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Wiedervereinigung
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Koumori


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Beitrag #21
RE: Wiedervereinigung
Tatsächlich kann man, wenn man in der DDR aufgewachsen ist - noch dazu wie ich im Tal der Ahnungslosen, wo es kein Westfernsehen oder Westradio hingeschafft hat - zumindest zum Teil nachvollziehen, wie es in Nordkorea sein muss. Neben den vielen Dingen, die zur Wiedervereinigung führten, kommt natürlich dazu, dass die Menschen in der DDR das System nicht mehr so wollten und schon seit einer Weile montags auf die Straße gingen um zu demonstrieren - und zwar massenhaft. Das sehe ich halt in Nordkorea nicht. Ich hätte gedacht, dass ein junger Führer, der im Ausland studiert hat, etwas Lockerung ins System bringt, aber dazu braucht es offensichtlich noch mehr.

Als ich in China war, fing China gerade wieder an, Nordkoreanische Studenten ins Land zu lassen (nachdem man sich vorher von Nordkorea abgewandt und zu Südkorea diplomatische Beziehungen aufgenommen hatte). Das führte dann in Pekinger Studentenwohnheimen zu einigen eingeschlagenen Nasen und Zimmertüren zwischen Nord- und Südkoreanern.

Und was die Koreaner und Japaner betrifft - es ist doch oft so, dass Leute aus Nachbarländern sich gegenseitig nicht leiden können und "anders" finden, vor allem, wenn dann noch die II.-Weltkriegsgeschichte dazukommt. Dass man tatsächlich viele Gemeinsamkeiten hat, stellt man dann viel einfacher fest, wenn man zusammen auf einem anderen Kontinent ist und die Leute dort noch "anderer" sind.

Firith, danke für den schönen Bericht. In Berlin warst Du natürlich direkt an der Quelle. zwinker Ich kann mich erinnern, dass meine Familie, inklusive mir, das anfangs überhaupt nicht glauben konnte - oder damit gerechnet hat, dass es sofort wieder rückgänging gemacht wird, darum hat sich zum Anfang keine Euphorie bei uns breitgemacht. Wochen später sind wir dann mal nach Hamburg gefahren - und den Tag werde ich nie vergessen. Ich weiß noch genau, was wir im einzelnen gemacht haben, was wir gekauft haben - vor allem Schokolade - und ich weiß auch noch genau welche Sorten. Ich habe zum ersten Mal im Leben Kiwis (die Früchte) gesehen und fand die total faszinierend, genauso wie Mandarinen an denen die Blätter noch dran waren. Bis heute freu ich mich jedesmal wie ein kleines Kind, wenn ich Mandarinen mit Blättern dran sehe. Wenn es in der DDR überhaupt mal welche gab, dann nie mit Blättern.
Wir hatten eine Tante im Westen, die uns manchmal Weihnachten besucht hat, und es ist schön, dass wir nun nicht mehr auf Weihnachten warten müssen - oder sie einfach selber besuchen können wann immer wir wollen.
Eine andere Tante von mir war schon zu DDR-Zeiten mit dem System angeeckt (viele Details haben wir alle erst Jahre später erfahren) und ist mit meiner Cousine sofort über die ungarische Grenze, als diese aufgemacht wurde. Ich dachte, dass ich sie vielleicht nie wieder sehe, aber das ist ja zum Glück dann anders gekommen. grins

^^;~;^^
20.11.14 09:18
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Firithfenion


Beiträge: 1.727
Beitrag #22
RE: Wiedervereinigung
(19.11.14 23:05)torquato schrieb:  Obwohl, dann gab es da ja noch diesen Übergang am ehemaligen Tränenpalast. Aber war der nicht eigentlich nur für Rentner mit Reiseerlaubnis..? kratz

War der Stempel wirklich noch auf/über dem Paßphoto? MW wurde diese Praxis ja noch im Laufe der Nacht wieder geändert. Hast Du den noch?


Genau, wir sind in den sogenannten "Tränenpalast" gegangen. Das war ein separates Gebäude mit Eingang zur S-Bahn nach Westberlin. Den Namen hatte er wegen der Trennungsszenen die sich dort manchmal abspielten, wenn der Westbesuch wieder zurück fuhr und man sich dort verabschiedete. Sowie ich dort eintrat war das für mich völlig unbekanntes Terrain und ich orientierte mich einfach an den Menschenmassen. Den Kontrollposten fragte ich sogar noch: "Aber ich kann doch wieder zurück kommen, oder?" Er brummelte irgendwas von "ja ja" und knallte mir dann den Stempel rein. Wie ich heute weiß, hat er also eigentlich gelogen denn der ursprüngliche Sinn des Stempels war ja die "Frevler" die unbedingt hinüber wollten, eigentlich "auszusperren". Um Unruhen zu vermeiden, hat man das aber verschwiegen und so getan, als wäre es lediglich eine Art "Kontrollstempel".


Ich glaube diese Stempelaktion war eine psychische Selbstberuhigung für die Grenzwächter. Für die ideologisch überzeugten unter ihnen, die ernsthaft glaubten die Mauer würde den Weltfrieden sichern, muss eine geistige Welt zusammengebrochen sein. Damit sie nicht ganz wie Idioten da standen, verlangten sie von jedem der durch wollte den Personalausweis, glotzten hinein und knallten einen Stempel rein. Das hielt wahrscheinlich ihr Selbstbewusstsein aufrecht, damit sie sich nicht für völlig überflüssig hielten.

Den DDR Ausweis habe ich noch, wegen Torquatos Frage habe ich extra nachgeschaut. Also der "Ausbürgerungsstempel" befindet sich bei mir nicht auf dem Passbild sondern weiter hinten im Bereich "Vermerke". Es ist offenbar der gleiche Stempel den bis dato diejenigen erhielten die einen Ausreiseantrag gestellt hatten und dann (nach oft jahrelanger Wartezeit) ausreisen durften aber ohne Wiederkehrrecht. Es steht darauf "Visum gemäß Antragstellung". Darüber ist dann noch ein anderer Stempel mit dem Vermerk "Ungültig". Den erhielt ich vermutlich als ich ein paar Stunden später wieder zurück kam, weil man es sich wohl bis dahin anders überlegt hatte, das die Menschenmassen doch schlichtweg zu gewaltig waren um sie alle ausbürgern zu können.

Dann habe ich noch etwa 14 kleine grüne Stempel. Das waren dann wirklich nur noch Kontrollstempel bei meinen folgenden Besuchen in Westberlin. Auch diese Praxis wurde aber nach ein oder zwei Wochen aufgegeben, weil viele fast täglich rüberfuhren und da wäre dann ja in den Ausweisen nach drei oder vier Wochen überhaupt kein Platz mehr zum Stempeln gewesen. Aber ehrlich gesagt, wer oder was da rein gestempelt wurde, dafür interessierte sich kein DDR Bürger mehr in diesen Tagen. Hauptsache war, das man zum ersten mal im Leben auf die andere Seite durfte.

Vor kurzem habe ich einige Erinnerungen von Prominenten zum Mauerfall in der Zeitung gelesen. Ein Hollywoodschauspieler - ich glaube es war George Clooney - schrieb das er in dieser Nacht in Berlin war, in einem Hotel am Kurfürstendamm. Sinngemäss schrieb er: "Ich schaute aus meinem Hotelzimmer auf die Menschenmassen, die sich staunend umschauten als wenn sie auf einem anderen Planeten wären".

Ich musste dabei schmunzeln. "Als ob sie auf einem anderen Planeten wären". Ja, das triffts, ich glaube genau so muss ich damals dreingeschaut habe als ich mit den anderen Menschen plötzlich dort am Kurfürstendamm entlang schlenderte und mir alles anschaute.

Truth sounds like hate to those who hate truth
20.11.14 13:34
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