bitte ich Euch um Verständnis für meine ungeschickte Art zu zitieren)
So, Aikou-San.
Ich nehme Deine rüde Art zwar nicht persönlich.
Meinst Du Aussagen wie ".....anonym kluge Reden schwingen! "?
Oder eine unsachliche Anwendung von "höfliche Unhöflichkeit" wie "her Nippon-Sama"?
Mit dieser Art Formulierung erreichst Du nichts. Du warst sauer auf mich und wolltest mich daher weiter provozieren, aber Du verlierst nur damit Leser.
Ich hinterlasse meine Beiträge nicht aus Selbstgefällgkeit, und unser Projekt (schreibe später darüber) hat auch mit der selbstherrlichen Wichtigtuerei nichts zu tun.
Ich fühle mich auch nicht für den Titel "Sama" würdig.
Deine Entschuldung nehme ich auf jeden Fall zur Kenntnis.
(Es ist schwierig, den Eindruck "Ach, der Ältere will immer den Jüngeren belehren" nicht zu wecken. Gaikokugo deno disukasshon wa hontou ni muzukashiindayo.)
Aber ich sag's ganz ehrlich und ernst: "gesagt ist gesagt". Egal, wie man sich nachträglich für sein Verhalten entschuldigen mag, ist es anders als man von Anfang an durchdacht seine Meinung formuliert. Später wenn Du so weit Japanisch gelernt hast, sei vorsichtig. In Japan ist wirklich "gesagt ist gesagt".
Nun, ich gehe auf drei Punkte ein, die mich zum Bedenken gebracht hat.
1. zu dem Vorwurf, Kategorisierung "Studierte" vs. "Nichtstudierte."
Ich habe diese Kategorie deswegen aufgenommen, weil ich in meinem Alltag in Deutschland, aber vor allem in meiner Arbeitswelt sehr oft erlebe, ja fast übertrieben, wie deutsche Akademiker Nichtstudierte herunterputzen und verurteilen und wie Nichtstudierte in Deutschland über deutsche Akademiker reden.
Ich treibe nebenberuflich eine kleine historische Forschung, in diesem Zusammenhang habe ich in den letzten Jahren etliche alte Deutsche interviewt, die entweder im Januar 1933 zur Wahl gegangen waren, oder die Jahre ihrer Pubertät bei 1933 - 1945 liegen.
Bei dieser Arbeit hatte ich Gelegenheiten, auch mit deren jüngeren Familienmitgliedern über verschiedene Themen zu sprechen.
Ich habe im Laufe dieser Arbeit festgestellt, wie beharrlich die Meinung der Menschen, die aus der Schicht Bildungsbürgertum und Mittelstand stammen (damals war der Klassenunterschid viel krasser als heutzutage, nicht wahr?), war und ist, die lautet, die Nichtgebildeten neigen zum Rassismus und zur politischen Dummheit, die haben Adolf an die Macht geschickt.
Ich hätte gerne daran geglaubt, daß das Zeitalter, in dem der Klassenunterschied keine (große) Rolle mehr spielt.
Aber je länger ich hier lebe, desto klarer wurde es mir, daß diese Kluft nach wie vor und auf einer völlig anderen Ebene vorhanden ist als damals in der Weimarer Repblik und "danach". Ich höre unter meinen studierten Freunden und Kollegen immer noch diesen Spruch "Ach, die sind ja echt leicht vom Rassismus beeinfußbar.".
Wenn ich andere Threads beobachte, merke ich, Ihr seid alle mehr oder weniger Studenten oder Kandiaten zukünftiger Akademiker. Dann war es mir desto wichitiger darauf hinzuweisen, daß ich im Thema Ausländerfeindlichkeit/Rassismus zwischen Studierten und Nichtstudierten keinen Unterschied sehe.
Aikou-San, Du hast einfach den Spieß völlig umdreht und machst Du mir ungerechte Vorwürfe, als ob ich Menschen nach Bildungsstand anders behandelt hätte. Ich war total entsetzt.
Um dem Wut gewisser Leser vorzeitig auszuweichen ("Kümmern Sie sich lieber zu Hause um die eigene Geschichte. Wir sind besser als Sie, da wir immerhin auf der Schulbank saßen und mal das Thema NS mitgemacht haben im Gegensatz zu Ihnen."), möchte ich noch hinfügen, daß ich diese historische Forschung nicht allein treibe und ich die Aufgabe zum Interview schließlich deshalb übernommen habe, weil ich unter uns allen Projektteilnehmern am besten Deutsch spreche und der einzige bin, der sich dauerhaft in Deutschland aufhält.
Unter den Leuten: Einer adliger ehem. Offizier, der Stauffenberg unterstellt war und nur aus einem Zufall dem Verdacht an der Beteiligung des Hitler-Attentates entkam. Ein im Jahr 1933 Arbeitsloser, der mir weinend erzählt hat, warum er die NSDAP gewählt hat. Ein Rentner, der stolz darauf ist, daß seine Eltern die monatliche Verpflichtung, am Sonntag Erbsensuppchen zu essen und auf Fleisch zu verzichten, nicht mitgemacht hatten.
Andere Kollegen machen die gleiche Arbeit in Japan und interviewen Japaner mit dementsprechenden Erlebnissen in der Politik und vor dem/im Krieg.
2. Zu Aikou-San's Argument "Die Ausländerfeindlichkeitsrate ist in Deutschland weit unter dem Durchschnitt, nach dem statistischen Amt für Tendenzforschung":
Statistiken! Veröffentlichungen in den Medien!
("Da standen die Zahlen, das muß daher wahr sein." ... so typisch vom Spiegel/Fokus-Leser)
Hast Du die Statistiken unmittelbar vom Statistischen Bundesamt bezogen?
Egal, ob die Zahlen von Gerhard Schröder oder vom Statistischen Bundesamt stammen.
Das ist genau der Punkt, der unkritische Glaube an Statistiken und Veröffentlichungen.
Ich thematisierte ja eben den Fall, indem ein gewisser Anteil der Deutschen, die sie sich nie für ausländerfeindlich halten, einfach nicht selbstkritisch sind und daher selber nicht merken, wie ausländerfeindlich bis unerträglich rassistisch sind. Die Zahlen dieser Leute sind natürlich nicht im vom Statistischen Bundsamt erfaßten Wert. Und mein Bedenken ist, daß diese "versteckten" Zahlen in der Tat sehr bedenklich hoch sind.
Es gibt recht viele, die einserseits stolz erzählen, wie liberal, international und ausländerfreundlich sie sind und wie und mit welcher Feindseligkeit diese Leute andererseits privat über die Türken reden und aus welchem Grunde sie gegen die Heirat der eigenen Kinder mit einem/r Palästinenser/in oder einem/r Japaner/in sind.
Wenn es ums Leben und Geld geht, wird's noch geschmackloser.
Ich war in den letzten Jahren in zwei deutschen Unternehmen viermal selber dabei, wie die Leistungen (Gehalt, Dienstwagen, usw.) nach Hautfarben und Herkunft geregelt werden. (Ich war auf der Seite der Arbeitgeber und war bei firmeninternen Besprechungen anwesend. )
Für zwei 100% gleiche Positionen als Sachbearbeiter, warum bekommt der neue Inder nur 60% des neuen deutschen Kollegens, wenn beide fast gleiche Lebensläufe haben? Der Inder war in Deutschland in die Schule gegangen und spricht Deutsch als Muttersprache.
Ich sagte sofort "Entschuldige, aber warum wird Herrn A so wenig angeboten? Ich sehe an Qualifikationen zwischen den beiden keinen Unterschied." Antwort vom Personalchef: Wir müssen Geld sparen, und der weiß ja doch, daß es bei den Dunkelhäutigen halt so ist." (Dann schlich mir gleich der Gedanke, daß offensichtlich auch ich auch aus dem Grunde "billig" eingestellt worden.). Außer mir sagte niemand etwas dagegen.
Und mit welcher Heiterkeit dieser Personalchef und die Deutschen, die dabei waren und ihm nicht widersprechen wollten, sich als "international erfolreich, fair, ausländerfreundlich" verkaufen und ihre Präsenz im Web und den Medien genießen.
Alle diese gehören garantiert nicht zu den Statistiken, auf die Du Dich beziehst, Aikou-san.
Und, bevor Du so empört auf meine Beiträge reagierst (trotz hohem Fieber), kannst Du bitte meine Einträge Zeile zu Zeile lesen, ich habe nämlich geschrieben:
"Ich prädiere auf keinen Fall für die japanische Lösung (einfach schweigen)."
(Ich lasse das verwechselte R so :-) )
Ich habe mich damit klar vom Schweigen distanziert.
3. Noch, was mich zum Bedenken gebracht hat
"Das klappt, aber dann ist man im Kant'schen Sinne kein aufgeklärter Mensch. "
Was haben wir Japaner mit Kant'scher Moral zu tun?
Ich habe ja gesagt, wie der Autor von "Darum nerven..." in seinem Buch treibt, ich halte es für einen Kulturrassismus und - imperialismus, automatisch das Westliche als maßgebend gelten zu lassen.
Ich käme nie auf die Idee, Dir gegenüber eine diffamierende Äußerung zu machen, indem ich sage, "Der Konfuzius hat aber....".
Und noch meine Antwort auf Deine Frage "Deine Moral erlaubt dir nicht, über solche Dinge [hier "Darum nerven Deutsche"] zu schreiben?"
Ja, definitiv nicht, wenn die Gefahr mir zu groß erscheint, daß ich damit mehr "in der Tat ausländerfeindliche" Menschen produziere als ich zur produktiven Diskussion und Denken beitrage, und daß vieles mißverstanden wird und ich damit nur den beharrlichen Rassismus verstärke, des viele Menschen in Deutschland und in Japan nicht bewußt sind.
Zuletzt als mein "emotionaler" Schrei (darf ich?)
Die pseudo-ausländerfreundlichen, pseudo-aufgeklärten Deutschen kotzen mich an genauso wie das Verhalten vieler Japaner, alles Ungangenehme wegzuschauen und diejenigen, die sich damit befassen wollen, als "Harmoniestörer" schief anzuqucken.
Trotzdem, Ihr alle, vergeß bitte nicht, daß es auch in Japan Leute gibt, die sich aktiv mit unserer Vergangenheit befassen wollen.
Ich habe in meinem eigenen Unterricht in Japan sowohl die Annexion Koreas an Japan als auch die Diskriminierung von Koreanischen Mitbürgern, Japanern koreanischer Herkunft und Eta in der japanischen Gesellschaft durch und durch thematisiert, obwohl die anderen Lehrer völlig dagegen waren.
(Weil jemand vom Nanking-Massaker schreibt: Das Nanking-Massaker deshalb nicht, weil, was die Anzahl der getöteten Zivilisten angeht, so nach bisherigen wissenschaftlichen Forschungen keine klaren Ergebnisse vorliegen. Wer naiv an die sechsstellige Zahl von Opfern glaubt, ist genauso "out" wie jemand, der behaupten will, das Nanking-Masaker hat es nicht gegeben, zumindest unter uns Historikern.)
Ich bereue es sehr seit einigen Jahren, daß ich meinen Beruf als Lehrer in Japan (das war sehr kurz) nicht weiter geführt habe und von Deutschland aus praktisch nichts machen kann.
Ihr Alle, alles Gute wünsche ich Euch. Tschüß :-)
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