RE: Wie wird man am besten Übersetzer?
Naja, das meiste habe ich auch nicht mit Patenten verdient sondern mit anderen Industrieaufträgen. Nicht zuletzt deswegen, weil ich modern ausgerüstet und z.B. einer der ersten war, der in Tokyo in dieser verschnarchten Branche mit Computer arbeitete. Es kam vor, daß unsere am Wapro erstellten Übersetzungen in der Agentur zwar nicht lektoriert aber von Hilfskräften mit Bleistift auf Genko-Yoshi abgeschrieben wurden, weil man andernfalls den Kunden erschreckt hätte.
Aber Patente habe ich immer gerne gemacht, die wurden in den 1990er-Jahren immer leichter zu übersetzen. Ältere Offenlegungsschriften enthalten manchmal sprachliche Schrullen, Dialektausdrücke, und ich habe sie vor allem oft in schwer leserlicher Druckqualität bekommen, im Telefax-Zeitalter.
Und was Du sagst über diesen Steuer- und Bürokratiekram, das ist schon sehr lästig in D. In J war es viel leichter, zumindest ist es in meiner Zeit so gewesen.
Und zu deiner persönlichen Frage: es stimmt schon, ich habe viel gemacht, wo ich nicht dabeigeblieben bin. Ich habe Maurer gelernt, Automechaniker, Diplomsoziologe, Zahntechnik usw.; vielseitig interessiert zu sein, ist aber ziemlich gut, wenn man Übersetzer für eine exotische Sprache sein will, weil da die thematische Bandbreite der Aufgaben viel größer ist als bei irgendeinem indogermanischen Dialekt, wo man sich fachlich spezialisieren muß.
Übrigens hatte ich sehr selten mit so langen Offenlegungsschriften zu tun (oder meinst Du das so, daß auf einem Blatt vier Seiten stehen?). Die allerlängste hatte tatsächlich etwa 20 Seiten, da bin ich allerdings ziemlich ins Schwitzen gekommen. Es ist aber in der Branche bekannt, daß die komplizierten Mechanismen z.B. in der Münzprägetechnik, im Textilmaschinenbau usw. kognitiv besonders herausfordernd sind, darum kann man da Aufschläge verlangen, vor allem dann, wenn andere angefragte Übersetzer schon abgelehnt haben.
Diese extremen Schachtelsätze, die sich tatsächlich über mehr als eine ganze Seite erstrecken können, kann man aufschlüsseln und typographisch durch Einrückungen so darstellen, daß sie für den deutschen Leser verständlich werden, da er sie selektiv in der einen und danach vielleicht nochmal einschließlich einer tieferen Verschachtelungsebene lesen kann und dabei den Überblick darüber behält, in welchem Stockwerk des Satzes er gerade ist. Was ich nicht kann, ist solche Schachtelsätze zu dolmetschen, und wenn ich bei dem Versuch dazu an meine Leistungsgrenzen gegangen bin, dann war - wie Du es ja auch erzählst - irgendwann Schluß, Akku leer im Oberstübchen, danke für den Schnaps, aber auch das bringt mein Hirn heute und morgen nicht mehr auf Normaldrehmoment.
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