Wenn es in diesem oder in einem anderen Thread zum Thema tatsächlich noch zu einer Diskussion kommen soll, sollte man vielleicht (1) Diskussionen um "normative Prinzipien" zur Beurteilung von gerechten Kriegsmitteln, (2) Diskussionen von "nicht normativen Tatsachen und Spekulationen" und (3) Diskussionen bezüglich der Anwendung der Prinzipien auf die durch die nicht normativen Tatsachen beschriebenen Fälle unterscheiden.
Konkret ginge es in (1) dann z.B. um die Frage, ob und unter welchen Umständen in einem Krieg Unschuldige (d.h. nicht direkt am Krieg beteiligte) umgebracht werden dürfen. Oder auch das Prinzip, das in einem Krieg prinzipiell alles erlaubt ist, könnten in diesem Rahmen diskutiert werden. In einfacher Form weden solche Prinzipien schon bei
Thomas von Aquin diskutiert, allerdings geht es da mehr um die Frage, ob Hinterhalte in einem Krieg erlaubt sind und ob an Feiertagen gekämpft werden darf.
Francisco de Vitoria geht dann schon mehr auf die Frage ein, wieviel in einem gerechten Krieg erlaubt ist. Eine moderne Zusammenstellung von Regeln findet sich schließlich bei
Orend.
Unter (2) wäre zu diskutieren und evtl. durch entsprechende Quellen zu belegen, wie wahrscheinlich eine Kapitulation von Japan gewesen wäre, wieviel später sie aufgrund normaler Bombenangriffe erfolgt wäre und wieviel Tote daraus entstanden wären. Da man hier nur mehr oder weniger auf Fakten gestützt spekulieren kann, sind dann hypothetische Fälle zu formulieren (auch mehrere) auf die die Prinzipien unter (1) dann angewendet werden können.
Unter (3) müsste dann geklärt werden, ob die unter (1) herausgestellten Prinzipien sich auf die Bombenabwürfe in Hiroshima und Nagasaki unter Berücktsichtigung der nicht normativen Tatsachen und Spekulationen in (2) anwenden lassen und wenn nein, warum nicht.
Meine einfache Argumentation wäre wie folgt:
zu (1)
a) Selbst wenn es Umstände gibt, die die äußersten Mittel (in diesem Fall die Atombombe) moralisch rechtfertigen sollten, sind meiner Meinung nach aber auch immer Prinzipien zu berücksichtigen, die das möglist schonenste Mittel zur Zielerreichung (in diesem Fall die Kapitulation Japans) fordern - auch im Krieg. Schonend soll dabei heißen, dass so wenig Menschen wie möglich ums Leben kommen.
b) Da es sich in einem Krieg schwerlich vermeiden lässt, dass Menschen getötet werden sollte bei der Verteilung dieser Toten zwischen verschiedenen Graden der Kriegsbeteiligung unterschieden werden. Demzufolge macht es einen Unterschied, ob nur die Waffenfabriken u.ä. bombardiert werden oder eben die ganze Stadt: ob Zivilisten getöten werden, die mehr oder weniger direkt zum Kriegsgeschehen beitragen, oder solche, die dies nur äußerst indirket tun, wie Frauen und Kinder.
zu (2)
Im Fall der Atombombenabwürfe sehe ich bei den Amerikanern nicht die Intention, ein schonenderes Mittel zu wählen, denn schließlich hätten sie die Wirkung ja tatsächlich vorher mal demonstrieren können, um so die japanische Führung und auch die Einwohner "umzustimmen". Auch wären Bombenangriffe auf zentrale kriegsunterstützende Einrichtungen, wie Fabriken etc., zu bevorzugen gewesen, wobei hier die Frage zu klären ist, wie groß das Mehr und die Art an Toten gewesen wäre, um die Kapitulation zu erreichen.
zu (3)
Wendet man nun (1) auf (2) an zeigt sich, dass die Bombenabwürfe gemäß der Prinzipien a) und b) nicht moralisch legitim waren (auch zu der Zeit nicht), da noch nicht mal der Versuch einer Umstimmung durch Demonstration unternommen wurde und zudem undifferenziert jegliche Art an Zivilisten getötet wurde. Da 1 a) und b) allgemeine Prinzipien sind, die in jedem Krieg unterstellt werden sollten, sehe ich keine besonderen Anwendungsprobleme in diesem Fall.
Zu dem Gegenargument, die Japaner hätten auch Frauen und Kinder umgebracht, siehe Regel 6. von
Orend.
ed.