Zitat:...obwohl sie in der selben Silbenreihe stehen. Daher frage ich mich, wie sich zwei Laute in der selben Reihe so auseinanderentwickeln konnten.
Ich glaube, da zäumst Du das Pferd vom Schwanz auf. Die japanische Phonetik wurde ja nicht auf dem Reißbrett entworfen. Will heißen: Es hat sich niemand VOR "Erfindung" der japanischen Sprache hingesetzt und z. B. die 50-Laute-Tafel festgelegt, bevor es überhaupt Sprecher gegeben hat.
Das ist die berühmte Frage danach, was zuerst da war: Die Henne oder das Ei... Daß es z. B. eine "ha"-Reihe gibt, ist ein nachträgliches Konstrukt von Grammatikern, die sich - wie überall in der Welt - darüber Gedanken machen, wie man das, was in einer Sprache bereits vorhanden ist, in irgendwelche Systeme oder Regeln fassen kann. Die Henne-Ei-Frage ist hier sehr leicht zu lösen, denn es MUSS erst eine Sprache da sein - noch dazu, ziemlich lange schon -, bevor es einen Menschen geben kann, der sich die Grammatik (= Sprachbeschreibung, nicht Sprachschöpfung!) als Betätigungsfeld wählen kann.
Und daß grammatische Beschreibungsversuche nie ein absolut unanfechtbares, nach allen Seiten hin in sich stimmiges Erklärungsgebäude fabrizieren können, liegt schlichtweg in der Tatsache begründet, daß die Teile, die das Material für dieses Gebäude liefern (nämlich die Phänomene der bereits vorhandenen Sprache) eben nicht nach völlig logischen Prinzipien entstanden sind. Wie soll man aus lauter Steinen, die von Natur aus teilweise sehr verschieden sind, ein gleichmäßiges Gebilde mauern? Das geht nur, indem man sich bemüht, alle die Steine, die sich noch am ähnlichsten sind, in jeweils eine Reihe zu legen, und dann genügend Mörtel parat zu haben, um die dennoch zwangsläufig entstehenden Fugen großzügig ausspachteln zu können.
Die ungleichen "Steine" in meinem Bilde sind die Silben der japanischen Sprache, und der "Mörtel", den man in der einen Reihe mehr, in der anderen weniger großzügig benötigt, ist die Toleranz gegenüber der Tatsache, daß das Ganze eben nicht so schön ebenmäßig und logisch ist, wie man es vielleicht gern hätte.
Das "Gebilde", das in Form der 50-Laute-Tafel "gemauert" wurde, ist ein
nachträglicher Versuch, die bestehende Silbenvielfalt des Japanischen irgendwie zu ordnen (und zwar - in diesem Fall - nach dem Vorbild der Lauttafeln des Sanskrit). Daß das letztlich nur ein Modell ist, das die Formenvielfalt irgendwie halbwegs greifbar machen soll, aber eben nicht absolut stimmig sein kann, ist nunmal nicht zu ändern.
ひ und ふ werden nicht verschieden gesprochen, OBWOHL sie in derselben Reihe stehen, sondern sie stehen DESHALB in derselben Reihe, weil sie sich immerhin doch so ähnlich sind, daß sie noch am ehesten zusammen in eine Reihe gehören.
PS: Leider kann ich Dir zu dem konkreten Fall zur Aussprache des ひ und seiner eventuellen grundlegenden Aussprache-Änderung (die ich jedoch nach wie vor für ein Gerücht halte) im Moment keine präziseren Angaben machen, da ich mit den Vorbereitungen für mein Auslandsstudium zu beschäftigt bin, um nach München in unsere Institutsbibliothek fahren und der Sache in Fachbüchern auf den Grund gehen zu können. Aber sobald ich einmal die Zeit dafür habe, werde ich meine Erkenntnisse hier nachtragen - sofern das bis dahin nicht schon ein anderer getan hat...