RE: Tsunami in Japan.
Angesichts des großen Elends in den Katastrophengebieten und des
unermütlichen Einsatzes tausender von Hilfskräften, finde ich es nur
noch widerlich, wenn hier, statt über Hilfe nachzudenken oder wenigstens
sein Mitgefühl auszudrücken, in epischer Breite über den Untergang
Japans schwadroniert wird.
Im "Japanisch-Netzwerk" hätte ich anderes erwartet. Eigendlich kann man
sich nur noch abwenden.
In dem Zusammenhang ein Artikel von der WiWo der mir aus dem Herzen
spricht:
"Liebe japanische Freunde,
an dieser Stelle möchte ich den Opfern der Erdbebenkatastrophe in Japan und ihren Freunden und Angehörigen, sowie unseren japanischen Nachbarn in Deutschland, mein Mitgefühl ausdrücken – und meine tiefe Scham darüber, wie sich große Teile der deutschen Öffentlichkeit angesichts dieser säkularen Katastrophe benehmen. Hunderttausende Menschen in Japan haben kein Dach über dem Kopf, sie trauern in Schnee und Kälte um ihre noch nicht gezählten Toten, Abermillionen leben in Angst vor dem Strahlentod.
Und Deutschland? Die Regierung ruft den Notstand aus! Wo ist unser Notstand, außer in unseren Hirnen? Menschen kaufen Jodtabletten und Geigerzähler; im öffentlichen Fernsehen wird mit geradezu wohligem Schauer die Apokalypse beschworen. Das alles klingt wie Hohn und Spott vor dem Hintergrund der tatsächlichen Katastrophe. Deutsche Politiker schlagen ihre kleinlichen parteilichen Vorteile aus der drohenden Atomkatastrophe. Ich entschuldige mich für Claudia Roth, die in einer Menschenkette giggelt und gaggelt, und ihre klammheimliche Wahlkampfvorfreude kaum verbergen kann. Wir tanzen auf den Gräbern noch nicht gefundener Toter; wir vergessen die Opfer. Ich entschuldige mich für jenen Bundesminister, der sich über mangelnde persönliche Information durch den japanischen Ministerpräsidenten beschwert – als ob die japanische Führung jetzt noch Zeit für sensible deutsche Befindlichkeiten hätte. Das peinliche Bild Deutschlands wird abgerundet durch den "Helfer", der an- und gleich wieder abreist, weil er am Flughafen Tokios nicht abgeholt wurde: Club Med statt Mitgefühl. Mir ist mein eigener Berufsstand peinlich, der Fakten nicht mehr von Vermutungen trennen kann und von Beginn an vom allergrößten GAU faselt. Deutschland redet sich in Panik. Aber uns fehlt das Mitgefühl, die Fähigkeit zum Mit-Leiden und zur Rücksichtnahme auf die Gefühle der von der Katastrophe Betroffenen.
Ich bewundere die Gefasstheit der japanischen Bevölkerung. Dies steht in einem peinlichen Gegensatz zum hektischen Geschrei und Getue in Deutschland. Wir führen uns auf wie ungezogene Kinder, egoistisch, egozentrisch und vor allem: herzlos.
Glauben Sie mir aber: Es gibt auch andere Menschen in Deutschland. Sie schweigen. Sie sind berührt von den Bildern unfassbaren Leids. Sie sind demütig angesichts der Selbstlosigkeit, mit der japanische Techniker und Soldaten Gesundheit und Leben aufs Spiel setzen, um das Schlimmste zu verhindern. Wir wollen helfen, und viele haben dies in Japan auch bewiesen.
Liebe japanische Freunde: Wir, die wir mit Ihnen fühlen, reden nicht, wir triumphieren nicht, wir wollen nicht Recht haben, wir werden Sie niemals belehren wollen, wie Sie mit der Katastrophe umgehen. Wir trauern mit Ihnen in anteilnehmender Stille.
Roland Tichy"
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 01.04.11 22:56 von adv.)
|