(31.08.10 02:25)system schrieb: (31.08.10 00:37)Shino schrieb: An irgend einer Stelle muss das ja entschieden worden sein, denke ich;
Muss nicht. Sprache ändert sich für gewöhnlich auch ganz von alleine.
Das ist mir zu einfach. In diesem Fall geht es ja um die Schrift und ihre Systematisierung und nicht um die natürliche Entwicklung einer lebenden Sprache. Du schreibst ja selbst, dass ein japanisches Kind Kanji eher nicht nach einem Radikal suchen würde (wie sollte sich dann ein von der traditionellen Systematisierung abweichender Gebrauch durchsetzen?).
Ich behaupte einfach mal, dass es sich mit der Systematisierung von Kanji anhand von Radikalen ähnlich verhält, wie mit der Grammatiktheorie: Sie ist erst entstanden bzw. wurde eingeführt,
nachdem es schon Schriftzeichen gab. Irgendwann hat es dann Anstrengungen gegeben, das System zu vereinheitlichen und zu vereinfachen. Dabei haben einige Gelehrte ihre Köpfe zusammengesteckt und bewusst entschieden, wie das System ihrer Meinung nach auszusehen hat oder verändert werden muss, um den gegebenen Anforderungen gerecht zu werden. Dies ist scheinbar auch an mehreren Stellen in der Geschichte Chinas und Japans geschehen.
Zusätzlich stecken wieder andere Gelehrte ihre Köpfe zusammen und entsinnen neue Systeme oder verändern das althergebrachte System willentlich und willkürlich, da sie der Meinung sind, dass es in der bestehenden Form nicht ausreicht, die Masse an alten und möglicherweise neuen Schriftzeichen zu klassifizieren und auffindbar zu machen und veröffentlichen ein entsprechendes Lexikon.
Ebenso
muss jemand (eine private Gruppe oder Ministerium, wie auch immer) entschieden haben, sich im Kanji-Kentei in bestimmten Fällen nicht an die althergebrachte Systematisierung zu halten und für den wichtigsten japanischen Test in dieser Richtung teilweise andere Radikale abzufragen, sonst könnte der Test ja nicht funktionieren (wie soll denn ein Schüler/Testkandidat die Fragen richtig beantworten, wenn es mehrere Lösungen für eine Frage gäbe?). Ich nehme einfach an, dass diese Entscheidungen nicht aus der Luft gegriffen wurden, sondern sich entweder auf eine vorhandene Standardisierung, z. B. vom
MEXT, stützt, an die sich die Lexika-Hersteller allerdings nicht halten müssen bzw. wollen oder irgend eine andere Grundlage hat, die ich hier gerne erfahren hätte.
Wenn es sich so verhält, wäre halt die Frage, worauf diese Entscheidungen beruhen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Antworten für einen solchen Test keine Grundlage haben bzw. nur auf "eine Sprache ändert sich für gewöhnlich von alleine" zurückzuführen sind. Immerhin lernen japanische Kinder in der Schule Kanji, deren Lesungen und Radikale - was wäre das für ein Test, dessen Antworten von den in der Schule gelernten Informationen abweichen? Oder ist das tatsächlich der Fall?
Möglicherweise spiegeln die Änderungen bzw. Abweichungen tatsächlich einen allgemeinen Gebrauch wider, weil sich z. B. im Falle von 厳 möglicherweise ein つかんむり (nebenbei im Unterschied zu 厂 interessanterweise anscheinend bedeutungslos) in der Bevölkerung allgemein durchgesetzt hat (das spräche allerdings gegen die Theorie, dass Japaner nicht auch anhand von Radikalen suchen), möglicherweise haben aber auch andere, willkürliche Entscheidungen dazu geführt.
Ich würde mal sagen, wir beide können das hier wohl nicht mehr klären - ich konnte leider im Internet auch keine spezifischeren Infos dazu finden und mein Japanisch ist leider zu beschränkt, um dazu auf japanischen Seiten zu suchen. Vielleicht stimmt es auch, dass es für die Radikale keine Standardisierung gibt und hier jeder machen kann, was er will...