Beitrag #4
RE: Grammatische Begriffe die es nicht gibt.
Die Sache ist ja im Grunde genommen nicht die, ob es diesen oder jenen Begriff im Japanischen bzw. auf das Japanische angewandt gibt, sondern vielmehr - wie bikkuri schon andeutete - ob es sinnvoll ist, dies zu tun.
Zu den Begriffen "Subjekt" und "Nebensatz", die in westlichen Gefilden* gerne benutzt werden, habe ich ja schon das ein oder andere geschrieben, das will ich nicht wiederholen, ist ja eh alles noch nachlesbar im Forum.
Zu den Pronomina dann... Naja, sicherlich kann man auch beim Japanischen von "Pronomen" oder so reden, wenn man z.B. solche Wörter wie 俺, お前, 貴様 etc meint. Allerdings funktioniert diese Bezeichnung nur auf semantischer Grundlage, da diese Wörter als Übersetzungsentsprechungen von Wörtern, die z.B. in germanischen Sprachen als "Pronomen" bezeichnet werden, auftauchen. Mit anderen Worten: Die Kategorie "Pronomen" fürs Japanische hat weniger mit dem Japanischen als mit dessen Übersetzung ins Englische oder sonst einer anderen Sprache zu tun. Daß sowas der zu beschreibenden Sprache nicht gerecht wird und zudem auch noch unterschiedliche Ergebnisse hervorbringt, abhängig davon, in welche Sprache man denn die Sachen übersetzt, braucht nicht eigens erwähnt zu werden.
Setzt man mal seine Englischbrille ab und betrachtet die sog. 代名詞 des Japanischen, wird man feststellen, daß sie sich in Form und Gebrauch in keinster Weise von normalen 名詞 unterscheiden. Einordnung in Wortklassen findet allerdings, wenn es sauber gemacht wird, nicht nach Kriterien wie Bedeutung (also auf semantischer Ebene) statt, sondern vielmehr nach Charakteristika, die Wörter hinsichtlich ihrer Form (> morphologische Ebene) und ggf. ihres Gebrauchs im Satz und ihrer Beziehung zu anderen Wörtern (> syntaktische Ebene) zeigen. Geht man nach solchen Kriterien vor und läßt mal die Übersetzungsentsprechungen anderer Sprachen außen vor, wird man zu dem Ergebnis kommen, daß es schlichtweg nicht notwendig ist, eine Unterscheidung zwischen 名詞 auf der einen und 代名詞 auf der anderen zu treffen - beide verhalten sich nämlich völlig identisch!
Hier ist man dann auch an dem springenden Punkt (bzw. einem dieser Punkte), den man bei einem Beschreibungsmodell einer Sprache beachten sollte, angelangt: Es gibt, wie bikkuri auch schon sagte, kein Modell, welches per se richtig ist. Was ein Grammatikmodell zu leisten hat, ist zuerst einmal eine möglichst vollständige Beschreibung einer Sprache, die aber dann auch noch möglichst ökonomisch sein sollte, da sie letzten Endes anderen Menschen beim Spracherwerb dienen soll. Das, was von verschiedenen Modellen beschrieben wird, bleibt immer gleich, wichtig ist, inwiefern ein Modell in der Lage ist, eine gute und zugleich präzise und längenmäßig vertretbare Erklärung für sprachliche Phänomene zu liefern.
Die Aufstellung von Wortklassen, die keine Erkenntnisse liefert, sondern nur das System verkompliziert, wo es nicht nötig ist, verstößt gegen das Ökonomieprinzip und ist daher m.E. eindeutig dem Modell, in dem es gemacht wird, als Schwachpunkt anzukreiden.
Weiteres wichtiges Problem sowohl in Hinsicht auf z.B. die Terminologie der Schulgrammatik als auch in Hinsicht auf die Anwendung von Begriffen, die für Sprache X viell. etabliert und sinnvoll sein mögen, auf eine andere Sprache Y, ist die Frage nach den Definitionen.
Man kann sich ja einfach mal die Werke anschauen, die bei der Beschreibung des Japanischen Begriffe/Begriffsparre wie "Nebensatz vs Hauptsatz", "Konjunktion", "Subjekt", "Pronomen", "transitives vs intransitives Verb" etc verwenden. Werden Definitionen dieser Begriffe aufgestellt? Meiner bisherigen Erfahrung nach fällt die Antwort immer gleich aus: Nein, es werden keine aufgestellt. D.h. mit anderen Worten, es werden Begriffe benutzt, die für den Bereich, auf den sie angewendet werden, gar nicht definiert sind. Kurz: Sie sind völlig unbrauchbar und können a priori nicht zur Aufklärung verschiedener Probleme dienen. Es wird dann vom Leser/Schüler vorausgesetzt, daß dieser instinktiv in etwa weiß, was mit den Begriffen gemeint ist, aber wahrscheinlich werden sich die Autoren selber auch kaum Gedanken dazu gemacht haben. Hier kommt man dann zu einem weiteren Problem: Wie man an den "Diskussionen" zu den o.g. Themen wie "Nebensätze im J?" oder "Subjekt im J?" sehen konnte, ist den meisten Leuten überhaupt nicht klar, was diese Wörter eigtl. bedeuten. Es werden also in großem Stil Begriffe, die man für Sprache X, meinetwegen also für das Englische oder Deutsche oder sonst einer Sprache, die man evtl. beherrscht oder als Muttersprache erlernt hat, zwar irgendwie kennt, aber deren wirkliche Bedeutung - sprich: Definition - man nicht kennt, verwendet, um etwas neues zu beschreiben.
Sollten doch einmal Definitionen aufgestellt werden, dann hält sich für gewöhnlich trotzdem kein Mensch daran. Ein gutes Beispiel hierfür ist mal wieder die jap. Schulgrammatik. Hat sich hier mal wer die Mühe gemacht und in einem 国語辞典 oder so Begriffe wie 品詞, 助動詞 oder 他動詞 nachgeschlagen? Falls ja, dürfte dieser Person aufgefallen sein, daß diese Begriffe willkürlich mal gemäß ihrer Definition und mal in abweichender Bedeutung gebraucht werden - und das nicht etwa in verschiedenen Werken (was ja nicht verwunderlich wäre), sondern in ein und demselben Werk!
Kurz: Ob man erst gar keine Definitionen aufstellt oder es doch tut und sie dann gemäß der eigenen Willkür ignoriert, kommt letzten Endes auf denselben Käse hinaus.
So... wieder zuviel Mist geschrieben, aber viell. interessierts ja jemanden.
* (und durch unreflektierte Übernahme leider auch in japanischen: die Terminologie der Schulgrammatik ist nämlich in keinster Weise eine japanische oder viell. chinesische Erfindung, nein, es handelt sich lediglich um Übersetzungen aus europäischen Sprachen, früher vor allem aus dem Holländischen, Stichwort 蘭学 etc, in letzter Zeit dann eher aus dem Englischen - und bei denen handelt es sich fast durchgehend um Begriffe der lat. Grammatik, welche ihrerseits wieder auf der altgriech. Grammatik fußen)
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(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 19.02.05 16:54 von Datenshi.)
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