RE: Lesemethoden von Büchern
Interessant. - Muss zugeben, dass ich da sehr stark bei junti bin, was die Einschätzung angeht: So ein Wort wie "untersetzt" oder eben "solche Vokabeln", von denen wir jetzt wissen, was wir gemeinsam darunter zu verstehen haben, läppert sich von allein per Konsum, möchte ich meinen. Irgendwo und irgendwann wird dem untersetzten Herrn deswegen und nur deswegen, weil er untersetzt ist, etwas passieren und sei es auch nur auf Beschreibungsebene, denke, patience is da der key. W e n n es nur einmal auftritt und aus d i e s e m Kontext nicht hervorgeht, wird es irgendwann woanders aus einem anderen hervorgehen. Das scheint mir - ganz unerschütterlich - der Fall zu sein, wenn man massenmäßig dranbleibt. Dann eben erst nach 100.000 Seiten, wenn es sein muss.
Und da kommen wir glaube ich zum eigentlichen Punkt: Irgendwann möchte man nicht mehr warten oder sogar w e g e n des einen Wortes, das man mal gerne wüsste, kilometerweise Bücher lesen. Es hängt also mehr von der Zielsetzung als einer angenommenen inneren Güte der Methode ab, denke ich: Wenn ich Lesevergnügen haben möchte (und fähigkeitenmäßig in der Lage bin), dann möchte ich da nicht rummachen. Wenn ich aber eine Art Neugier über ein bestimmtes Phänomen (lexikalisch, idiomatisch, semantisch, syntaktisch, etymologisch, weiß der Teufel was), dann juckt es natürlich in den Fingern; dem würde ich dann auch ggf. nachgeben. Hab ich letztens bei "compliance" so gemacht, weil ich schlechterdings nicht über eine vage Idee an Sets, was denn alles potenziell in Frage kommen könnte, hinausgekommen bin in 5 Jahren, einfach deswegen, weil das Wort "compliance" in den Texten, die ich lese, fast nicht vorkommt. Ich verstehe diese Seite durchaus schon auch. Nur mach ich es dann wegen des Wortes und nicht wegen der Lektüre.
Freilich hab ich bei Japanisch im Moment den (sonst berufsbedingten) Latein-Modus drin: Einfach alles hundertfach absichern, um ja am Anfang keiner Kröte aufzusitzen. Insofern zählt dieser Aspekt bei unserer Debatte sicherlich nicht. Aber ich habe auch nicht den Eindruck, dass du so was meinst, wenn du von Nachschlagen sprichst, sondern dass du das knackige Aufschlagen-Reinschauen-Zumachen meinst, wie etwa, wenn ich mir "scythe" bestätigen lasse.
Und so wie bei "untersetzt" kann ich bei keinem anderen deutschen Wort denken, dass es sich nicht irgendwann doch ergeben würde, kein Text ist wirklich hermetisch, erst recht kein Textgeflecht - was ja in Literatur gegossene Sprache ist -; diese sagen wir mal "Interkonnexivität" der Geheimschrift "Versprachlichung" sollte ein letztgültiges Dechiffrieren im Ergebnis durchaus ermöglichen bis auf einen verschwindend geringen Restbestandteil, bei dem - glaube ich - einfach die Restlebenszeit ausläuft, die nötig wäre, wenn man das Rad komplett neu beschlagen wollte. Ich kann mich deiner Position also immer nur auf pragmatischer, aber nicht auf ideologischer Ebene annähern.
Nemeaeus.
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 21.06.13 23:21 von Leo Nemeaeus.)
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