RE: Japanische Vergangenheit...
Hallo,
Ich habe eigentlich nicht vorgehabt, noch einmal hier was zu schreiben (^^);
Gaijin-san, ich werde nie das Gegenstück von "Darum nerven..." schreiben und es veröffentlichen.
Grund 1: Es hat etwas mit meinem gesunden Überleben zu tun. Ich habe enorme Angst davor, eines Tages von Neonazis angegriffen zu werden. Ich möchte die Wahrscheinlichkeit, daß es mir jemals passieren kann, nicht unnötigerweise größer machen.
Grund 2: Meine Moral erlaubt mir nicht, mich damit reich zu machen und meinen Namen zu verkaufen.
Grund 3: Jemand, der sich in Fragen von Japanern u. Japan auskennt oder sich etwas damit auseinandergesetzt hat, kann sich vom Inhalt des Buches "Darum nerven..." leicht distanzieren, aber nicht diejenigen, die keine Ahnung von Japanern und Japan haben, und auch nicht diejenigen, die sowieso durch den dämlichen Journalismus beeinflußt eine fixtierte Meinung über Japan und Japaner haben (darüber schreibe ich ganz am Ende dieses Beitrages).
Das Buch ist für mich kein Einzelphänomen in Punkto Meinungsbildung der Deutschen. Es ist vielmehr eine eskalierte Form des Destruktivismus, den am stärksten vom SPIEGEL vertreten wird. (Ich kenne viele Ausländer, die Jahre lang in Deutschland gelebt hatten und diese Zeitschrift verdammen.)
Der Schaden, den das Buch den Lesern zufügt, insbesondere denen, die unkritisch und naiv alles zu glauben neigen (sind leider ein großer Teill der Menschen), was von irgendeinem namenhaften Verlag gedruckt wird, ist zu enorm. Diese Art provokativer, destruktiver und kulturrassistischer (und für mich "kulturimperialistischer" hinsichtlich der Art des Autors, Gewohnheiten eines nichtwestlichen Landes nach westlichen Werten mit Selbstverständlichkeit zu verurteilen und die westlichen Werte wie global allgemeingültig zu betrachten) Schriften beeinflussen sehr schnell Leute, die rassismus-anfällig sind (sind auch leider ein großer Teil der Menschen).
Solange keine Sitten- u. Gesetzwidrigkeiten begangen werden, darf jeder was sagen, was er will. Daher würde ich nie die Veröffentlichung dieses Buchs verbieten.
Aber man muß das nicht mitmachen.
Jarek-San, iIch werde auch nie das "ausbleibende" Gegenstück auf diesem Forum veröffentlichen. Erstens weiß ich nicht, wer meine Sachen liest, und zweitens, ich bin einfach zu müde, nach der Arbeit so viel Zeit mit unerfreulichen Themen zu verbringen.
(Ich möchte nicht mißverstanden werden: Ich gehöre definitiv nicht zu den Japanern, die alles Unangenehme nicht wahrnehmen wollen. Meine Regale sind voll von (Auto)biographien und historischen Quellen aus den Themenbereichen das Dritte Reich, NS-Täter, Taiwan, Korea, 731, Ohshima, Tojo, Ishihara, etc.)
@Jarek
Ich bin ein Pragmatiker, daher sehe ich keinen Unterschied mehr, ob die Vergangenheit formell aufgearbeitet wurde oder nicht, wenn sie in der Tat alles vergessen wurde und im Alltag die gleiche Situation entsteht, als hätte man sie nicht aufgearbeitet.
Was ich hier sehr bedauerlich finde, ist, daß der die Vergangenheitbewältigung im Schulwesen und in der Politik unter vielen Deutschen wie ein "Alibi" funktioniert, etwa "Schau mal, wir hatten alle so viele Jahre im Geschichtsunterricht das Thema NS gehabt".
So wie jemand, der vielleicht vor 30 Jahren mal fünf Jahre lang Spanisch gelernt hatte und auch dies auf dem Zeugnis steht, wobei er heute kein Wort mehr sprechen kann. Gut, wenn er eine 1 auf seinem Zeugnis sieht. Manche haben im Unterricht geschnarcht, manche haben die Schule geschwänzt, manche haben bei der Klausur gemogelt und die der Nachbarn abgeschrieben, haben im Unterricht der guten Note zuliebe nur das vollgelabert, was den Lehrern gefällt. Manche schimpfen, sie hätten ohne den Zwang von der Schule nie Spanisch gelernt (den gleichen Satz höre ich sehr oft, was die NS-Vergangenheit angeht!)....trotzdem sagen sie "Ja, ich habe Spanisch gelernt."
- oder? Sobald ein Spanier auftaucht, sagen sie schweißgebadet "Äh, es ist schon lage her...", aber wenn ein Japaner kommt (Spanischsprechende Japaner gibt es sehr selten), dann schreiben sie ihre schulsche Leistung groß.
So kommt's mir vor. Eine Tragikomödie.
Ich prädiere auf keinen Fall für die japanische Lösung (einfach schweigen).
Was hat man denn aber von tollem "Geschichtsunterricht"?
Ich an Stelle eines Deutschen würde mich niemals mit dem Ergebnis der Geschichtsunterrichte und der Vergangenheitsbewältigung zufrieden geben.
Zum Schluss erzähle ich Euch von einem Erlebnis von mir, um zu verdeutlichen, daß die "Deppen" nicht immer Leute aus dem niedrigeren Bildungs- u. Sozialniveau sind.
Ich habe ganz am Anfang meines Deutschlandsaufenthaltes in einer WG gewohnt, wo die Mitbewohner ausschließlich studiert haben und sich für "linksliberal, intellekt, alternativ" gaben. Sie waren sehr nett zu mir, aber einige ihrer Gäste (auch Gleichgesinnte) überhaupt nicht. Ein paar von ihnen grüßten mich nie, tauschten mir mir keine Worte, waren wirklich unzugänglich. Ich habe irgendwann meine Mitbewohner gefragt, warum.
Sie haben mir zögernd, aber am Ende auf meinem Drängen hin gestanden. Sie finden Japan und Japaner schrecklich. Die machen alle Wälder kaputt, sie fressen alle lieben Tiere aus dem Meere, sie sind so unehrlich mit ihrem Lächeln, sie sind geldgierig, sie sind undemokratisch und unpolitisch (tja, woher kennt man dies? Eine gewisse Bibel namens S...) und haben Leute mit gleicher Hautfarbe getötet (? das habe ich nie verstanden! Hätten wir also ohne Bedenken Afrikaner oder Juden töten dürfen?!?!?), und so weiter, und so weiter. Also hätten sie keine Lust, jemals in ihrem Leben Japaner kennenzulernen.
Der Rassismus und die Diskriminierung haben mit dem Bildungs- und Sozialstand nichts zu tun. Eine Freundin von mir, meine beste Freundin aus Deutschland und auch eine meiner besten Freunde und Freundinnen meines Lebens, hat nicht mal einen Realschulabschluß.
Ich wünsche Euch viel Erfolg mit Japanisch.
Ich wünsche mir, daß Ihr viele Japaner kennenlernt und die Kultur und die Menschen selber anfaßt und umarmt, sie selber miterlebt und selber denkt, wer wir sind und was Japan ist.
Ich habe die Zuversicht, daß Ihr's schafft. Tschüß.
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