Im Thema
Kinder und Haustiere hat sich ein starker Seitenast über den Umgang mit und die Akzeptanz mit Behinderung und Behinderten in Japan ergeben.
Wie atomu richtig bemerkt hat, ist dies ein eigenes Thema wert. Ich gebe einen Überblick über den Stand der Diskussion:
Dirk 26 stieß das Thema an mit:
Bezueglich der behinderten Kinder: Gibt es Sonderschulen oder werden die Kinder in den normalen Schulen integriert oder gibt es zumindest Bestrebungen dahin. Wie verhalten sich Eltern, wenn sie ein behindertes Kind haben? Ist es eine Schande? Verstecken sie ihr Kind? Oder geht man inzwischen auch ganz normal damit um?
Gibt es fuer die Erwachsenen Wohnheime oder Wohngemeinschaften? Oder eher grosse Institutionen?
FF7Cayn schrieb:
Zu den Behinderten:
Nun ich denke das kommt auf den Behinderungsgrad an.
Vor allem welche Art von Behinderungen.
Meiner Erkenntnis nach werden behinderte Kinder in besonderen Schulen unterrichtet.
Aber auch das würde ich gerne an die Personen weiterleiten, die dort Wohnen und dies wohl genauer wissen werden. (Hoffe ich zumindest)
Ich nehme an, von der mit bisher bekannten Japnischen Menthalität sind behinderte Kinder akzeptiert.
Inwieweit akzeptiert, kann ich dir leider nicht sagen.
Aber ich Maile dies mal an meine Bekanntschaften dort weiter, mal sehen was sich daraus ergibt.
Ich finde das Thema auch sehr interessant.
Ist vor allem besser als das ewige "Was machst du so etc.".
Ich bleib am Ball
Botchan hingegen führte aus (und atomu stimmte zu):
Zu den Haustieren kann ich auch nichts Neues beisteuern. Daß Hunde und Katzen sehr beliebt sind, kann ich bestätigen, aber das war's auch schon.
Zu den Behinderten habe ich auch (noch) nicht so besonders tiefe Kenntnisse, allerdings möchte ich vielleicht einen Wermutstropfen in die hier bisher verbreitete "Behinderte Kinder sind akzeptiert"-Stimmung träufeln.
Der gesellschaftliche Umgang mit Behinderten orientiert sich weitgehend am Muster des Umgangs mit anderen Minderheiten in Japan. Solange man sie nicht sieht, ist alles kein Problem, aber man soll sie auch bitte nicht sehen müssen. Und wenn sie einem dann doch offensichtlich über den Weg laufen, dann schaut man in die andere Richtung und kann sich damit beruhigen, daß man sie eben doch wieder nicht gesehen hat - auch wenn das natürlich ein klarer Fall von Autosuggestion ist, aber die ist in Japan sehr verbreitet.
Wie gesagt: Ich kann im Moment keine wissenschaftlichen Untersuchungen zu diesem Thema anführen und habe mich bisher auch noch nicht so intensiv damit auseinandergesetzt, daß ich hier wagen würde, irgendwelche Thesen aufzustellen, aber das, WAS ich bisher kenne, ist nicht sehr ermutigend.
Wer einen literarischen Zugang sucht, dem kann ich nur die Bücher von Ôe Kenzaburô empfehlen. Der japanische Literatur-Nobelpreisträger von 1994 hat selbst einen behinderten Sohn und seine Bücher kreisen um dieses Thema. In Hinblick auf "Umgang der Gesellschaft mit Behinderten" empfiehlt sich vielleicht vor allem sein Buch "Shizukana seikatsu", auf Deutsch als "Stille Tage" erhältlich. Dort wird in einzelnen Episoden das Leben einer kleinen Familie mit einem behinderten Sohn dargestellt. Und es kommen auch Kontakte mit der "Außenwelt" und Reflexionen über deren Verhalten darin vor.
Im Übrigen bin ich einmal sehr gespannt, was die Japaner, die FF7Cayn befragt hat, antworten werden. Ich fürchte, daß sie - sofern sie nicht selbst direkt irgendwie betroffen sind - darüber praktisch nichts wissen (und auch nicht wissen wollen) und deshalb recht pauschale Antworten geben werden... sofern sie überhaupt zu diesem Thema antworten. Wie gesagt: Ich bin gespannt.
Ich selbst bin seit einigen Monaten dabei, eine Freundschaft zu einer japanischen Mittelschullehrerin aufzubauen, die sich zur Zeit im Babyjahr befindet und deswegen Zeit hat, nebenbei ein Fernstudium zu absolvieren. Sie macht da ein Aufbaustudium in Behindertenpädagogik und Gebärdensprache, weil es an ihrer Schule (einer "normalen" Mittelschule) auch Behindertenklassen gibt, und sie nach ihrem Babyjahr auch in diesen arbeiten möchte. Ironie der Geschichte: Natürlich hat sie MICH gefragt, wie denn der Umgang mit Behinderten in Deutschland aussehe, ob es auch behinderte Kinder in normalen Schulen gebe usw. usf. Da merkte ich wieder einmal, wie wenig man über Themen weiß, die einen nicht direkt betreffen...
EDIT... hier vielleicht noch der Artikel 1 aus dem immer noch gültigen "Fundamental Law of Education", der ein bißchen ein Licht darauf wirft, welche Menschen man beim Erlaß dieses Gesetzes im Hinterkopf hatte - und welche anderen in der Gedankenwelt der Gesetzgeber von vornherein überhaupt nicht existieren... Das Gesetz ist in Japan das oberste Schulgesetz, also quasi das Grundgesetz aller weiteren Schulgesetzgebung und gilt deswegen natürlich für alle Schüler. Seltsam nur, daß bereits in diesem obersten Schulgesetz, das ja naturgemäß im Vergleich zu allen nachgeordneten Gesetzen noch am allgemeinsten gefaßt ist, ein Teil der Schüler ganz einfach totgeschwiegen wird... Andererseits: So "seltsam" ist das nun auch wieder nicht, schließlich sind "wir Japaner" "ein homogenes Volk"...
Zitat:
Artikel 1: Ziel der Erziehung
Erziehung soll die volle Entwicklung der Persönlichkeit zum Ziel haben, sie soll danach streben, geistig und körperlich gesunde Menschen zu formen, die Wahrheit und Gerechtigkeit lieben, individuelle Werte schätzen, die Arbeit achten, ein tiefes Verantwortungsgefühl besitzen und von einem unabhängigen Geist beseelt sind, um sie so zu Erbauern eines friedvollen Staates und einer friedvollen Gesellschaft werden zu lassen.
( Übertragung und Hervorhebung von mir;
Quelle z. B. hier:
http://www.u-gakugei.ac.jp/~takeshik/funda.html )