Beitrag #6
RE: Wie wird man am besten Übersetzer?
Übersetzer ist keine geschützte Berufsbezeichnung, kein Ausbildungsberuf, jeder darf sich als Übersetzer ausgeben, so wie auch als Schriftsteller, Fotomodell oder Pianist.
Man kann jedoch den Rang eines beeidigten Übersetzers erlangen, dafür bieten Kultusministerium und Industrie- und Handelskammer Prüfungen an, und es gibt auch Studiengänge, deren Abschlußprüfung diesen Status verleiht. Geprüft wird die Fähigkeit zum Übersetzen von Fachtexten über volks-, betriebswirtschaftliche und juristische Themen. Man kann dann für viel Geld Abschlußzeugnisse, Ausfuhrpapiere und derlei Urkunden übersetzen, von denen man die Übersetzung oft schon im Computer liegen hat und nur Namen und Datumsangaben anpassen braucht, und man kommt an Aufträge im Zusammenhang mit Gerichtsprozessen.
Man kann sich aber auch einfach bei Übersetzungsagenturen, von denen es hunderte gibt, um Aufträge bewerben. Das muß keine ausgefeilte Bewerbung sein, eine kurze Notiz genügt, etwa so: Ich bin Spezialist für die Übersetzung japanischer Videospiele ins Deutsche und habe noch Kapazität frei. Als Honorar erwarte ich € 0,40 pro 100 Anschläge.
Diese Honorarvorstellung ist nicht hoch, aber wohl realistisch, in diesem Fachbereich sind die Arbeitsbedingungen besonders schlecht. Daß man wie Dr. Fuchs mit Donald Duck eine Lebensstellung erlangt, in der man auch noch seine Kreativität zur Geltung bringen kann, ist äußerst unwahrscheinlich. Man hat mir immer wieder mal größere Aufträge im Bereich Manga usw. angeboten, aber nie zu akzeptablen Konditionen.
Als Übersetzer für technische Fachtexte aller Art, zumeist im Patentwesen, ging es allerdings mir in meinem Berufsleben nicht schlecht. Auf dem Höhepunkt habe ich umgerechnet ca. 100.000 Euros im Jahr verdient, war dabei immer zuhause und hatte stets Zeit für meine Kinder. Allerdings ist die Jagd im Laufe der Jahrzehnte immer schlechter geworden, branchenweit überhaupt, und auch, weil mein eigener Seltenheitswert abgenommen hat.
Viele Leute glauben, wer ein Übersetzer ist, der ist auch ein Dolmetscher und umgekehrt. Das ist nur in manchen Fällen zutreffend, denn das mündliche Kommunikationstalent des Dolmetschers braucht der Übersetzer nicht, dafür aber bessere Sprach- und Sachkenntnis. Ich habe gelegentlich Dolmetschaufträge angenommen wegen der manchmal sehr hohen Tagessätze, zuletzt habe ich an einem Tag 1000 Euros verdient, aber ich habe dann aufgehört damit, weil ich nach so einem Tag regelmäßig zwei, drei weitere Tage zu gar nichts mehr zu gebrauchen war.
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