RE: Onoda Hirou - The last warrior
Der Mann ist in einer Zeit aufgewachsen und sozialisiert worden, als die Erinnerung an die erfolgreichen Kriege des japanischen Kaisserreichs gegen China und Russland noch frisch war und das Land gerade erst seinen "Aufstieg" in die Riege der Großmächte vollbracht hatte, was sich in seiner starken Position auf den Konferenzen in Paris, Washington und London niederschlug. Damals herrschten Patriotismus und ein starkes Nationalgefühl vor, die sozusagen die stetige Angst vor äußeren Feinden und das Gefühl, hinter dem Ausland zurückzubleiben, kompensierten.
Japan war in der 20er Jahren noch nicht auf dem Pfad, der es später in den Krieg führen sollte, allerdings hat sich der (Ultra)Nationalismus des Militärs und weiter Wirtschaftskreise durchgesetzt. Als die Macht dann endgültig zuungunsten der Liberalen verteilt worden war, hat man seine Ideologie tief in die Bevölkerung getragen und durch Gedankenpolizei und maßlose Indoktrination eingepflanzt. Ônoda war in den 30er und 40er Jahren genau in dem Alter, wo man am empfänglichn für derartige Propaganda ist.
Ihn als Mörder zu bezeichnen, und als Ewiggestrigen, führt vollkommen an der gesamten Problematik vorbei. Dass das japanische Kaiserreich eine ganze Generation junger Menschen seine, wenig ruhmvollen Krieg opferte wird offenbar, wenn man sich vergegenwärtigt, dass er nicht der einzige war, der nach dem Krieg weitergekämpft hat; von den zigtausenden die sich in sinnlosen Einsätzen geopfert oder selbst gerichtet haben gar nicht zu sprechen.
Ônoda war bestimmt der Meinung, es sei rechtens die Bewohner der Insel zu töten, immerhin wähnte er sich im Krieg, einem Krieg, der vor allem von den asiatischen Beteiligten mit äußerster Rücksichtlosigkeit geführt worden war. Allerdings muss man sehen, dass er niemals etwas anderes gelernt hatte. Er hatte nicht den Luxus eine moderne, liberale und soziale Schulbildung zu genießen, eine Welt des materiellen Wohlstandes kennen zu lernen und mit menschenwürdigerem Gedankengut erzogen zu werden. Er wurde im Morast und Dreck gedrillt, hat sich von seinen kärgliche Rationen ernährt und auf alles geschossen, was nicht der damaligen Ideologie entsprach. Es ist genauso wenig sinnvoll, einem angehörigen des Kriegeradels vorzuwerfen, sein Schwert in unglückliche Passanten zu rammen. Die ideologischen Maßstäbe sind vollkommen andere.
Die eigentliche Problematik hier ist, dass man solche Geschichten nutzt, und zwar nicht nur seitens der Rechten, sondern vor allem auch von seiten der Abe-Regierung, um eine Art Krieger-Nationalgeist zu beschwören, der einem Neonationalismus in Japan Aufwind gibt. Da wird das Bild eines ehrenhaften Kriegers propagiert, der halt in Erfüllung seiner Pflicht Menschen erschossen hat, was soll's. Das ist das andere Extrem und ebenso wenig zielführend. Man darf Ônoda auch nicht verherrlichen, denn damit relativiert man den nationalistischen Kriegsstaat der damals Japan ausmachte.
Man sollte sich allerdings auch fragen, ob, wenn man selbst nicht in der Sicherheit vor seinem Computer moralisieren könnte, sondern man in jener Zeit aufgewachsen wäre, nicht ebenfalls für solche Propaganda empfänglich gewesen wäre. Wenn man sich die Art der totalen Kriegsführung, wie sie in Japan, aber auch in Deutschland, der Sowjetunion und anderen Nationen, ja auch die USA und Großbritannien waren blieben davon nicht verschont, man denke an die unnötige Bombardierung mancher Städte, ansieht, dann kann man sich da kaum sicher sein.
Sicherlich gab es auch solche, die sich dem Militärdienst verweigerten, das waren aber sowohl in Deutschland als auch in Japan nicht allzu viele. Aber das ist auch kein Wunder, wenn man bedenkt welche sozialen Sanktionen man nicht nur für sich selbst, sondern auch die eigene Familie hat befürchten müssen. In Deutschland hat es bis 1998! gedauert, bis Fahnenflüchtige rehabilitiert werden konnten. Wenn man Funk und Fernsehen schaut und im Internet liest, bekommt man manchmal den Eindruck, ganz Deutschland hätte aus Widerstandskämpfern bestanden und die meisten heute Lebenden hätten damals jeden Befehl sofort verweigert. Dem ist nicht so, die Geschichte bietet dafür reichhaltiges Anschauungsmaterial.
|