(16.04.13 07:22)Heulsuse schrieb: Ich kenne dort aus meinem persönlichen Hintergrund Ofunato sehr gut und habe dort ebenfalls als freiwilliger Katastrophenhelfer mitgewirkt. Von "Spontanität und Improvisation" seitens der Regierung war und ist dort rein gar nichts zu spüren. Die haben es nicht einmal geschafft, die Bahnhöfe in dieser Gegend wieder richtig in Gang zu bringen. Die meisten werden auch heute noch nur spontan und improvisiert von einem Bus angefahren.
Wie Hachiko schon schrieb, ist die Frage worüber wir hier eigentlich reden. Über das Krisenmanagement
(das ich im Falle Tokyo und 11.3.11 gelungen fand) oder jetzt über die Phase des Wiederaufbaus in Tokohu,
bei der tatsächlich viele Menschen von der Zentralregierung sehr enttäuscht sind.
Sowohl beim Krisenmanagement/Notfallplänen als auch Wiederaufbau gibt es Licht und Schatten und die
konkreten Situationen sind von Ort zu Ort vollkommen verschieden.
Da Du dich da auskennst: Nimm zum Vergleich die benachbarten Städte Ofunato und Rikuzentakata.
Da Rikuzentakata im Gegensatz zu Ofunato beim Chile-Tsunami relativ verschont geblieben war, hatte
man in den Folgejahren in Ofunato viel mehr Tsunami-Vorsorge als in Riku getrieben, ua. wurden etliche
öffent. Einrichtungen verlegt und mehr Wert auf Fluchtwege gelegt.
Ofunato wurde 2011 wieder schwer getroffen, aber in Riku sind nicht nur mehr als 4-mal soviele Menschen
gestorben, auch die gesamte Infrastruktur ist förmlich vernichtet worden.
Die Stadtverwaltung von Ofunato (nicht die Tokyoter Zentralregierung) hat dann nach der Katastrophe
sehr schnell reagiert. Schon im Juli 2011 waren neue Bebauungspläne fertiggestellt und inzwischen liegt
eine Liste von 150 Wiederaufbauprojekten vor, von denen bei meinem letzten Besuch (Oktober 2012) ca.10%
der Projekte fertig gestellt und 66% begonnen wurden. Keine Ahnung, ob sie ihr "10-Jahresziel" einhalten
können, da bin ich skeptisch. Über 5000 Gebäude wurden beschädigt, fast 3000 völlig zerstört und nun
sollen ca. 1500 wieder aufgebaut werden, davon mindestens 650 an höheren Standorten.
Das die Leute, die kein Arbeit haben, alles verloren haben und weggezogen sind, oder wie meine Freunde
dort zT in den temporären Siedlungen hausen, oft am verzweifeln sind ist keine Frage.
Aber wenn ich lese "Die haben es nicht einmal geschafft, die Bahnhöfe in dieser Gegend wieder richtig in
Gang zu bringen." Was heißt denn "nicht mal"? Der größte Teil der Küstenstrecke wurde weggespült,
inklusive Gleisbett und Dämmen. Natürlich hat JR-East nicht gleich wieder die Bahnstrecke aufgebaut,
wo es in Kesenuma, Rikuzentakata ua noch keine Bebauungspläne gab oder gibt und die Stadtverwaltungen
nicht mal sagen konnten und zT können, wo sie wieder Bahnhöfe haben wollen. Aber seit letztem Jahr
haben sie nun auf dem alten Bahnkörper der JR大船渡線 als Provisorium eine straßenunabhängige バス高速輸送
(BRT-Linie) eingerichtet und Anfang März eröffnet. Alles kleine Schritte, aber bei soviel Zerstörung.. auf über
500 km Küstenlinie ...
.. als ich die Verwüstungen das erste Mal sah, raubte es mir den Atem. Seitdem versuche ich, wie Tausende
anderer ganz prakmatisch beim Wiederaufbau mitzuhelfen und freue mich auch über jeden kleinen Fortschritt
dort.