Wie hast du in der Schule das Alphabet gelernt? Zumindest bei mir war das so, dass der Lehrer ein 'A' an die Tafel malte, uns erklärte, dass dies ein 'A' sei, noch einmal vorführte, wie man ein 'A' schreibt und uns dann anwies, es nun selbst zu versuchen.
Wenn dann jeder so ungefähr wusste, wie es geht, lautete die nächste Aufgabe, mehrere Zeilen in unserem Schreibheft mit mustergültigen 'A's zu füllen und als Hausaufgabe war es dann gleich eine ganze Seite.
(Hat sich daran inzwischen grundsätzlich etwas geändert?)
Analog wird das sicher in Japan sein. Die Reihenfolge wird durch die
Jōyō-Kanji vorgegeben. Da japanische Kinder in Japan ständig und überall von Kanji umgeben sind und grundsätzlich ja ihre Sprache schon sprechen (also die notwendigen Vokabeln kennen), wird es ihnen etwas leichter fallen, die Zeichen zu memorieren, als uns hier, denke ich.
Trotzdem oder zudem besteht ein riesiger Markt in Japan für Kanji-Lernhilfen, Kanji-Spiele, elektronische Lernmittel, Kanji-Karten etc. pp.
Langer Rede kurzer Sinn: Durch
schreiben, schreiben, nochmals schreiben sowie lesen, lesen, lesen und Wiederholung.
Die Bedeutungen werden zu Anfang auch gerne durch Bilder unterstützt. Wie es sich allerdings später verhält, würde mich auch interessieren, z. B. ob im Unterricht zu
jedem Jōyō-Kanji auch eine eindeutige japanische Vokabel für die Bedeutung gelehrt wird.
Die Kanji kommen mit ihren japanischen Hauptlesungen dann auch gleich in den Schulbüchern vor und es gibt natürlich passende Lesebücher mit Märchen und Geschichten, für die jeweiligen Schuljahre, in denen oft auch
Furigana verwendet werden. So können in den Büchern auch gerne mal schwierigere bzw. für spätere Schuljahre vorgesehene Kanji vorkommen - durch die Furigana können sie gelesen und sozusagen nebenbei mitgelernt werden. Kommen diese Kanji später im Unterricht dran, sind sie nicht mehr so fremd und werden schneller aufgenommen und durch die ständige Präsenz der Schriftzeichen werden diese mit der Zeit auch immer schneller aufgenommen und nebenbei wächst natürlich neben den aktiven Kenntnissen auch der passive Bereich an.
Was die Lesungen angeht, so scheinen zunächst die wichtigsten gelehrt zu werden, nach und nach kommen dann zusätzliche bzw. die unüblicheren Lesungen hinzu. Mir wurde allerdings berichtet, dass der
Kanken in den letzten Jahren immer beliebter geworden ist. Der 'Nihon Kanji Nōryoku Kentei Shiken' ist ein spezieller Kanji-Test, dessen Stufen sich nach den Schuljahren und Jouyou-Kanji orientiert und ein profundes Wissen rund um Bedeutung, Lesungen, Schreibung (inkl. Strichanzahl und -folge), Struktur, Radikale, Radikalnamen und Sonderlesungen der Kanji erfordert sowie einiges Vokabelwissen abverlangt. Aber selbst in diesem Test werden einige Lesungen erst in späteren Stufen abgefragt, obwohl das dazugehörige Kanji schon in einer früheren Stufe dran war.
Ein Japaner antwortete mir mal auf die Frage, wie es denn japanische Kinder machen, wenn sie in einem Text ein Kanji nicht kennen oder die Lesung nicht wissen: "Raten"...
Aber es war sein voller Ernst: Mit der Zeit gewinnt man Erfahrung im Raten der Lesungen und da Japaner ihre Sprache ja grundsätzlich beherrschen, kommen sie auch schneller auf die richtige Lesung, die in dem jeweiligen Satzzusammenhang sinnvoll ist.
Und noch etwas muss man beachten: Im ersten Schuljahr lernen sie "nur" 80 Kanji, das wären ungefähr alle 4-5 Tage eins (wobei ich nicht weiß, wie diese Kanji auf´s Schuljahr verteilt werden.) und in den folgenden 5 Schuljahren sind es nie mehr als 200, die offiziell gelernt werden müssen. Nach noch einmal 3 Jahren müssen die restlichen 1000 Kanji gelernt sein, wobei man das "en passant"-Lernen (siehe oben) nicht unterschätzen darf. Ich vermute, dass ein junger Japaner, der vor seinem Hochschulstudium steht, passiv / aktiv deutlich mehr als die geforderten Jōyō- und
Jinmeiyō-Kanji beherrscht.
Aber letztendlich sind das alles mehr oder weniger Vermutungen, vielleicht meldet sich ja noch mal ein Japaner bzw. jemand mit Kindern, die in Japan zur Schule gehen, dazu?