Letzten Sommer hatte ich ein wenig über die Regeln, 
shikimoku (式目) bei 
den 
ren-ga-kai (連歌会 ) geschrieben und dann die ersten Zeilen eines Hyakuin-
renga aus der Muromachi-Zeit (室町時代, 1333 - 1568) übersetzt.
Dabei handelte es sich um das 宝徳年間百韻 ("Hundert Reime aus der Hôtoku-Ära") 
aus dem Jahre 1451, bei dem die Zeilenanfänge fortlaufend dem Iroha-Schema 
folgten.
Die Form des 
Renga  findet sich, wie damals erwähnt, erstmals schon zum Ende 
der Nara-Zeit 759 im Manyoshu (万葉集). 
Eine richtige Blüte erlebte die Renga-Kunst jedoch erst ab der Kamakura-Zeit als 
auch  in den Kreisen der Samurai, das gemeinsame, gesellige Dichten, 
za no 
bungaku (座の文学 ) immer beliebter wurde.
In den höfischen Kreisen war dagegen die Renga-Dichtung bis ins frühe japanische 
Mittelalter hinein, als nicht so seriös wie die klassische Uta-Dichtung angesehen. 
Hier dominierten im weiterhin die 
uta·awase (歌合; 歌合わせ), die Dichterwettbewerbe, 
bei denen es in der Regel galt, das beste Gedicht zu einem bestimmten, jeweils 
vorgegebenen Thema (
Dai, 題) zu dichten.
In der Waka-Dichtung hatten sich hierbei immer komplexere Regelwerke entwickelt, 
die zu beherrschen, unter anderem, oft auch eine außerordentliche Belesenheit 
erforderte. 
Erst in der frühen Muromachi-Zeit erreichte die Renga-Dichtung durch hervorragende 
Dichter wie zB Nijo Yoshimoto (二條良基, 1320–1388) und Tonna (頓阿, 1289 - 1372) 
schließlich auch am Hof gleichrangige Anerkennung.
Genau auf 
 Tonna  will ich hier nun einmal genauer eingehen, da von ihm ein 
iroha·uta  (伊呂波歌) überkommen ist, das ich in mehrfacher Hinsicht 
sehr interessant fand.
![[Bild: kakinomotohitomarozoudentonasaku.JPG]](http://www.city.shirakawa.fukushima.jp/data/7d441e0a2f212f4/kakinomotohitomarozoudentonasaku.JPG) Tonna
Tonna ( 頓阿弥)
Bevor ich auf dieses iroha·uta zu sprechen komme, zunächst jedoch erst einmal ein 
kurzer Exkurs zum Leben und Wirken Tonna's:
Tonna, auch Ton'a gesprochen, bzw. Toami ( 頓阿弥) genannt, ist sein Mönchsname. 
Geboren wurde er 1289 als Nikaidô Sadamune in der angesehenen Adelsfamilie 
Nikaido (二階堂) und wie viele jüngerer Söhne, für die keine Aussicht bestand, 
jemals eine bedeutende Stellung in der Familienhierarchie zu erlangen, ging er mit 
20 Jahren ins Kloster; zunächst studierte er im Enryakuji auf dem Berg Hiei, später 
auf dem 
Koya-san und in verschiedenen anderen Tempeln in Kyoto und 
Umgebung die Kunst der Dichtung. Dabei beeindruckte er schon bald seine Lehrer 
und wurde immer öfter gern gesehener, zunehmend bewunderte Teilnehmer 
der regelmäßig im höfischen Rahmen stattfindenden uta·awase.
1364 wurde ihm als Krönung seiner Dichterlaufbahn schließlich auf kaiserlichem
Befehl, nach dem Tod des vorherigen, leitenden Kompilators, die Vollendung der 19. 
Kaiserlichen Gedichtanthologie 
Shinshûishû (Shinshûiwakashû)
新拾遺和歌集 übertragen. Niemals vorher war jemand ohne Fürstenrang mit einer 
solchen Aufgabe betraut worden! In die Anthologie wurden dabei gleich 9 seiner 
eigenen Gedichte aufgenommen. In der 20. Kaiserliche Anthologie, die 1383 
(nach Tonnas Tod) herausgegeben wurde, finden sich 8 weitere und in der 21. 
Kaiserliche Anthologie sogar 19 Gedichte Tonnas.
Zu dieser Zeit zählte Tonna dann schon zu den 
4 Dichterkönigen, den 
waka·shintennô (和歌四天王) der Nanboku·chô·jidai (南北朝時代, der Zeit der 
nördlichen und südlichen Dynastien, 1336- 1392) und wurde über ca. 500 Jahre 
bis in die Edo-Zeit hinein immer wieder als höchster Meister der Uta-Dichtkunst 
verehrt.
Die weiteren drei Dichterkönige der nördlichen und Südlichen Dynastien waren 
Yoshida Kenkô (吉田兼好), der Autor des Tsurezuregusa (徒然草), der 
"Betrachtungen aus der Stille", sowie  Jouben (浄弁) und  Keiun (慶運), von denen 
sich deutlich weniger Gedichte in den Kaiserlichen Sammlungen finden.
![[Bild: o0179029610189492400.jpg]](http://stat001.ameba.jp/user_images/20090531/22/hirokoutei/b5/ce/j/o0179029610189492400.jpg)
(吉田兼好)
Eine Technik, die hochangesehen war und die Tonna meisterhaft beherrschte 
war die des 
honkadori (本歌取り), worunter man das geschickte Adaptieren 
von Form, Lautmelodie und/oder Inhalt berühmter Gedichte, vorzugsweise aus den 
vorangegangenen kaiserlichen Gedichtsammlungen verstand.  
Hierzu ein Beispiel:
Bei einem uta·awase dichtete Tonna, auf das vorgegebene dai "Kirschblüte" hin,
folgendes uta:
(Quelle: 
http://tois1.nichibun.ac.jp/database/htm..._i151.html)
![[Bild: 4333_disp.jpg]](http://www.geo.de/img/userinhalte/picture_contest/5/43/4333_disp.jpg) あふさかの  せきのせきもり   いとまあれや
あふさかの  せきのせきもり   いとまあれや  
ひとをととむる  はなにまかせて
 mit Kanji zur besseren Lesbarkeit versehen:
逢坂の   関の関守  暇あれや
人を止どむる   花にまかせて。
Die Wächter der Grenzschranke "Treffsteige" können eine Pause machen -
und ihre Aufgabe, die Menschen anzuhalten, den Blüten überlassen.
あふさか ist dabei wieder die, schon einmal hier im thread, in Zusammenhang mit einem 
Gedicht von Kanke aus den Hyakunin·isshu (百人一首), den „Hundert Gedichte 
von hundert Dichtern“ genannte "Treffsteige", ein lange Zeit wichtiger Grenzkontrollpunkt 
und Opferplatz an der Grenze zwischen dem heutigen Kyoto-fu und Shiga-ken.
Spannend ist nun, das Tonna nach dem Prinzip des honkadori hier auf ein Gedicht 
von 
Shoumyou (勝命法師) aus der berühmten 8. kaiserlichen Gedichtsammlung 
Shinkokinshû (Shinkokin wakashû, 新古今和歌集, 1216), kompiliert von 
Fujiwara no Teika 
und anderen, zurückgriff.
(Quelle: 
http://home.cilas.net/~jikan314/shinkoki...tu-a.htm):
![[Bild: kome03_2.jpg]](http://joewatanabe.blogzine.jp/city_hokuto/images/kome03_2.jpg)
![[Bild: kome03_2.jpg]](http://joewatanabe.blogzine.jp/city_hokuto/images/kome03_2.jpg) あめふれば    おだのますらお    いとまあれや
あめふれば    おだのますらお    いとまあれや   
なわしろみずを   そらにまかせて
wieder mit Kanji zur besseren Lesbarkeit versehen:
雨降れば    小田の丈夫    暇あれや    
苗代水を     空に任せて
Wenn Regenwetter herrscht können die Männer in den Feldern eine Pause machen -
und ihre Aufgabe, die Reisbeete zu wässern dem Himmel überlassen.
Bei den  苗代  nawashiro  handelt es sich um die Reisbeete für die Anzucht von Setzlingen 
und 苗代水 meint dann die Bewässerung derselben.
Zum Vergleich noch einmal beide Gedichte untereinander, um das Prinzip der 
Allusion 
zu verdeutlichen:
あ めふれば    おだ の ますらお    いとまあれや    なわしろみずを   そら にまかせて 
  あ ふさかの    せき の せきもり     いとまあれや   ひとをととむる    はな にまかせて
Tonna nutzt sowohl die 
syntaktische Struktur als auch das 
Grundthema 
des Wakas von Shoumyou  hier ganz geschickt und füllt sie mit neuen Bildern. 
Selbst die 
Sprachmelodie bleibt dabei weitgehend erhalten.
Grundthema beider Waka ist die plötzliche und unerwartete Unterbrechung der 
Arbeit (Reis pflanzen/Reisende kontrollieren) durch Ereignisse außerhalb 
menschlicher Enflußnahme (Regen/Blütenpracht).
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Das Iroha-Renga von Tonna dann, damit das posting nicht unübersichtlich wird demnächst.