Nun hab ich die letzten beiden Punkte doch schon diesem einen letzten Post zusammengefaßt. Damit wäre jetzt die ganze Arbeit hier zu lesen. Bitte nicht für Studienarbeiten oder so verwenden, dafür eignen sich die Literaturempfehlungen am Ende weitaus besser!
Und nun bin ich gespannt, ob Reaktionen oder Ergänzungen kommen werden...
4. Ein kurzer Vergleich der Japanischen Roten Armee mit anderen terroristischen Organisationen
Bis hierher habe ich versucht, die Entwicklung der studentischen Konflikte in Japan von den Anfängen bis hin zum terroristischen Krieg der
Nihon sekigun gegen die internationale imperialistische Gesellschaft darzulegen. Es ist deutlich geworden, wie die gesellschaftlichen Umstände Japans nach dem Zweiten Weltkrieg ein Eskalieren der Spannungen zwischen dem Staat und der frühen Studentenbewegung förderten. In diesem Kapitel möchte ich verschiedene Aspekte des
Sekigun-Terrorismus mit anderen Organisationen vergleichen, denn obwohl jede terroristische Vereinigung ihren eigenen, unverwechselbaren Charakter aufweist, sei es in der Geschichte ihrer Entstehung, der sozialen Herkunft ihrer Mitglieder oder auch in ihrer Zielsetzung, zeigt es sich doch, daß sich nicht selten Parallelen finden lassen.
So stellt sich das Phänomen des Terrorismus dann auch nur oberflächlich als scheinbar regelloses Gewalttum dar, das jedoch bei tieferer Betrachtung durchaus eigenen Gesetzen folgt, eine Tatsache, die ihn von alltäglicher, nicht politisch motivierter Kriminalität abgrenzt. Ich möchte dieses hier nur sehr kurz andeuten, ohne weiter ins Detail zu gehen, um zu zeigen, inwieweit auch der Terrorismus einer eigenen Logik und eigenen Regeln folgen kann.
Überaus deutliche Ähnlichkeiten, die auf Gesetzmäßigkeiten schließen lassen könnten, finden sich trotz der großen geographischen sowie kulturellen Entfernung vor allem zwischen der RAF in Westdeutschland und den einzelnen Gruppen der radikalen Linken Japans, sowohl in den Umständen der Entstehung als auch in ihrem Auftreten und ihrem Kampf vor allem gegen den Imperialismus der USA. Die Hintergründe dafür liegen vor allem in den ähnlichen Umständen nach Kriegsende mit Amerika als stärkster Besatzungsmacht und in der Enttäuschung vieler Studenten, nachdem sich die Staatsform der bürgerlichen Demokratie in ihren Augen ebenfalls als System der Repression erwiesen hat. Seit mit dem Beginn des Kalten Krieges marxistische Bewegungen erneut verfolgt wurden, drängte sich ihnen der Vergleich mit den nationalistischen Regierungen bis 1945 geradezu auf.
Der Staat als Vertreter des Imperialismus rückte zunehmend in das Feindbild, und je mehr er sich gegen die Bewegung zur Wehr setzte, um so stärker wurde die Bereitschaft vor allem der Studenten, zu Mitteln des Terrors zu greifen.
So endeten die Konflikte im Laufe der Zeit in einer Spirale der Gewalt, wobei sich wie in Japan auch in Deutschland die Studentenbewegung durchaus nicht einheitlich entwickelte, sondern unter dem Einfluß von Ideologien von zahlreichen Zerwürfnissen gekennzeichnet war. Während ein Teil gemäßigt auftrat und seinen Protest vor allem mit weniger gewalttätigen Mitteln vertrat, suchten kleinere, aber weitaus radikalere Fraktionen den offenen Kampf gegen den Staat und die kapitalistische Gesellschaft. Wie oben beschrieben, erfolgte der Schritt zum Terror nicht mit einem Mal, sondern stellt vielmehr das Ergebnis einer Eskalation dar.
Tatsächlich kann man hier letztendlich von einem „Krieg“ zwischen der Gesellschaft und den Terroristen sprechen, der sich von der Gewaltkriminalität nicht politischer devianter Gruppen zumeist deutlich unterscheidet.
Beispielsweise ist nicht von der Hand zu weisen, daß, im Gegensatz zu diesen Banden, die sich - einfach gesagt - in der Regel aus Außenseitern der Gesellschaft und antisozialen Persönlichkeiten zusammensetzen, vor allem in den Führungsebenen vieler terroristischer Organisationen sehr oft intelligente und charismatische Absolventen der besten Universitäten beziehungsweise Angehörige der oberen Schichten zu finden sind. Neben Shigenobu Fusako als Vertreterin der
Nihon sekigun findet man weitere Beispiele in den Reihen der deutschen RAF, etwa mit der Pfarrerstochter und Journalistin Ulrike Meinhof oder Susanne Albrecht, Tochter wohlhabender Eltern, die am 30. Juli 1977 am Mord an dem Vorstandsvorsitzenden der Dresdner Bank, Jürgen Ponto, beteiligt war. Auch den Begründer der peruanischen linksextremen Terrororganisation
Sendero Luminoso ("Leuchtender Pfad") Abimael Guzman, Professor an der Universität von San Cristobal de Huamanga in Ayacucho, möchte ich an dieser Stelle anführen.
Hochrangige Mitglieder der ebenfalls durch terroristische Aktionen weltweit in die Schlagzeilen gekommenen buddhistischen Weltuntergangssekte
Aum shinrikyô オウム真理教unter Shoko Asahara (geboren 1955 als Chizuo Matsumoto), waren Absolventen angesehener Universitäten Japans. Den Sarin-Anschlag vom 20. März 1995 in der Tôkyôter U-Bahnstation Kasumigaseki verübten unter anderem ehemalige Wissenschaftler der Top-Universitäten Tôdai, Keiô oder Waseda.
Die Frage, weshalb Mitglieder von Eliten bereit sind, ihre beruflichen Karrierechancen zugunsten einer politischen Ideologie oder einer religiösen Lehre aufzugeben, ist sicherlich nicht ohne Hinblick auf diverse persönliche sowie gesellschaftliche Konflikte zu beantworten. Doch läßt sich sicher allgemein aussagen, daß neben der erfahrenen Selbstbestätigung infolge des Gruppengefühls innerhalb einer Organisation das Anliegen, sich gegen empfundene politische Unterdrückung beziehungsweise soziale Mißstände zu wehren, ein Grund dafür sein mag, in eine derartige, potentiell gewalttätige Vereinigung einzutreten, und ebenso selbst irgendwann zum Mittel des Terrors zu greifen, egal, ob diese Mißstände nun existieren oder nicht.
5. Fazit
Vielfach wird ein Bild vom Terrorismus gezeichnet, das den Terroristen –je nach Betrachtungsweise– als Kriminellen oder als Freiheitskämpfer darstellt. Jedoch erscheint jede dieser Aussage nur wenig haltbar, wenn man sich mit dem Phänomen des Terrorismus näher befaßt. Terror stellt nicht mehr und nicht weniger als ein Werkzeug dar, mit dem man Schrecken verbreitet, indem man "einen Menschen tötet, um Zehntausende zu entsetzen". Angewandt wird Terror von den verschiedensten Organisationen, seien sie politisch, religiös oder anderweitig motiviert, um ohne Skrupel die eigenen Ziele durchzusetzen.
Selbstverständlich verstehen sich gerade ultralinke Terrororganisationen wie die Gruppen der
Sekigun gern als Armee in einem Krieg für eine bessere Gesellschaft, indem sie gegen das System des Imperialismus ankämpfen. Dennoch ist es gefährlich, derartige Vereinigungen zu verklären oder gar zu glorifizieren, stellt ihr Kampf doch, nüchtern betrachtet, letzten Endes nicht mehr als ein Verbrechen dar, auch wenn es ideologisch begründet sein mag. In der Eskalation von Gewalt und Gegengewalt stellt sich in der Regel heraus, daß es in dieser Spirale nur Verlierer geben kann.
Im Jahre 1998 gab die RAF in Deutschland offiziell ihre Selbstauflösung bekannt, nachdem sie nach langem Kampf mit dem deutschen Staat bis in die Zeit nach der Wiedervereinigung durch Anschläge von sich reden machte.
Shigenobu Fusako äußerte sich laut einem Report der
Yomiuri shinbun vom 18. Februar 1997 im Herbst 1996 in einem Brief an Tadao Endo, ehemals Besitzer eines Büchergeschäftes in Tôkyô, darüber, daß sie eine schwierige Zukunft für die
Nihon sekigun sähe, nachdem das politische Klima sich verändert habe. Sie befürchte neue Verhaftungen, vor allem, nachdem im Zuge des Friedensprozesses im Mittleren Osten die Toleranz von Staaten wie Syrien und Libanon gegenüber terroristischen Vereinigungen ein Ende gefunden hat. Fünf Mitglieder seien bereits von libanesischen Behörden festgenommen worden. Angeblich versucht die Vereinigung nun, neue Quartiere in Gebieten wie Südostasien oder Lateinamerika zu etablieren, einige Personen wurden bereits in Nepal und in Peru verhaftet. Die
Nihon sekigun existiert bisher weiter, und auch wenn in der letzten Zeit kaum etwas von ihr zu hören ist, scheint es nicht ausgeschlossen zu sein, daß wieder ein Anschlag der Japanischen Roten Armee erfolgen könnte.
以上
Literaturempfehlungen:
Clutterbuck, Richard.:
Terrorism in an unstable world.
London; New York: Routledge 1994
Farrell, William R.:
Blood and rage. The Story of the Japanese Red Army.
Massachusetts; Toronto: Lexington 1994
Steinhoff, Patricia G.: "
Student Conflict." in: Krauss, Elli S., Rohlen, Thomas P., Steinhoff, Patricia G.(Hrsg.):
Conflict In Japan.
Honolulu: University Press Of Hawaii 1994
Nachtrag
Nach 25 Jahren in der Illegalität wurde Shigenobu Fusako im November 2000 in Osaka im Alter von 55 Jahren verhaftet.
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gokiburi, der sich nun wieder stärker dem Essen widmen wird.