Antwort schreiben 
Todesursache Nr. 1 unter jungen Japanern: Suizid
Verfasser Nachricht
Nanimo


Beiträge: 50
Beitrag #21
RE: Todesursache Nr. 1 unter jungen Japanern: Suizid
Okay, ich hab mir das mal durchgelesen.
Und natürlich, es ist schlimm und dagegen sollte was unternommen werden, aber dagegen habe ich auch nie was gesagt. Ich bin mir dessen wohl bewusst (und auch das ist kein Angriff), auch wenn ich diese beiden Artikel nicht gelesen hatte.
Was ich zu sagen versuchte, war Folgendes (es war vielleicht schlecht ausgedrückt): Auch wenn die Selbstmordrate in Japan doppelt so hoch ist, kann man nicht sagen, dass Deutschland (oder ein anderes Land) vollkommen unberührt davon ist. Und ich bin mir nicht ganz sicher, ob so viele Selbstmorde tatsächlich von "Überforderung" in Hinsicht auf gesellschaftliche und leistungsbezogene Aspekte kommen. Natürlich hat in Japan Harakiri bzw. Selbsttötung eine lange Tradition und auch das mag einen Einfluss darauf haben, das ist klar. Aber es erscheint mir doch merkwürdig, dass so viele Menschen sich umbringen, weil sie mit ihrem sozialen Standpunkt, ihrer Karriere oder ihrem Leben nicht zufrieden sind. Und auch Genetik halte ich (persönlich) für ausgeschlossen oder zumindest sehr unwahrscheinlich, weshalb es mich interessieren würde (wie auch die eigentliche Frage dieses Threads lautete) warum denn die ganzen Menschen sich umbringen? Da Suizid an Platz 1 der Todesursachen steht, gehe ich davon aus, dass es weit mehr sein muss als das Leben oder die Tradition.
Suizidgedanken entstehen oft aus Verzweiflung und einem Gefühl der Ausweglosigkeit. Aber was ist in Japan so "schlimm", dass die Menschen keinen anderen Weg sehen, sich in jungen (!) Jahren selbst umzubringen? Ich kann mir das absolut nicht vorstellen. Dass es Verzweiflungsmorde geben mag, ist klar, aber in solchen "Massen", sage ich mal, ist das... merkwürdig. Ich find's unbeschreiblich. Immerhin sind das knapp ein Drittel der Gesamtbevölkerung pro Jahr.

The right to be stupid belongs to the guarantee of the free development of personality.
04.06.14 22:18
Alle Beiträge dieses Benutzers finden Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
yamaneko


Beiträge: 3.745
Beitrag #22
RE: Todesursache Nr. 1 unter jungen Japanern: Suizid
Suizid hat mich immer sehr interessiert, weil ich vor vielen Jahren beschlossen hatte bei einem unheilbaren Leiden keine Schmerzen zu ertragen und auch keine Demütigungen durch ein überfordertes Personal in Spitälern, keine Verlängerung eines Lebens, das ich als "unwürdig wegen Demenz" empfinden sollte..

In der Schule sollte ich die Bereitwilligkeit junger Japaner bewundern, die bereit waren, sich für das Vaterland als "Selbstmordattentäter" zu opfern (es hat aber nicht so geheißen)!
Im Institut für Japanologie in Wien wollte ich die japanische Literatur zu dem Thema lesen. Aber ich bin nie zu einem flüssigen Lesen gekommen.
Und jetzt habe ich dieses Thema hier endeckt, werde aber schlafen gehen, bevor ich mir die vielen Meinungen durchlesen werde. Danke für die Anregung, mich wieder einmal einzuloggen!
yamaneko

04.06.14 23:36
Alle Beiträge dieses Benutzers finden Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
Kasu


Beiträge: 379
Beitrag #23
RE: Todesursache Nr. 1 unter jungen Japanern: Suizid
(04.06.14 15:17)Firithfenion schrieb:  過労死 ist ja auch so ein typisch japanisches Phänomen. Plausibel erscheint mir auch der Hinweis, das in unserer Kultur der Selbstmord durch die christliche Lehre stärker verdammt wurde und als ein direkter Weg in die Hölle angesehen wurde.
Gibt es dazu eigentlich auch verlässliche Zahlen zu? Existiert so eine Art weltweite Workaholic-Quote? Das würde mich nämlich auch mal interessieren, weil ich manchmal das Gefühl habe, das wird in Japan als etwas stärkeres hingestellt, einfach, weil es dafür so ein schönes knackiges Wort gibt.

Nanimo schrieb:Aber was ist in Japan so "schlimm", dass die Menschen keinen anderen Weg sehen, sich in jungen (!) Jahren selbst umzubringen?
Ich greife das noch einmal unter dem vorher genannten Gesichtspunkt der christlich geprägten Länder auf. Man könnte nämlich auch fragen: Was ist in anderen Ländern so "einschränkend", dass sich die Menschen nicht trauen, sich selbst umzubringen?
(Das ist natürlich eine ganz bewusst provokativ gestellte Frage und heißt nicht, dass ich es gut finde, wenn sich Personen das Leben nehmen. Wobei ich es in bestimmten Situationen durchaus verstehen kann, bspw. der von yamaneko oben genannten. Da käme für mich ein Suizid auch absolut in Frage bzw. ist quasi geplant.)
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 05.06.14 04:57 von Kasu.)
05.06.14 04:55
Alle Beiträge dieses Benutzers finden Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
Hachiko
Gast

 
Beitrag #24
RE: Todesursache Nr. 1 unter jungen Japanern: Suizid
(04.06.14 23:36)yamaneko schrieb:  In der Schule sollte ich die Bereitwilligkeit junger Japaner bewundern, die bereit waren, sich für das Vaterland als "Selbstmordattentäter" zu opfern (es hat aber nicht so geheißen)!
yamaneko

Nun, das mit der Bereitwilligkeit mag wohl nur eine vielbesungene Legende sein wenn man bedenkt, dass die meisten dieser
jungen Japaner unter Drogen und Alkoholeinfluss in den Endkampf geschickt wurden. Man braucht sich nur mal die Filme anzusehen,
die die traurigen Augen dieser "morituri" zeigen. Begeisterung sieht anders aus.
Ach ja, nichts ist süsser als der Heldentod, so versuchten Verbrecher wie der Tenno und Tojo und wie sie sonst alle noch
heissen mögen, diese auferzwungene Bereitschaft schönzureden.
Die meisten Kamikaze, von einigen Haudegen abgesehen, waren keine Selbstmörder, sondern hilflose Opfer eines skrupellosen
und menschenverachtenden Regimes.
05.06.14 07:07
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
Yano


Beiträge: 2.920
Beitrag #25
RE: Todesursache Nr. 1 unter jungen Japanern: Suizid
Diese Statistik-Liste beschreibt riesige Unterschiede zwischen den Ländern. So sei die Suizidrate in Deutschland das 100-fache der von Syrien, und es gebe etliche suizidfreie Länder. Das halte ich nicht für glaubwürdig; das ist fingiert sind Erfassung, Definition und Datenhandhabung unterschiedlich.
05.06.14 07:15
Alle Beiträge dieses Benutzers finden Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
Yano


Beiträge: 2.920
Beitrag #26
RE: Todesursache Nr. 1 unter jungen Japanern: Suizid
(05.06.14 07:15)Yano schrieb:  Diese Statistik-Liste beschreibt riesige Unterschiede zwischen den Ländern. So sei die Suizidrate in Deutschland das 100-fache der von Syrien, und es gebe etliche suizidfreie Länder. Das halte ich nicht für glaubwürdig; das ist fingiert sind Erfassung, Definition und Datenhandhabung unterschiedlich.

Zum Ausdruck "Kokoro no Kaze": http://www.amazon.co.jp/%E5%BF%83%E3%81%...4289019943

Meine Frau, die einen Hang zur Esoterik hat, war lange Zeit Anhänger von Sharla Mu, bei uns im Haus liegen mehrere solche Bücher herum.
05.06.14 14:26
Alle Beiträge dieses Benutzers finden Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
Firithfenion


Beiträge: 1.727
Beitrag #27
RE: Todesursache Nr. 1 unter jungen Japanern: Suizid
(04.06.14 19:39)Hachiko schrieb:  Wenn man bedenkt, dass sich in Japan sehr viele Menschen das Leben nehmen, indem sie sich vor eine U-Bahn werfen oder
sich im Wald um den Fuji-san, gennant das Selbstmörderwäldchen, erhängen, mögen Schlaftabletten, die schmerzloseste
Lösung partout um aus dem Leben zu scheiden, eher eine untergeordnete Rolle spielen,
wobei zu berücksichtigen ist, dass Frauen eher eine sanfte und leise Selbsttötung wählen und Männer eine eher gewaltsame
und spektakuläre.

Dazu gibt es hier eine 20 minütige interessante Doku
Suicide Forest in Japan

Es ist ja auch klar, das diese Erscheinung eine unangenehme Nebenerscheinung wirtschaftlich hochentwickelter Länder ist. In Ländern in denen man um seine tägliche Existenz kämpfen muss, haben die Menschen gar keine Zeit um in Selbstzweifel und Depressionen zu verfallen, der tägliche Kampf ums überleben liefert eine sehr starke Motivation und einen hervorragenden Lebenssinn.

Wahrscheinlich ist es so, das unser Gehirn evolutionär gar nicht für intellektuelle und philosophische Gedankenspiele geeignet ist. Unser Gehirn wurde für den Zweck designed, uns einen Überlebensvorteil zu verschaffen. Lösungen für Probleme wie: "Wie kann ich mir eine schützende Behausung bauen?", "Wie kann ich im Winter Feuer machen um mich zu wärmen?" oder "Wie kann ich dieses riesige Mammut erlegen, das mir und meiner Sippe wochenlang Nahrung verschaffen könnte, aber viel stärker ist als ich?" sind die eigentlichen Aufgaben des Gehirns.

Wenn unsere alltäglichen Überlebensprobleme gelöst sind, dann kommt unser Gehirn in eine problematische Situation. Es gibt nur wenige Menschen, die eine lebenslange inspirierende Aufgabe finden, die ihren Verstand in konstruktive Wege lenkt. Die anderen befinden sich in stetiger Gefahr das ihr Gehirn mangels anspruchsvoller Beschäftigung in Müßiggang verfällt, sich mit spinnerten und zu nichts führenden Fragen nach dem Sinn des Lebens beschäftigt und sich dann im Labyrinth des Denkens verläuft und uns eine lebensbedrohliche Notsituation vorgaukelt, obwohl wir materiell gesehen doch allen Grund zum Glücklichsein hätten.

Truth sounds like hate to those who hate truth
05.06.14 14:47
Alle Beiträge dieses Benutzers finden Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
客人
Gast

 
Beitrag #28
RE: Todesursache Nr. 1 unter jungen Japanern: Suizid
(05.06.14 14:47)Firithfenion schrieb:  Wenn unsere alltäglichen Überlebensprobleme gelöst sind, dann kommt unser Gehirn in eine problematische Situation.
Ich finde die Ansicht ganz schön zynisch. Wer nicht Gefahr läuft durch äußere Umstände zu verrecken, wie arme Leute in Bangladesh, Indien, Vietnam, Afrika, ..., den zwingt das Gehirn übers Verrecken nachzudenken. Das ist Selektion - die Natur findet schon ihren Weg, sich vom sozialen Unrat zu befreien.

Aber ich denke, dass die Ansicht falsch ist. Selbstmord ist in der Regel eine Verzweiflungstat. Da kommt es nicht darauf an, ob man im reichen Europa oder in armen Ländern lebt:
http://www.taz.de/!56488/

Ich denke, dass anders herum ein Schuh draus wird. Die hohe Selbstmordrate in Japan und Korea ist systembedingt ist. Der subjektive und objektive Erwartungsdruck wird einerseits immer höher, aber die Fähigkeiten der meisten suizidgefährdeten Menschen reicht einfach nicht aus, um ihren eigenen und den ihnen auferlegten Erwartungsdruck zu erfüllen. Eine der letzten Sendungen aus der Anstalt waren da sehr aufschlussreich:
http://www.youtube.com/watch?v=KGkDyV4HdRw

Der Druck wird in asiatischen Gesellschaften meines Erachtens nach noch durch die starren Strukturen erhöht. Wehe dem, der ausscheren und schneller ans Ziel kommen möchte. Der passt nicht ins System. Fördermaßnahmen für hochbegabte Kinder, die in Deutschland Klassen überspringen, gibt es in Japan und Korea beispielsweise nicht. Das passt nicht ins System:
http://www.infojapan.de/kultur/kind.htm

Meiner Meinung nach ist der beste Schutz vor Selbstmord eine gute Integration in der Gesellschaft mit dem Gefühl, gebraucht zu werden. Ein junger Vater mit Familie und Kindern läuft in der Regel aus Verantwortungsgefühl heraus weniger Gefahr Selbstmord zu begehen, als eine alleinstehende Frau an heilig Abend, bei der sogar die Eltern schon verstorben sind (Ausnahmen wie Robert Enke lassen grüßen). In Korea und Japan gibt es immer mehr Singles und immer weniger familäre Bindungen. Da ist es einfach, bei Problemen alles hinzuschmeißen und sich das Leben zu nehmen. China wird sehr bald (ca. 10 bis 15 Jahre) ähnliche Probleme bekommen, dafür würde ich meine Hand ins Feuer legen.
05.06.14 16:32
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
UnDroid


Beiträge: 392
Beitrag #29
RE: Todesursache Nr. 1 unter jungen Japanern: Suizid
(05.06.14 14:47)Firithfenion schrieb:  Wahrscheinlich ist es so, das unser Gehirn evolutionär gar nicht für intellektuelle und philosophische Gedankenspiele geeignet ist. Unser Gehirn wurde für den Zweck designed, uns einen Überlebensvorteil zu verschaffen. Lösungen für Probleme wie: "Wie kann ich mir eine schützende Behausung bauen?", "Wie kann ich im Winter Feuer machen um mich zu wärmen?" oder "Wie kann ich dieses riesige Mammut erlegen, das mir und meiner Sippe wochenlang Nahrung verschaffen könnte, aber viel stärker ist als ich?" sind die eigentlichen Aufgaben des Gehirns.

Wenn unsere alltäglichen Überlebensprobleme gelöst sind, dann kommt unser Gehirn in eine problematische Situation. Es gibt nur wenige Menschen, die eine lebenslange inspirierende Aufgabe finden, die ihren Verstand in konstruktive Wege lenkt. Die anderen befinden sich in stetiger Gefahr das ihr Gehirn mangels anspruchsvoller Beschäftigung in Müßiggang verfällt, sich mit spinnerten und zu nichts führenden Fragen nach dem Sinn des Lebens beschäftigt und sich dann im Labyrinth des Denkens verläuft und uns eine lebensbedrohliche Notsituation vorgaukelt, obwohl wir materiell gesehen doch allen Grund zum Glücklichsein hätten.
Rennen deswegen heutzutage lauter yolo-hipster-swagfags rum, die keinen Anstand besitzen und nur Schwachsinn treiben??

mfg
05.06.14 17:47
Alle Beiträge dieses Benutzers finden Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
Firithfenion


Beiträge: 1.727
Beitrag #30
RE: Todesursache Nr. 1 unter jungen Japanern: Suizid
(05.06.14 16:32)客人 schrieb:  Ich finde die Ansicht ganz schön zynisch. Wer nicht Gefahr läuft durch äußere Umstände zu verrecken, wie arme Leute in Bangladesh, Indien, Vietnam, Afrika, ..., den zwingt das Gehirn übers Verrecken nachzudenken. Das ist Selektion - die Natur findet schon ihren Weg, sich vom sozialen Unrat zu befreien.

Das kommt dir nur deshalb zynisch vor, weil du nicht verstanden hast worauf ich hinaus wollte. Oder weil du gerne Strohmänner benutzt. Das Gehirn "zwingt" uns nicht zum Grübeln, ebenso wie uns niemand zwingt übergewichtig zu werden wenn wir genug zu essen haben. Es sind allerdings beides Möglichkeiten abzudriften, auf die wir achten müssen um uns davor zu schützen.

Verpflichtungen und soziale Bindungen sind gut und schön, sie sind allerdings auch ein zweischneidiges Schwert. Menschen an die wir uns sozial gekoppelt haben, können uns unterstützen, sie können aber auch einen negativen Einfluss auf uns haben und einen Gruppenzwang ausüben, der dazu führt das dadurch Probleme entstehen, die wir ohne diese Bindungen gar nicht hätten. Bei wirtschaftlichen Problemen und (körperlichen) Krankheiten kann ein soziales Umfeld im allegemeinen eine gute Unterstützung sein, weil dies Probleme sind, die jeder verstehen kann. Psychische Probleme sind jedoch komplexer, hier stösst man auch in seinem eigenen Umfeld oftmals auf Mißverständnisse und Äusserungen wie "hab dich nicht so" oder "deine Sorgen möchte ich haben!". Deshalb werden solche Probleme von den betroffenen oftmals verheimlicht. Die zunehmende Zahl von durchdrehenden Familienvätern in Deutschland (manchmal, allerdings seltener auch Müttern) beweist das deine These fehlerhaft oder zumindest unvollständig ist und lediglich auf veralteten sozialromantischen Vorstellungen von einer heilen Welt beruht.

Truth sounds like hate to those who hate truth
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 05.06.14 17:57 von Firithfenion.)
05.06.14 17:52
Alle Beiträge dieses Benutzers finden Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
Todesursache Nr. 1 unter jungen Japanern: Suizid
Antwort schreiben